Laut dem Kanton haben Beschwerden keine aufschiebende Wirkung. Dies geht aus der Abschussverfügung hervor, die kurz vor Weihnachten im St. Galler Amtsblatt veröffentlicht wurde. In einer detaillierteren Version im Internet heisst es: «Um einer Zunahme von problematischen Verhaltensweisen des Calanda-Rudels vorzubeugen, ist die Regulierung unverzüglich an die Hand zu nehmen.»

Die Jungwölfe dürfen nur in Siedlungsnähe abgeschossen werden, und es müssen mindestens zwei Jungtiere anwesend sein. Dadurch sollen die Wölfe wieder menschenscheu gemacht werden. Die vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) bewilligte Abschussbewilligung ist bis Ende März befristet.

Immer weniger scheu
Seit 2014 hätten sich die Wölfe zunehmend auffällig und seit 2015 problematisch verhalten, heisst es. Im vergangenen Jahr wurden 13 auffällige, 17 unerwünschte und fünf problematische Wolfsbegegnungen protokolliert. So wurde Mitte Juli in Flims GR ein Wolf beobachtet, der auf einer Wiese an der Sonne lag, auf der zwei Kinder spielten.

Als der Vater der Kinder das Tier zu vertreiben versuchte, schlich der Wolf in rund 10 bis 12 Meter Entfernung des Mannes ins Gebüsch. In Höf bei St. Margrethenberg SG näherte sich nur wenige Tage später ein Wolf einem Bauernhof mit Restaurationsbetrieb. Auf Zurufe des Bauern aus 15 Metern Entfernung flüchtete der Wolf nur zögerlich.

In Trin GR hetzten im Februar 2015 drei Wölfe ein Reh aus dem nahe gelegenen Wald zwischen die Häuser und töteten es. Als sie gestört wurden, liessen sie die Beute vor einem Hauseingang liegen. Später versuchte einer der Wölfe zum gerissenen Reh zurückzukehren.

Diese und weitere ähnliche Vorfälle nahmen die Kantone St. Gallen und Graubünden zum Anlass, Ende November beim Bunde den Abschuss zweier Wölfe zu beantragen. Nur so könnten die Tiere wieder dazu gebracht werden, sich von Siedlungen fernzuhalten, begründeten sie.

Kritik von WWF und Pro Natura
Der WFF und Pro Natura kritisierten die geplanten Abschüsse. Diese seien keine Lösung. Beide Organisationen prüfen derzeit, ob sie die Abschussverfügung gerichtlich anfechten wollen. Zuständig sind die Verwaltungsgerichte der beiden Kantone. In St. Gallen läuft die Beschwerdefrist bis zum 18. Januar, in Graubünden bis Ende Januar.

Laut Auskunft des St. Galler Volkswirtschaftsdepartements könnte der Wildhüter im Calandagebiet schon bald den ersten Jungwolf ins Visier nehmen. Sobald Schnee fällt und das Wild in tiefer gelegene Regionen zieht, könnten auch die Wölfe wieder nahe an Siedlungen kommen. Im Moment sei dies noch nicht der Fall, sagte der Generalsekretär des Volkswirtschaftsdepartements, Gildo Da Ros, am Dienstag auf Anfrage.

Das erste Wolfsrudel der Schweiz lebt seit 2012 im Gebiet des Calanda-Ringelspitz-Massivs im Grenzgebiet zwischen St. Gallen und Graubünden. Das Rudel besteht aus etwa zehn Wölfen: einem Elternpaar mit vier Jungen sowie drei bis fünf Jungen vom letzten Jahr.