Den Forschern zufolge könnte das Kopf-Einziehen somit vorderhand ein positiver Nebeneffekt gewesen sein. Zu diesem Schluss kommen Jérémy Anquetin vom Jurassica Museum in Pruntrut und seine Kollegen aus Thailand und Frankreich nach Untersuchung eines Schildkrötenfossils.  

Heutige Schildkröten lassen sich in zwei Gruppen einteilen, die Halswender- und die Halsberger-Schildkröten. Erstere wenden den Hals beim Einziehen seitwärts und legen ihn seitlich unter den Panzer, letztere können den Hals gerade zurückziehen. Bisher ging man davon aus, dass sich die Fähigkeit zum Kopf-Einziehen bei beiden Gruppen in erster Linie als Schutzmechanismus entwickelte.

Fossil mit überraschendem Hals  
Dass das zumindest bei den Halsberger-Schildkröten nicht unbedingt der Fall war, entdeckten die Forscher um Anquetin anhand der Halswirbel eines Fossils aus dem späten Jura, also von vor rund 150 Millionen Jahren. Dabei handelte es sich um Platychelys oberndorferi, die als eine der ursprünglichsten Halswender-Schildkröten gilt und während des späten Jura im Gebiet der heutigen Schweiz und Deutschlands vorkam.  

Wie die Wissenschaftler berichten, konnte Platychelys ihren Hals aber offenbar vertikal knicken, ähnlich wie die Halsberger-Schildkröten, die sich in der Schildkröten-Evolution aber erst viel später entwickelten.  «Es war eine riesige Überraschung, dieses Element aus der später entwickelten Gruppe bei einer frühen Halswender-Schildkröte zu entdecken», sagte Anquetin gegenüber der Nachrichtenagentur sda.  

Durch diesen Mechanismus konnte Platychelys ihren Kopf teilweise in den Panzer zurückziehen, schreiben die Forscher im Fachblatt «Scientific Reports».

Schutzfunktion war sekundär  
Anhand dieser Entdeckung stellen Anquetin und seine Kollegen ausserdem eine Theorie auf, warum sich diese Art des Kopf-Einziehens später auch bei den Halsberger-Schildkröten entwickelt haben könnte: um die blitzschnelle Vorwärts-Bewegung des Kopfes bei der Jagd auf Fische zu ermöglichen. Erst in zweiter Linie wurde diese Art des Zurückziehen des Kopfes auch zum Schutz umfunktioniert.  

Den Gedankengang erklärt Anquetin so: «Das Skelett von Platychelys ist recht speziell und ähnelt zwei heutigen Schildkrötenarten, die sich am Boden von Gewässern fortbewegen, sich in der Vegetation verbergen und durch Vorschiessen des Kopfes nach Fischen schnappen.» Deshalb vermuten die Wissenschaftler, dass auch Platychelys ähnlich gelebt haben könnte.  

Diese Theorie müsse jedoch in weiteren Studien überprüft werden, räumen die Forscher im Fachartikel ein. Es sei jedoch die erste plausible Hypothese, warum sich der Kopfeinzieh-Mechanismus – also den Hals gerade zurückzuziehen statt seitlich zu knicken – bei den Halsberger-Schildkröten entwickelt haben könnte.