Zugegeben: Wissenschaftlich sieht es nicht gerade aus, wenn Martin Horat auf einem Ameisenhaufen sitzt. Und doch schwört der selbst ernannte «Wettermissionar» auf seine Methode, das Wetter für das nächste Halbjahr vorauszusagen. Gemeinsam mit den fünf anderen «Muotathaler Wetterschmöckern» präsentiert der 77-Jährige aus Rothenthurm SZ der Öffentlichkeit zweimal im Jahr eine Wetter-Langzeitprognose auf Basis von Naturbeobachtungen.

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Im Trupp der «Wetterpropheten» sind etwa der «Tannzäpfler», der «Muser» oder der «Sandstrahler» – und eben der Horat Martin, der sich in den Ameisenhaufen setzt. Seit 34 Jahren. «Es hat bei uns früher einen Wetterpropheten gegeben, der hat das auch gemacht», erzählt Horat. «Als ich ihn gefragt habe, was er da sieht, hat er gesagt, das müsse ich selber lernen.» Also hat er gelernt, was die Zeichen der Ameisen über das Wetter aussagen. Dieses Jahr soll es einen nassen Sommer geben. «Die Ameisen haben die Augen verdreht. Das haben sie vor fünf Jahren auch schon – das war auch ein nasser Sommer.»

Horat bleibt ganz ernst, wenn er seine Prognosen abgibt, auch wenn er sie mit kernigen Sprachbildern ausschmückt. «Anfang Mai werden wir öfters verschlafen, weil am Morgen die Sonne zu wenig ins Bett scheint», heisst es etwa in seiner Prognose. Recht hatte er. Bei der vorausgesagten Schönwetterphase Mitte Mai lag er allerdings daneben. Seine Erklärung ist einfach: «Da habe ich wohl junge Ameisen angeschaut. Die haben zu wenig Lebenserfahrung. Man muss die alten preichen.»

Was genau Horat an den Waldameisen abliest, will er nicht verraten. «Sonst fangen Sie plötzlich auch noch damit an.» Ob er ihnen wirklich in die Augen schaut oder eher auf die Oberschenkel, wie er einst gegenüber dem Schweizer Fernsehen behauptete. Ob er tatsächlich mehr weiss, es aber für sich behält oder ob er sich einfach etwas ausdenkt, bleibt sein Geheimnis.

Martin Horat setzt sich auf einen Ameisenhaufen

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Schwärme auf dem Regenradar
Viel weiter ist da die Wissenschaft auch nicht: Es gibt keine glaubwürdigen Studien, die belegen, dass Ameisen das Wetter vorhersagen könnten. Immerhin weiss man einiges über die hochsensiblen Sinnesorgane der Insekten; gut denkbar, dass sie etwa kurz vor einem Gewitter einen veränderten Luftdruck wahrnehmen und sich so mit ein paar Minuten Vorlauf auf den aufziehenden Regen vorbereiten können. So behaupten einige Experten, sie hätten die Ameisen vor dem Regenguss dabei beobachten können, wie sie hastig die Eingänge in ihre Bauten zumauerten. Wenn es dann einmal regnet, opfern sich Arbeiterinnen oft für ihre Kolonie, indem sie ihre Körper als lebendige Pfropfen einsetzen, damit ihre Königin im Innern des Haufens trockene Füsse behält.

Einen prominenten Auftritt im Wetterstudio der britischen Fernsehstation BBC hatten Ameisen im Juli 2019. Nicht etwa, weil sie das Wetter prognostizierten, sondern weil sie den Regenradar manipulierten: Weil zeitgleich Abertausende Ameisenmännchen zum Paarungsflug ausschwärmten, registrierte der Radar das Geflirre in der Luft als Nieselregen über Südengland, obwohl an dem Tag – für einmal – kein Tropfen Regen über Grossbritannien fiel.

Ameisen können also den Wetterbericht manipulieren und Regen in den nächsten paar Minuten vorhersagen. Ihnen eine Langzeitprognose zuzumuten wäre aber wohl etwas viel verlangt, das können nicht einmal Profi-Meteorologen. Dafür bleibt letztlich nur Wetterschmöcker Martin Horat, der nach einem wüsten Julianfang – «zu Beginn wird es schwierig sein, die Heuernte unter Dach zu bringen, da es zu nass ist» – übrigens einen schönen Herbst vorhersagt. Wer ihn aber schon etwas eher an seinen Aussagen messen möchte, kann dies in gut einer Woche tun. Für den Sonntag, den 13. Juni prophezeit er nämlich einen ausgesprochen schönen Tag.

SRF DOK über die Muotataler Wetterschmöcker

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