Die letzten grösseren Regenmengen in der Schweiz fielen in den ersten zehn Tagen des Monats März. Der Schweiz fehlt die Regenmenge von «deutlich mehr als einem Monat», fasst Stephan Bader vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz die Situation gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zusammen.

Diese Trockenheit ist ein «sehr seltenes Ereignis», sagt er. Denn wenn man den Niederschlag von März und April mit jenem in den Jahren 1981 bis 2010 vergleiche, erreichte er dieses Jahr nur 40 Prozent der üblichen Niederschlagssumme. Seit Messbeginn im Jahr 1864 sei es nur acht Mal vorgekommen, dass diese Summe deutlich unter 50 Prozent der Norm liege.

Froschjahrgang fehlt plötzlich
Was für die Spaziergänger und Velofahrerinnen schön ist, macht der Natur zu schaffen, gerade den Wasserlebewesen. Für die Fische ist die Situation zwar noch nicht alarmierend, wie Philipp Sicher vom Schweizerischen Fischereiverband sagt. Da gebe es noch den kleinen Vorteil, dass die Wassertemperaturen noch relativ tief seien. «Dadurch ist der Sauerstoffanteil im Wasser für die Fische noch nicht alarmierend», sagt Sicher.

Gemäss Sicher gehört dieser Jahresbeginn aber zu den trockensten. Sollten die mittelfristigen Wetterprognosen stimmen, verheisse das nichts Gutes. Wenn es trocken bleibe, und die Wasserstände tief bleiben oder weiter sinken, erwärme sich – insbesondere mit den bis zum Sommer zunehmenden Temperaturen – auch das Wasser schneller. Das könne dann zum Sauerstoffmangel führen. Sicher befürchtet ein Szenario wie im Hitzesommer 2018.

Bereits früher prekär ist die Situation für Amphibien. Weil es so trocken ist, sind Frösche, Kröten oder Molche noch gar nicht an Gewässer gewandert, wie Urs Tester, Leiter Abteilung Biotope und Arten von Pro Natura gegenüber Keystone-SDA sagt. Sie würden dies nachholen, sobald der Regen komme. Das Problem sei aber, dass kleinere Gewässer auch von der Feuchtigkeit in den Böden abhängig seien und ohne diese Feuchtigkeit rasch austrocknen würden. Wenn die Larven und Kaulquappen noch nicht zur Metamorphose bereit sind, sterben sie. Das könne bedeuten, dass so regional ein ganzer Froschjahrgang fehle, so Tester.

Hinzu komme, dass Bauern ihre landwirtschaftlichen Kulturen teilweise mit Wasser aus den bereits ausgetrockneten Flüssen und Bächen entnehmen müssen. Dies verschärfe die Gefahr für die Wasserlebewesen.

Positive Aspekte für Bauern
Die Landwirtinnen und Landwirte müssen ihre Felder wegen der Trockenheit derzeit tatsächlich bewässern. Die meisten Ackerkulturen würde sich bis jetzt noch gut halten, sagt Sandra Helfenstein vom Schweizerischen Bauernverband auf Anfrage. Gemüse, Obst, Beeren und Frühkartoffeln und zum Teil auch andere Kulturen würden aber bewässert. Wie lange die Bauern ihre Felder noch mit Wasser aus Bächen und Flüssen bewässern können, ist offen. Im Moment ist dem Bauernverband gemäss Helfenstein noch keine Einschränkungen bekannt. Aber auch sie weiss, dass viele kleinere Gewässer nur noch wenig Wasser führen.

Die frühe Trockenheit scheint aber auch positive Aspekte zu haben. «Ein trockener Frühling ist im Prinzip ein Vorteil, weil die Feldarbeiten gut gemacht werden können, die Bienen fliegen und die Pflanzen tiefere Wurzeln ausbilden», sagt Helfenstein. Trotzdem würden die Bauernfamilien sehnlichst auf Regen hoffen. Denn irgendwann reiche die Bewässerung nicht mehr aus. Dieser Moment werde je nach Ort und Ausgangslage in fünf bis zehn Tagen erreicht sein, wenn es nicht regne. Ohne Regen könnte die Trockenheit für die Landwirtinnen und Landwirte schwerwiegendere Folgen haben als die Corona-Pandemie, schätzt Helfenstein.

Nicht nur der fehlende Regen ist Schuld
Doch der ausbleibende Regen ist nicht alleine Schuld an der Trockenheit. Zum einen hat es im Winter wenig geschneit. Die Schneeschmelze in den Höhen bringt daher weniger Wasser ins Tal als dies nach einem schneereichen Winter der Fall wäre. Und viel Schnee ist bereits geschmolzen, weil der März verhältnismässig warm war.

Zum andern herrscht in der Schweiz seit längerer Zeit frühsommerliches Wetter. Dieses sonnige und «überdurchschnittlich» warme Wetter hat gemäss Stephan Bader von MeteoSchweiz die Verdunstung des Wassers durch Pflanzen und aus dem Boden angekurbelt. Dadurch sei die Wasserbilanz aus Niederschlag und durch diese Verdunstung massiv negativ. «Die aktuellen Wasserbilanz-Werte bewegen sich an einigen Orten der Schweiz Richtung Trockensommer 2018», erklärt Bader. Hinzu kommt der Wind: «Die stetige Wind – die Bise – trocknet die Böden zusätzlich aus», sagt Sandra Helfenstein vom Bauernverband.

Die fehlende Bodenfeuchtigkeit ist aber zu unterscheiden vom Grundwasser. Gemäss Jan Seibert vom Departement für Geologie, Hydrologie und Klima an der Universität Zürich bewegen sich die Grundwasserstände derzeit noch im üblichen Rahmen. Dies sei vor allem auf die Niederschläge im Januar und Februar zurückzuführen. Es handle sich also um eine meteorologische Trockenheit und nicht um eine hydrologische Trockenheit.

Zwei bis drei Tage Regen bräuchte es
Stephan Bader schätzt, dass es zwei bis drei Tage kräftig regnen müsste, damit zumindest die obersten zehn bis 20 Zentimeter des Bodens wieder genügend durchfeuchtet würden. «Um die bis in tiefere Schichten reichende stark negative Wasserbilanz wieder auszugleichen, benötigt es aber mehr als eine normale Monatssumme.»

Allerdings sind gemäss Bader bis Ende April und in den ersten Maitagen keine erheblichen Niederschläge zu erwarten. Die Trockenheit wird also voraussichtlich noch einige Zeit anhalten.