Der Rotbinden-Samtfalter und das Schwarzrote Grünwidderchen wurden in der Schweiz letztmals 1974 gesichtet, beim Andorn-Dickkopffalter geht der letzte Nachweis gar ins Jahr 1954 zurück. Die drei Arten sind in der Schweiz ausgestorben – auch die Biologen, die für die aktuelle Rote Liste «Tagfalter und Widderchen» fünf Sommer lang unterwegs waren, haben sie nicht wieder entdeckt.

«Vielleicht sind unterdessen auch noch weitere Schmetterlinge aus der Schweiz verschwunden», sagt Yannick Chittaro, Biologe am Schweizer Zentrum für Kartografie der Fauna und einer von drei Autoren der aktuellen Roten Liste. Denn von den zehn Schmetterlings-Arten, welche diese als «vom Aussterben bedroht» aufführt, sind manche trotz intensiver Suche schon mehrere Jahre nicht mehr gesehen worden: Beim Moor-Wiesenvögelchen gelang der letzte Nachweis in der Schweiz im Jahr 2007, beim Spätsommer-Würfelfalter 2006. Hier sei die Zeit seit dem letzten Nachweis noch viel zu kurz, um mit Sicherheit zu sagen, ob die Arten bereits ausgestorben seien, sagt Chittaro. «Es ist möglich, dass wir sie bloss übersehen haben.»

Vor allem Raupen sind anfällig
Insgesamt haben Chittaro und sein Team 226 Arten von Tagfaltern sowie Nachtfaltern aus der Familie der Widderchen bewertet, die in der Schweiz heimisch sind oder waren. Mit 78 Arten steht rund ein Drittel auf der Roten Liste. Davon gelten 38 Arten als verletzlich, 27 als stark gefährdet, zehn sind vom Aussterben bedroht und drei in der Schweiz bereits ausgestorben. Weitere 44 Arten sind potenziell gefährdet.

«Schmetterlinge stellen sehr hohe Ansprüche an ihren Lebensraum», sagt Chittaro. Beispielsweise brauchen manche Tagfalter wie der Apollofalter, der Grosse Waldportier oder der Ockerbindige Samtfalter sehr viel Nektar, um sich fortpflanzen zu können. Sie sind auf genügend blühende Blumen angewiesen – von Rasen und gedüngten Weiden, auf der vor allem Gräser wachsen, haben sie nichts.

«Bei den meisten Arten sind aber die Raupen empfindlicher als die erwachsenen Tiere», sagt Chittaro. Sie sind nicht mobil und manche sind sehr heikel, was das Mikroklima angeht, können beispielsweise nicht mit anhaltender Hitze und Trockenheit umgehen. Vor allem aber sind viele Raupen auf spezifische Wirtspflanzen angewiesen. So ernährt sich etwa die Raupe des Kleinen Scheckenfalters hauptsächlich von Alpen-Wegerich, diejenige des Blauen Eichenzipfelfalters ausschliesslich von Eichenblättern und die des kleinen Alpenbläulings nur von Esparsetten – einer Gattung typischer Magerwiesen-Blumen. «Wenn diese Blumen aus einer Wiese verschwinden, weil diese verbuscht oder gedüngt wird, verschwindet automatisch auch der Schmetterling», sagt Chittaro.

Überbaute und übernutzte Lebensräume
Noch spezifischer sind die Anforderungen des Lungenenzian-Ameisenbläulings, der in der Schweiz praktisch nur noch im Nordosten des Mittellandes vorkommt. Er besiedelt nur Flachmoore und Pfeifengraswiesen, in denen die Raupe genügend Lungen-Enzian oder Schwalbenwurz-Enzian als Nahrung findet. Aber das allein reicht nicht. Es muss auch eine ganz bestimmte Art von Ameisen vorkommen. Die Ameisen tragen die Raupe in ihr Nest, wenn diese sich von ihrer Wirtspflanze fallen lässt, und füttern sie bis zum Schlüpfen des Schmetterlings im kommenden Frühling wie eine eigene Larve.

«Das Hauptproblem der Schmetterlinge ist die Veränderung und Zerstörung ihrer Lebensräume», sagt Chittaro. Viele Feuchtgebiete und Moore wurden trockengelegt, und die heute noch bestehenden sind teilweise bedroht, weil aus der Luft oder von umliegenden Landwirtschaftsflächen Nährstoffe wie Stickstoff hineingelangen. Für Schmetterlinge wertvolle Waldränder gibt es an vielen Orten nicht mehr, weil landwirtschaftliche Flächen direkt bis zum Wald hin bewirtschaftet werden. Magerwiesen und -weiden, in denen am meisten Arten leben, werden überbaut, in intensiv genutzte, gedüngte Weideflächen verwandelt, oder in Berggebieten verschwinden sie, weil die extensive Nutzung aufgegeben wird und der Wald zurückkehrt. «Wenn wir nicht wollen, dass ein Drittel unserer Schmetterlinge verschwindet, müssen wir so schnell wie möglich handeln», sagt Chittaro.

Bedenklich ist laut dem Biologen, dass auch die Population von Arten, die früher sehr häufig waren, in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist. Lediglich fünf Arten, die auf der letzten Roten Liste von 1994 noch aufgeführt sind, haben in den vergangenen Jahrzehnten ihr Verbreitungsgebiet und ihre Populationsdichte stark vergrössert. Der Brombeer-Perlmuttfalter, der Karstweissling, der Kurzschwänzige Bläuling sowie der Südliche Kurzschwänzige Bläuling haben von der Klimaerwärmung profitiert. Einer verdankt seine Ausbreitung aber Massnahmen des Menschen: Der Malven-Dickkopffalter ist laut Chittaro häufiger geworden, weil Ende der 1990er-Jahre im Landwirtschaftsgebiet vermehrt ökologische Ausgleichsflächen und Buntbrachen geschaffen wurden. «Es lohnt sich also, Schutzmassnahmen zu ergreifen – bevor weitere Schmetterlinge aus der Schweiz verschwinden.»

Zur Roten Liste des BAFU

Jeder kann Schmetterlinge fördern

Zum Wohl der Schmetterlinge kann jeder Einzelne im eigenen Garten oder auf dem eigenen Balkon beitragen. Einige Tipps:

 

  • Den Garten möglichst vielfältig gestalten. Denn in unterschiedlichen Stadien ihres Lebens brauchen Schmetterlinge beziehungsweise ihre Raupen unterschiedliche Pflanzen und Umgebungen – zur Eiablage, zur Nahrung, als Unterschlupf.
  • Einheimische Wildpflanzen exotischen Pflanzen vorziehen. Die Raupen vieler Schmetterlinge fressen nämlich nur sehr spezifische Pflanzen und verhungern, wenn sie diese nicht finden.
  • Küchenkräuter wie Thymian, Bohnenkraut und Oregano anpflanzen und blühen lassen, denn sie sind reich an Nektar.
  • Anstatt einen eintönigen Rasen eine Blumenwiese aussäen – und diese nur selten mähen, jeweils nicht die ganze Fläche gleichzeitig.
  • Auf synthetische Schädlingsbekämpfungsmittel und Dünger verzichten.
  • Genügend Strukturen für die Überwinterung bieten – beispielsweise altes Gras, Asthaufen, dürre Stauden, Kletterpflanzen, alte Bäume.

 

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