Ernst Klaeys Garten im freiburgischen Portalban am Neuenburgersee ist ein Paradies. In allen Farben blüht es, um üppige Sträucher und Büsche schaukeln Schmetterlinge von Blüte zu Blüte. Im Teich drehen unter den Seerosenblättern ein paar grosse Koi-Fische träge ihre Runden, und aus dem nahen Wald klingt der Gesang der Vögel herüber.

Eine Ecke des Gartens bleibt allerdings der Wüste vorbehalten. Hinter den Gittern einer Voliere liegt nackter, sandiger Boden, dahinter sind ein paar Steine und Steinplatten aufgeschichtet. Beim Näherkommen gucken einige neugierige, schwarze Augenpaare aus den Löchern. Klaey ruft die Tiere, und nun kommen sie heraus, rennen aufgeregt um-, über- und untereinander, richten sich auf den Hinterbeinen hoch auf, huschen über die Steine im Gehege und klettern gar das Gitter hinauf, springen wieder hinunter, verschwinden in den Höhlen, nur um ihre spitze Nase eine Sekunde später zu einem anderen Loch wieder herauszustrecken.

«So geht das den ganzen Tag», sagt Klaey schmunzelnd. Erdmännchen kennen keine ruhige Minute, sind ständig in Bewegung, obwohl ihre Heimat, die Namibische Wüste im südlichen Afrika, eigentlich zu einem gemächlicheren Tempo einladen würde. Doch die Nahrung – vor allem Skorpione, Insekten, ab und zu Vogeleier oder Wurzeln – ist knapp, da müssen sich die mardergros­sen Tiere ranhalten.  

Bloss kein Regen!
Bei Ernst Klaey erhalten die putzigen Kobolde Katzenfutter, sie sind ja entfernte Verwandte unserer Hauskatzen. Dazu reicht er ihnen laktosefreie Milch. Viel trinken die Wüstentiere zwar nicht, doch ganz ohne Flüssigkeit kommen sie dann doch nicht aus. Erdmännchen werden zwar nur in seltenen Fällen handzahm, doch sie nähern sich neugierig jedem Besucher, beschnuppern ihn und würden wohl zu gerne mal ausprobieren, wie Schuhe oder Hosenbeine schmecken. Wer die Schnuppertour jedoch mit einer Annäherung an den Menschen verwechselt, bekommt den Irrtum unter Umständen schmerzhaft zu spüren. Die Tiere besitzen für ihre Grösse kräftige Zähne und zögern nicht, von ihnen Gebrauch zu machen. 

Wird ihre Neugier zu gross, versuchen sie, sich aus dem Gehege davonzumachen. Dabei wühlen sie sich unter dem Gitter durch oder quetschen sich durch enge Spalten; Ernst Klaey verhindert dies mit Betonplatten, die das Gehege von unten verschliessen. Doch manchmal nützt auch dies nichts, wie seine Partnerin Barbara Klaey aus eigener Erfahrung weiss: «Plötzlich waren einige Tiere weg, sie hatten eine kleine Lücke gefunden. Tagelang haben wir sie gesucht, doch sie kamen nicht wieder.» Als sie schon aufgegeben hatten, drehte das Wetter, es fing an zu regnen. «Und siehe da, plötzlich kamen sie alle wieder anmarschiert.»

Denn wenn es etwas gibt, das Erdmännchen nicht mögen, dann ist es Regen. Im nassen vergangenen Frühling hockten sie oft tagelang in ihrem Schlafkasten und kamen nur selten und widerwillig heraus. Mit der Kälte unserer Breiten haben sie hingegen kein Problem, denn auch in ihrer Heimat können die Temperaturen durchaus einmal unter null Grad sinken. Zudem helfen bei Ernst Klaey ein Heizstrahler und eine Fussbodenheizung im Schlafkasten, dass es den kleinen Fegern nicht zu kalt wird. Denn obwohl Erdmännchen kälteresistent sind, sagt Klaey: «Zu warm kann es ihnen nie sein.»

