Füchse in der Stadt sind mittlerweile ein alltägliches Bild. Man begegnet ihnen häufig nachts, auf dem Heimweg vom Bahnhof etwa. Das war nicht immer so. Die Population ist seit der Jahrtausendwende stark gewachsen – in Zürich jedoch sind begann die Kolonisierung erst 1988.

Anders ist das in Grossbritannien. In britischen Städten wie Birmingham, Bristol oder London seien schon vor über 100 Jahren Füchse gesichtet worden, schreibt ein Forscherteam um Kevin Parsons von der Universität Glasgow am 3. Juni in den «Proceedings» der Royal Society. Diesen Umstand machte sich das Team zu Nutze, um verschiedene Merkmale des Schädels von Stadtfüchsen aus London und solchen der ländlichen Umgebung zu vergleichen.

Wie sich herausstellte, gibt es da einige Unterschiede. Zum einen haben Stadtfüchse kürzere Schnauzen als Landfüchse sowie eine kleinere Schädelhöhle für das Gehirn, was auf eine reduzierte Gehirngrösse hindeutet. Zum andern sahen sich bei den Stadtfüchsen die Schädel von Weibchen und Männchen ähnlicher als bei ihren Artgenossen auf dem Land – Forscher sprechen hier von vermindertem Geschlechtsdimorphismus.

Urbane Zahmheit
Eine kürzere Schnauze könnte den Füchsen in der Stadt beim Fressen von Weggeworfenem und Wühlen im Abfall behilflich sein. All dies seien aber auch Erscheinungen, die bei vielen Tieren im Zuge der Domestizierung auftraten. Zu diesem «Domestizierungs-Syndrom», wie die Forscher es nennen, gehören nicht nur ein kürzerer Schädel, ein kleineres Gehirn und weniger Geschlechtsdimorphismus, sondern auch zahmeres Verhalten, Änderungen der Fellfarbe und – bei Hundeverwandten – Schlappohren.

Viele dieser Merkmale treten als «Nebenerscheinungen» auf, wenn Tiere auf ihre Zahmheit ausgelesen werden. «Stadtfüchse sind nicht domestiziert», stellen die Forschenden klar, «aber es scheint plausibel, dass durch das Leben in der Nähe von Menschen diejenigen Tiere bevorteilt, die weniger unter Angst und Stress leiden – also quasi eine ‹urbane Zahmheit› aufweisen.»

So könnte es also möglich sein, dass die städtische Fuchspopulation dem Menschen gegenüber weniger schreckhaft geworden ist – und damit hat sich auch die Schädelmorphologie verändert. Das scheint auf den ersten Blick überhaupt keinen Sinn zu ergeben. Doch hat man in früheren Versuchen herausgefunden, dass Zahmheit bei Tieren einhergeht mit einer verminderter Grösse und Funktion der Nebennierendrüsen, in denen das Stresshormon Adrenalin hergestellt wird. Während der Embryonalentwicklung, so fand man 2014 schliesslich heraus, entstehen die Schädelstrukturen und Teile der Nebenniere aus den selben Stammzellen.

Gezähmte Füchse aus Sibirien
Auch in dem bekannten sibirschen Langzeitexperiment, in dem der Genetiker Dimitri Beljajev und heute seine Nachfolgerin Ljudmilla Trut seit sechzig Jahren versuchen, Füchse zu domestizieren, traten bei den Tieren nach und nach genau diese Merkmale auf (lesen hier mehr zum Experiment). Dies, obwohl die Forscher immer nur auf Zähmbarkeit züchteten. Über die Jahrzehnte tauchten Füchse mit geflecktem Fell, Schlappohren und eben auch kürzerer Schnauze auf.

Heute sind sich Experten uneinig darüber, ob diese Füchse nun wirklich domestiziert sind oder lediglich gezähmt. Für teures Geld kann man sich bei Trut auf jedem Fall einen solchen Fuchs als Haustier kaufen – in der Schweiz allerdings nicht ohne Sachkundenachweis in der Wildtierhaltung und genügend Auslauf, denn Füchse gelten hierzulande immer noch als Wildtier. Ausserdem dürfte sich auch ein Tierimport aus Russland nicht ganz einfach gestalten.

Dass sich unsere Stadtfüchse nun selber domestizieren, muss nicht befürchtet werden. Schliesslich zeigen sie nach wie vor die nötige Scheu vor dem Menschen. Nur füttern sollte man die Tiere auf keinen Fall. Denn sonst werden sie dann doch mutiger und können für manche schnell zum Ärgernis werden.