Zwei Dachse, die einen 35-Liter-Abfallsack plündern. Ein Dachs, der sich auf einer Terrasse über Kleintierfutter hermacht. Ein Dachs vor einem Kindertrampolin in einem Garten. Wer sich durch die Bildergalerie der Beobachtungsplattform «StadtWildTiere» klickt, begegnet dem schwarz-weiss gestreiften Raubtier überall. Der Dachs, das zeigen die von Privatpersonen aufgenommenen Fotos, ist nicht länger nur ein Waldbewohner. Er ist in der Stadt angekommen.

Wissenschaftlich untermauert werden die Beobachtungen durch eine letztes Jahr erschienene Studie der Forschungsgemeinschaft Swild, die «StadtWildTiere» betreibt. Eine Gruppe um den Biologen Daniel Hegglin untersuchte die Bestandesentwicklung des Dachses in der Schweiz und insbesondere in den beiden Städten Zürich und St. Gallen mithilfe verschiedener Datensätze. 

Zum einen zeigten die in der Jagdstatistik erfassten Zahlen von überfahrenen Dachsen, dass sich der Bestand in der Schweiz und in der Stadt Zürich in den letzten 20 Jahren wohl mehr als verdoppelt hat. Zum anderen tappten bei wissenschaftlichen Projekten in Zürich und St. Gallen in den letzten Jahren mehr als drei Mal so viele Dachse in Fotofallen wie noch in den letzten beiden Jahrzehnten. Und schliesslich meldeten Privatpersonen eben in den letzten zehn Jahren Dachse vermehrt auch im Zürcher Stadtzentrum. 

Dieses Phänomen werde auch in anderen Städten beobachtet, sagt Hegglin. Aus den Innenstädten von Bern oder Luzern zum Beispiel fänden sich diverse Dachs-Meldungen auf der «StadtWildTier»-Seite. «Und aus Wien sind Stadtdachse schon länger bekannt.» Dabei sei es nicht so, dass Dachse einfach auf der Nahrungssuche durch die Stadt streiften, um sich danach in Baue in die Peripherie zurückzuziehen. «Es gibt Baue mitten im Stadtgebiet, so im Friedhof Sihlfeld in Zürich», sagt Hegglin.

Kotstellen und Löcher im Rasen
Die Gründe für diese Entwicklung liegen noch im Dunkeln. Die Voraussetzung dafür war die allgemeine Zunahme der Dachsbestände seit den tollwutbedingten Vergasungen in den 1960er- und 1970er-Jahren. Zusätzlich könnte aber auch eine Rolle spielen, dass Dachse zumindest teilweise die Scheu vor dem Menschen abgelegt und sich so neue Nahrungsquellen in den Siedlungen erschlossen haben, etwa in den Komposthaufen der Gärten. Ähnlich wie der Fuchs dies schon früher getan hat. Im Gegensatz zum Fuchs, der bereits vor Jahren ins Siedlungsgebiet vorgedrungen ist, habe man aber noch nicht beobachtet, dass Dachse sich in ein Haus oder eine Wohnung getrauten, sagt Hegglin. 

Trotzdem kommt es inzwischen auch zu Konflikten mit dem Menschen. «Niemand hat Freude, wenn ein Dachs im Garten zu buddeln beginnt oder seine Latrine einrichtet», sagt Hegglin. Auf der anderen Seite könnten Dachse als grosse, charismatische Tierart mithelfen, das Interesse der Stadtbevölkerung für die Natur zu wecken.

Hegglin und sein Team möchten denn auch weiterverfolgen, ob und wie sich der Dachs als Stadtbewohner etabliert. «Dazu brauchen wir aber möglichst viele Daten», sagt der Forscher. «Deshalb sind wir an jeder Meldung von Dachs-Beobachtungen auf ‹StadtWildTiere› interessiert.»

www.stadtwildtiere.ch