Eigenltich ist es nicht verwunderlich. Immer mehr Exoten gelangen durch den Suezkanal ins Rote Meer. Denn dort finden sie aufgrund der gestiegenen Wassertemperaturen perfekte Lebensbedingungen vor und gedeihen prächtig. Je wärmer das Wasser, umso mehr verbreiten sie sich. 

Allerdings wird das immer mehr zum Problem. Denn die invasiven Arten verdrängen die einheimische. Und das nicht etwa, weil sie in direkter Konkurrenz stehen, sondern weil sie freie Nischen besetzen. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Fachjournal «Global Ecology and Biogeography».

Wanderungen durch den Suezkanal gab es schon immer

Neu ist die Ein- und Auswanderung von Meeresbewohnern durch den Suezkanal nicht. Seit dessen Eröffnung im Jahr 1869 kommt es zu einem Austausch von Lebewesen zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer. Der verlagert nun aber immer mehr in eine Richtung: Heute wandern vor allem tropische Arten vom Roten Meer ins Mittelmeer, was Fachleute als «Lessepssche Migration» bezeichnen – benannt nach dem Erbauer des Kanals, dem französischen Diplomaten Ferdinand de Lesseps.

Lessepssche Migration – kurz erklärt

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Stehen wir vor einem Kollaps mediterraner Arten?

Die Tierwanderung hat Folgen. Dadurch – und durch den fortschreitenden Kollaps mediterraner Arten – verändern sich die Flachwasser-Ökosysteme in der Region den Forschenden zufolge besonders tiefgreifend. Die Auswirkungen der Invasoren auf die ansässige Fauna und die Funktion der Ökosysteme lassen sich aber nur verstehen, wenn man ihre Eigenschaften wie Lebensweise oder Ernährung mit jenen der heimischen Fauna vergleicht. Das Problem dabei ist der lange Zeitraum des Prozesses.

«Wir sehen heute das Ergebnis einer jahrzehntelangen massiven ökologischen Transformation, wussten aber nicht, wie dieses zustande gekommen ist», erklärte der Paläontologe und Studienautor Paolo Albano gemäss einer Mitteilung der Universität Wien.

Der Bau des neuen Suezkanals

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Natürliche Archive für Altersdatierung

Um die Auswirkungen der «Lessepsschen Migration» zu verstehen, haben sich die Forschenden auf die Untersuchung von Weichtieren (Mollusken) wie Muscheln und Schnecken konzentriert.

Ihre artspezifischen Kalkschalen bleiben nach dem Tod der Tiere oft für Jahrzehnte bis Jahrtausende am Meeresboden erhalten. Sie bilden dort natürliche Archive, «die altersdatiert werden können, und eine Rekonstruktion der Artenzusammensetzung vor Öffnung des Suezkanals beziehungsweise aus frühen Phasen der Invasion erlauben», so der Wiener Forscher, Jan Steger. Der geografische Fokus der Studie lag dabei auf der Mittelmeerküste Israels, einer der Regionen mit den meisten eingeschleppten Arten.

Klimaschutz ist dringend notwendig

Die Forschenden entnahmen in dieser Region Proben und analysierten sowohl die dort lebenden Weichtiergemeinschaften als auch am Meeresboden abgelagerte Schalenreste. Sie konnten dabei funktionelle Unterschiede zwischen den einheimischen und tropischen Arten seit Beginn der Invasion nachweisen. «Das legt nahe, dass das fortschreitende Verschwinden einheimischer Arten wohl nicht primär auf direkte biologische Konkurrenz zurückzuführen ist», sagte Steger. Es bedeute aber auch, dass die heutigen, von tropischen Arten dominierten Lebensgemeinschaften sich funktionell stark von jenen der Vergangenheit unterscheiden.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Veränderungen der Fauna durch die zunehmende Erwärmung des Wassers und den weiteren Ausbau des Suez Kanals regional immer weitreichender werden und in Zukunft auch andere Sektoren des Mittelmeers erfassen könnten. Dies sei nur durch konsequenten Klimaschutz zu verhindern, «denn es ist vor allem die fortschreitende Erwärmung, die den einheimischen Arten zum Verhängnis wird, während sie gleichzeitig die Ausbreitung tropischer Arten begünstigt», so Albano.

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