Putzig und kämpferisch
Die Heimat der Erdmännchen liegt in den Savannen und Halbwüsten des südlichen Afrika. Dort leben sie in Kolonien von bis zu 30 Tieren in einer strengen Hierarchie. Nur das ranghöchste Weibchen paart sich mit dem ranghöchsten Männchen und wirft nach rund zweieinhalb Monaten zwei bis vier Junge. Gebiert ein rangniedrigeres Weibchen Junge, werden diese vom dominanten Weibchen in der Regel kurzerhand exekutiert. Überhaupt gehen die Tiere recht unzimperlich mit den Mitgliedern des eigenen und erst recht mit solchen fremder Clans um. Wagt sich ein Fremdling ins eigene Territorium, kommt es oft zum Kampf auf Leben und Tod. Die Gruppen leben gemeinsam in einem Bau, den sie entweder selber graben oder der Bequemlichkeit halber von Erdhörnchen übernehmen. Diese werden mitunter so lange drangsaliert, bis sie das Feld «freiwillig» räumen. Die tagaktiven Tiere durchwühlen ihr Territorium nach Insekten, verschmähen aber auch kleine Wirbeltiere, Eier oder pflanzliche Kost nicht. Während die einen Tiere fressen, halten die anderen Wache. Dazu stellen sie sich in charakteristischer Haltung auf die gestreckten Hinter­beine, um nach Feinden wie Greifvögeln, Raubtieren und Schlangen Ausschau zu halten. Ein aus der Gemeinschaft ausgestossenes Tier hat fast keine Überlebenschance..

Höhere Lebenserwartung als in Wildnis
Es war 1988, als der damalige Abteilungsleiter im Berner Historischen Museum auf einer Reise den Zoo von San Diego in Kalifornien besuchte. Lange Zeit stand er vor dem Erdmännchen-Gehege und schaute den possierlichen Tieren zu. Zwar hatte er Tiere immer gemocht und gehalten, doch an die Erdmännchen verlor der heute 70-jährige Berner sein Herz. Und als er das Häuschen in Portalban kaufte, stand für ihn fest, dass er sich einige der kleinen Räuber zulegen wollte. Damit war er der erste von heute rund einem halben Dutzend privaten Erdmännchen-Haltern in der Schweiz; dazu kommen noch eine Handvoll Zoos.

Doch ist das sinnvoll, die Wüstentiere in der Schweiz in Gefangenschaft zu halten? «Ich bin mir bewusst, dass die Erdmännchen-Haltung ein Luxus ist, den ich mir leiste. Doch er kommt für mich nur infrage, wenn ich sicherstellen kann, dass die Tiere in keiner Weise darunter leiden», sagt Klaey. Immerhin leben seine Tiere im Durchschnitt fast doppelt so lang wie in Freiheit, wo sie durchschnittlich sechs Jahre alt werden. Dass er die Tierschutzvorschriften einhält, ist selbstverständlich. Zugleich relativiert er aber: «Für das Wohlbefinden der Tiere ist es wichtiger, dass das Gehege strukturiert und abwechslungsreich ist, als dass es möglichst gross ist.»

Erbitterte Machtkämpfe
Zugleich betont er, dass Erdmännchen keine Streicheltiere und für die Haltung in der Wohnung völlig ungeeignet seien. Als ausgesprochen territoriale Tiere markieren sie gern und ausgiebig, was bisweilen sogar im Freien unangenehm riecht. Zudem benötigen sie tiefes, sandiges Erdreich, in dem sie ihre Gänge graben und das sie nach Insekten durchkämmen können. 

In der Tat sei die Erdmännchen-Haltung anspruchsvoll, betont Klaey. Die Tiere seien zeitaufwendig, die Anforderungen an die Haltung hoch. Anfangs sei ihm die Nachzucht jahrelang nicht gelungen, und auch heute gibt es nicht jedes Jahr Junge. Bei Machtkämpfen in der Gruppe gehe es oft hart auf hart, «darum muss ich ständig schauen, was läuft». Erdmännchen zu halten sei deswegen fast ein Vollzeitjob.