Unter den nichtmenschlichen Primaten sind vor allem Schimpansen bekannt für ihre von Gruppe zu Gruppe unterschiedlichen erlernten und weitergegebenen Verhaltensweisen – also für ihre unterschiedlichen Kulturen. Zu solchen Verhaltensweisen gehört beispielsweise der Gebrauch von Werkzeugen zur Jagd, Steinen zum Nüsse knacken oder die Nutzung von Tümpeln und Höhlen.    

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) hat nun herausgefunden, dass sich diese kulturelle Vielfalt verringert, je stärker eine Schimpansengruppe durch menschliche Einflüsse gestört wird.    

Dazu untersuchten die Forscher 144 freilebende Schimpansengruppen aus dem gesamten afrikanischen Verbreitungsgebiet. Ein Teil der Daten war bereits von anderen Studien vorhanden, 46 Gruppen in 15 afrikanischen Ländern beobachteten sie während neun Jahren selber im Feld. Analysiert wurden 31 Verhaltensweisen im Verhältnis zum menschlichen Einfluss. Dieser wurde als eine Gesamtheit aus verschiedenen Faktoren ermittelt, darunter die Bevölkerungsdichte, das Vorhandensein von Straßen, Flüssen oder Waldbedeckung.      

«Unsere Analysen zeigen ganz deutlich: An Orten mit einer hohen Belastung durch den Menschen ist die Verhaltensvielfalt der Schimpansen deutlich geringer», erklärt Ammie Kalan, Forscherin am Max-Planck-Institut und Co-Studienleiterin in einer Medienmitteilung. «Im Durchschnitt ist die Verhaltensvielfalt der Schimpansen an Orten mit dem stärksten menschlichen Einfluss um 88 Prozent reduziert.»

Kulturerbe der Schimpansen schützen
Als mögliche Erklärungen für diesen Befund kommt für die Forschenden einerseits die Bevölkerungsdichte in Frage. So haben schrumpfende Populationen eine geringere Kapazität für Verhaltensvielfalt. Auffällige Verhaltensweisen, wie etwa das Nüsse knacken, könnten die Tiere vermeiden, um Jägern ihren Aufenthaltsort nicht preiszugeben. Andererseits könne es sein, dass durch die zunehmende Verschlechterung des Lebensraums und die Knappheit der Ressourcen die Weitergabe von Wissen und lokalen Traditionen von einer Generation zur nächsten nicht mehr vollständig stattfinde. Auch der Klimawandel spiele wahrscheinlich eine Rolle, da er die Verfügbarkeit von Nahrung für die Tiere unvorhersehbar machen könnte. Laut den Forschern sei es wahrscheinlich eine Kombination all dieser Faktoren, die zum Verlust der kulturellen Vielfalt führe.  

«Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Strategien zur Erhaltung der Biodiversität auch auf den Schutz der Verhaltensdiversität von Tieren ausgedehnt werden sollten», erklärt der zweite Studienleiter Hjalmar Kühl, Ökologe am Forschungszentrum iDiv und schlägt vor: «Orte mit außergewöhnlichen Verhaltensweisen können als ‹Schimpansen-Kulturerbe› geschützt werden, und dieses Konzept kann auch auf andere Arten mit hoher kultureller Variabilität ausgedehnt werden, wie zum Beispiel Orang-Utans, Kapuzineraffen oder Wale.»