Wellensittiche stammen aus Australien und sind äusserst sozial. In freier Wildbahn bleiben Pärchen ein Leben lang zusammen und schliessen sich mit anderen zu koordinierten Schwärmen zusammen. Das Phänomen des ansteckenden Gähnens im Schwarm war bei ihnen bereits in Einzelfällen beobachtet worden.

Andrew Gallup von der State University des US-Staates New York hat dies nun einem kontrollierten, wenn auch kleinen Versuch überprüft. Er setzte 16 Wellensittiche (Melopsittacus undulates) jeweils paarweise in benachbarte Käfige, die durch einen Sichtschutz getrennt werden konnten. Ausserdem zeigte er ihnen Videos von gähnenden oder nichtgähnenden Wellensittichen.

Es ist bekannt, dass Wellensittiche automatisch auf Videos gezeigte Verhaltensweisen imitieren. Tatsächlich gähnten die Vögel innerhalb einer Zeitspanne von 5 Minuten dreimal häufiger, wenn sie einander sehen konnten als wenn die Sicht blockiert war. Bei den Videoclips von gähnenden Artgenossen war das Gähnen doppelt so häufig.

Ausdruck von Empathie
Die Resultate präsentieren die Forscher im Fachmagazin «Animal Cognition». Sie gehen davon aus, dass ansteckendes Gähnen nicht nur eine unwillkürliche Reaktion ist, sondern eine primitive Form, um Empathie auszudrücken. Empathie ist die Fähigkeit, Emotionen und Motive von anderen zu erkennen.

So wurde festgestellt, dass ansteckendes Gähnen bei besonders empathischen Menschen häufiger ist als bei weniger einfühlsamen. Durch einen Gefühlsansteckung genannten Prozess fühlt dabei eine Person den Drang zu gähnen, wenn sie ans Gähnen denkt oder jemanden dabei beobachtet. Bestimmte empathische Fähigkeiten sind auch von Vögeln bekannt, etwa von Rabenvögeln.

Ob sich die Wellensittiche allerdings auch von menschlichem Gähnen anstecken lassen, haben die Forscher nicht untersucht. Bei Hunden klappt das: In einem Versuch liessen sich drei Viertel der Hunde durch gähnende Menschen zum Gähnen bringen.