Genüsslich wühlen die Sauen im weichen Waldboden. Pflügen die lose Erde mit ihren Nasen um. Die kurzen, braunen Schwänzchen wedeln im Takt. Nichts kann ihr Wohl stören. Auch nicht der Hund, der nur wenige Meter entfernt starr dasitzt und die Wildschwein-Rotte durch den Drahtzaun anstarrt. Im Ruhegatter kann die Tiere niemand behelligen. Ebenes Gelände, viele Bäume und Büsche zum Schutz, ein natürliches Habitat, mehrere Hektaren gross. Doch die Sauen sind nicht zum Spass hier, sondern zum Training. Bis zu sechs Mal pro Tag führt sie der Gattermeister ins angrenzende Arbeitsgatter, wo sie für maximal fünf Minuten auf einen Jagdhund treffen werden.

In Deutschland sind solche Schwarzwildgatter gang und gäbe. Regelmässig gehen dort Jäger vorbei, um ihre Spürnasen an Wildschweinen «arbeiten» zu lassen, wie es im Jargon heisst. Dieses Arbeiten läuft in drei Phasen ab: Erst beschnuppern die Hunde das Wild durch den Zaun, danach werden sie von ihrem Herrchen oder Frauchen und begleitet von einem Fachmann ins Arbeitsgatter geführt, erst angeleint, dann frei laufend. Der Jagdhund soll die Sauen aufstöbern, sie anbellen, aber nicht angreifen, und schliesslich in Bewegung bringen. 

Vielerorts eine Plage
Ursprünglich besiedelte Schwarzwild ganz Europa. Mancherorts wurde es jedoch vorübergehend ausgerottet. In der Schweiz sind Wildschweine weit verbreitet. Die Allesfresser, die sich heute vermehrt in besiedelte Gebiete wagen, sind eigentlich ausgesprochene Waldbewohner. Gerade im Winter sind sie im Gehölz auf Bucheckern und Eicheln ange-wiesen. Daneben ernähren sich die Sauen auch von Mais, Feldfrüchten, Wurzeln, Würmern, Insekten und Aas. Durch ihre rasche Vermehrung gelten sie vielerorts als Plage. Im Jahr 2016 soll Schwarzwild schweizweit landwirtschaftliche Schäden von circa drei Millionen Franken verursacht haben.

Ein Sechs-Hektar-Gatter im Wald
Das ist der Idealfall, den der Jäger auch in freier Wildbahn sehen will. Die Hunde sollen beim Training den Charakter der Wildschweine kennenlernen und auch realisieren, dass diese gefährlich sein können. Ohne ein Schwarzwildgatter, da ist sich das Schweizer Jagdhundewesen einig, lässt sich ein solches Szenario nicht simulieren. Doch hierzulande gibt es bisher kein Einziges davon. Und das wird auch in naher Zukunft so bleiben.

Doch der Reihe nach: Seit Mitte 2015 schreibt der Bund den Jägern vor, ihre Hunde speziell für die Schwarzwildjagd ausbilden zu lassen. Diese Massnahme soll dazu dienen, die Wildschweine und auch die Hunde zu schützen. Denn nicht selten kommt es mit unerfahrenen Hunden während der Jagd zu Verletzungen. Unter der Federführung der Fischerei- und Jagdverwalterkonferenz sowie der Arbeitsgemeinschaft für das Jagdhundewesen (AGJ) entstand deshalb die Kompetenzgruppe Schwarzwildgatter Schweiz. 

Nach langer Suche fand diese einen geeigneten Standort für das Projekt: In den Wäldern von Elgg ZH, einer 4300-Seelen-Gemeinde östlich von Winterthur. 6,4 Hektaren gross, umzäunt und mit Wildschweinen aus Tierparks. Kostenpunkt: circa 200 000 Franken. Als Bauherrin trat die Fischerei- und Jagdverwaltung des Kantons Zürich auf, der Segen von Elgg war vorhanden. Ab Spätsommer 2018 sollten Hunde im ersten Schwarzwildgatter der Schweiz trainieren können. 

Doch im November begann plötzlich alles schiefzugehen: Die geplante Übungsanlage rief erboste Tierschutzorganisationen auf den Plan. Einige von ihnen bezeichneten das geplante Gatter gar als «Wildschwein-Guantánamo». Zudem ist die kantonale Volksinitiative «Wildhüter statt Jäger» hängig, die der privaten Jagd einen Riegel schiebt, sollte sie vom Zürcher Stimmvolk angenommen werden. Die Gemeinde Elgg machte deshalb einen Rückzieher und legte das Projekt Schwarzwildgatter auf Eis. Zumindest bis die Abstimmung vorüber ist. Der Zeitpunkt der Anlage, heisst es seitens des Gemeinderates, sei schlecht gewählt, die Stimmung in der Bevölkerung emotional aufgeladen.

Der Schweizer Tierschutz (STS) ist über den Projektstopp erfreut. Samuel Furrer von der Fachstelle Wildtiere sagt: «Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Stressbelastung bei dieser Konfrontation für das Wildschwein ähnlich hoch ist, wie wenn es von der Rotte getrennt wird.» Die Ausbildung im Gatter lasse sich nicht exakt in die Praxis übertragen. «Niemand kann garantieren, dass der Hund in der freien Wildbahn exakt so funktioniert, wie man es ihm antrainiert hat.» Weiter sei zu bedenken, dass eingesperrte Sauen mit der Zeit gegenüber dem Hund abstumpften. Der Trainingseffekt verpuffe so. 

Permanente Störung des Reviers
Doch was ist die ideale Lösung, um den wachsenden Wildpopulationen beizukommen? Jäger müssten deutlich mehr Zeit in die Bejagung investieren, besonders die Ansitzjagd, sagt Furrer. Aber auch Landwirte seien gefragt. Sie müssten auf ihren Maisfeldern, die von Wildtieren gerne besucht werden, Präventions- und Schutzmassnahmen umsetzen.

An der Ansicht des Tierschutzes zeigt Walter Müllhaupt wenig Freude. Der AGJ-Präsident hatte zuvor fest mit dem ersten Wildtiergatter der Schweiz gerechnet. Derzeit muss er eine fast 350 Kilometer lange Autofahrt nach Baden-Württemberg auf sich nehmen, um dort seine Hunde für wenige Minuten im Schwarzwildgatter an Sauen üben zu lassen. Seine Kompetenzgruppe prüfe nun intensiv Alternativen, Genaueres kommunizieren will Müllhaupt derzeit aber nicht. 

Die Wildschweinjagd nur vom Hochsitz aus zu betreiben, erachtet er als unrealistisch, da in den meisten Kantonen das Schwarzwild mindestens zu einem Drittel auf Bewegungsjagden erlegt werde. «Zudem bedeutet das Ansitzen eine permanente Störung im Revier, da so pro Abschuss circa 40 bis 50 Stunden an Aufwand anfallen.»

Gatter oder kein Gatter? Wie es mit dem Bauprojekt in der Gemeinde Elgg weitergeht, hängt nun vor allem von den Stimmberechtigten ab. Sie entscheiden 2019 darüber, ob die private Jagd im Kanton Zürich überhaupt noch möglich sein wird. Falls nicht, muss sich das Jagdhundewesen anderswo nach einer Lösung umschauen.