Im Mai 2015 versammelten sich Tausende von Saiga-Antilopen zum Kalben in der kasachischen Steppen. Es waren vor allem Weibchen da, aber auch einige Männchen waren zugegen. Sie bildeten einzelne, kleinere Gruppen, verteilt über eine riesige Landfläche. Kurz darauf begannen sich in diesen Gruppen zu verschiedenen Zeiten Symptome von Krankheit zu zeigen, nur wenige Stunden später waren die Tiere tot («Tierwelt Online» berichtete).

Population um 70 Prozent eingebrochen
Die Sterblichkeitsrate in den einzelnen Herden betrug bis zu 100 Prozent, nur einige wenige, meist männliche Antilopen, überlebten. Erst ging man von 130'000 toten Tieren aus, nun spricht die für den Erhalt der Art zuständige Saiga Conservation Alliance (SCA) gar von 200'000. Insgesamt starben in nur zwei Wochen 70 Prozent der globalen Population der vom Aussterben bedrohten Saiga-Antilopen, die sich eben erst von einem durch Wilderei herbeigeführten Bestands-Tief in den 1990er-Jahren erholt hatten.

Fieberhaft suchten Wissenschaftler nach der Ursache des verheerenden Massensterbens und untersuchten dabei alles, was sie untersuchen konnten: Wasser, Boden, Vegetation und auch die Kadaver selbst. Hier wurden sie fündig. Geich mehrere Labors haben das Bakterium Pasteurella multicoda als Versursacher der Krankheit bestätigt, die zum Tod der nun plötzlich wieder sehr selten gewordenen Antilopen führte, vermeldete die SCA anfangs April. Sie starben an hämorrhagischer Sepsis.

«Noch nie dagewesenes Ereignis»
Das Überraschende daran: Pasteurella lebt normalerweise in den Atemwegen verschiedener Tiere und fügt ihnen keinen Schaden zu. Es seien zwar Fälle von tödlichen Infektionen sowohl bei Wild- als auch bei Haustieren bekannt, schreibt die SCA, doch ein Massensterben in einem solchen Ausmass sei ein noch nie dagewesenes Ereignis.

Der Krankheitsverursacher ist nun also gefunden, doch das Rätsel ist noch nicht gelöst. Was hat das vergleichsweise harmlose Bakterium dazu veranlasst, so plötzlich, fast zeitlgleich in hundertausenden von Saiga-Antilopen Amok zu laufen? Die Forscher vermuten, dass gewisse Umstände wie Bakterien- oder Nährstoffzusammensetzung im Boden, Einflüsse des Wetters oder sonstige Faktoren, die über eine grosse Fläche gleich sein können, als Ursache in Frage kommen. Ebenfalls untersucht werden die Unterschiede zwischen den Kalbungsgebieten vorheriger Jahre, in denen keine Antilopen starben, und dem vom Mai 2015.

Während die Suche weitergeht, setzt die SCA alles daran, die verbliebene Population zu schützen. Wilderer haben es vor allem auf die Hörner der Saiga-Antilopen abgesehen, die in China als wertvoller Ersatz für Nashorn-Horn gehandelt werden.