Stephen Hawking trainiert noch. An einer Leine läuft er über ein Feld, die Schnauze immer dicht am Boden. Seine Aufgabe: Landminen aufgrund des Geruchs orten. Die nach dem berühmten britischen Wissenschaftler benannte Gambia-Riesenhamsterratte ist eine von Dutzenden, die in Tansania ausgebildet werden, tödliche Minen ausfindig zu machen.

Auf dem Übungsgelände haben die Ausbilder Kisten mit Landminen vergraben. «Wenn die Ratten den Sprengstoff TNT riechen, müssen sie heftig mit den Pfoten scharren», sagt Cheftrainer Jared Mkumba. Haben sie einen Treffer gelandet, signalisiert er den Tieren mit einem Klickgeräusch, dass sie sich ihre Belohnung abholen dürfen: ein Mäulchen voll leckerer Bananen-Erdnussbutterpaste, verabreicht mit einer Spritze.

Sechs bis neun Monate dauert es, bis eine Riesenhamsterratte zuverlässig Minen erschnüffelt. Dann geht es für die Nager weiter in ehemalige Kampfzonen nach Angola, Mosambik oder Kambodscha. «Die Minensuche mit Ratten ist viel schneller als traditionelle Methoden», sagt Mkumba. «Ratten spüren wirklich nur Minen auf, wohingegen Metalldetektoren bei jedem Stück Schrott Alarm schlagen.»

Leichte Spürnasen
Mit ihrem Gewicht von einem bis eineinhalb Kilogramm sind die Nager ausserdem leicht genug, um über Minen laufen zu können, ohne sie zur Explosion zu bringen. Noch immer sterben jedes Jahr etwa 20'000 Menschen durch Landminen, unter ihnen viele Kinder.

83'000 Minen seien dank der Ratten in Afrika und Asien schon entschärft worden, sagt Christophe Cox, der Leiter der belgischen Nichtregierungsorganisation Apopo, die das Projekt mit den Riesenhamsterratten, die mit den echten Ratten nur entfernt verwandt sind, initiiert hat. Apopo arbeitet seit 1997 mit den Nagern, seit 2000 hat die Oranisation ihren Sitz im tansanischen Morogoro. «Die grösste Hürde bei unserer Arbeit ist das negative Bild, das die Menschen von Ratten haben», sagt Cox.

Grosse Skepsis schlug Apopo denn auch entgegen, als die Organisation 2007 begann, Ratten auch in der Medizin einzusetzen – indem sie trainiert werden, Tuberkulosebakterien zu erschnüffeln. «Als ich davon erfuhr, war ich schockiert, aber es stellte sich heraus, dass die Technik ziemlich effizient ist, effizienter als die Mikroskopie, die wir sonst einsetzen», sagt Daniel Magesa, der als Arzt an der Pasada Upendano-Klinik in Daressalam arbeitet.

Inzwischen gehört das Krankenhaus zu jenen mehr als 30 tansanischen Kliniken, die jeden Monat hunderte Spuckproben zu Apopo nach Morogoro schicken. «Oft ist die Konzentration an Tuberkulosebakterien in den Spuckproben nicht hoch genug, um sie mit unseren Mikroskopen zu erkennen», sagt der Arzt. Die Ratten jedoch können sie riechen.

Tuberkulose erschnüffeln
Oprah und Violet heissen die beiden Nager, die in einem Glaskäfig von einer Spuckprobe zur nächsten flitzen. Hat eine Ratte Tuberkulosebakterien erschnüffelt, gibt es wieder eine Bananen-Erdnussbutter-Belohnung. «Der Vorteil der Ratten ist ihre Schnelligkeit», sagt Cox. «Sie testen hundert Proben in 20 Minuten – ein Laborant braucht dafür vier Tage.»

Weil es ihnen an Ausstattung, Qualifikation und Zeit mangele, entdeckten die Krankenhäuser in der Region nur etwa 50 Prozent der Tuberkulose-Fälle, sagt Cox. Die Ratten haben nach Angaben von Apopo bereits 10'000 TBC-Fälle aufgespürt, die in den Laboren nicht erkannt worden waren.

Angespornt durch diesen Erfolg, gibt es bei Apopo bereits Überlegungen, Ratten bei der Diagnose von Krebs oder neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson einzusetzen.

In diesem englischsprachigen Video sehen Sie die Gambia-Riesenhamsterratten beim Training mit Cheftrainer Jared Mkumba und beim Erschnüffeln von Tuberkulose im Labor.

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