Noch ist er klein, der erste Hyänenclan der Schweiz. Er besteht aus Masangao und Tesi, den Tüpfelhyänen im Zoo Zürich, der diese Tiere als einziger Schweizer Zoo hält – und das auch noch nicht lange. Das sechsjährige Männchen Masangao zog im Januar von Belgien nach Zürich, im Februar folgte die dreijährige Tesi aus Tschechien.

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«Beide haben sich auf Anhieb gut verstanden», sagt Pascal Marty, Kurator Kommunikation des Zoos. Die Voraussetzungen scheinen also gut, dass die Beiden den Clan bald vergrössern werden. Eine Zucht sei mittelfristig geplant, bestätigt auch Marty.

Seit der Eröffnung der Lewa-Savanne Anfang Juni sind Masangao und Tesi für das Publikum zu bestaunen. Am besten zu beobachten seien sie am Morgen und am Abend oder wenn sie nach Futter suchen, sagt Marty. Man habe mit den Hyänen ein Raubtier zeigen wollen, das in die Lewa-Savanne passt. Es freut ihn aber, dass die Beiden beim Publikum gut ankommen: «Es ist natürlich ein schöner Nebeneffekt, dass der Ruf dieser interessanten Tiere durch die Haltung und die positiven Feedbacks der Besucher aufgebessert wird.»

Masangao erkundigt zum ersten Mal sein neues Zuhause

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Und dafür ist es auch höchste Zeit. Denn bei vielen rangieren Hyänen auf der Beliebtheitsskala der Tiere nicht gerade weit oben. Sie sind hässlich, sie sind feige und hinterhältige Aasfresser, sie sind dumm und lachen blöde, glaubt man gemeinhin. Nicht nur die drei Helfer von Bösewicht Scar im Disney-Film «König der Löwen» von 1994 und dem Remake von 2019 (lesen Sie hier unsere Filmkritik) entsprechen diesem Klischee – seit Jahrtausenden schon eilt den Hyänen ein äusserst zweifelhafter Ruf voraus.

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So schrieb schon Aristoteles im vierten Jahrhundert vor Christus, dass Hyänen verfaultes Fleisch lieben und auf Friedhöfen graben, um ihre Gelüste zu befriedigen. Diese Behauptung stimmt natürlich nicht: Auf Friedhöfen zu graben, das haben die Tiere nicht nötig – aber erst mal der Reihe nach. Es gibt nämlich nicht einfach «die Hyänen», sondern vier verschiedene Arten, die zwar einiges gemeinsam haben, aber auch sehr unterschiedlich sind, gerade in ihrem Jagdverhalten.

Da wäre zum einen der Erdwolf, der sich von Termiten ernährt. Anders als sein Name vermuten lässt, ist er nicht näher mit dem Hund verwandt. Alle Hyänen gehören unter den Raubtieren zu den Katzenartigen. Zugegeben, der Erdwolf tanzt ein bisschen aus der Reihe. Näher untereinander verwandt und sich ähnlicher im Aussehen sind die drei Eigentlichen Hyänen.

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Zu ihnen gehört die Streifenhyäne. Sie ernährt sich tatsächlich hauptsachlich von Aas und ist dabei nicht gerade heikel. Die Streifenhyäne heftet sich an die Fersen anderer Raubtiere und macht ihnen auch mal die Beute streitig. Dabei schafft sie es oft, Leoparden und Geparden in die Flucht zu schlagen.

Erfolgreichstes Raubtier
Selbiges tut auch die Schabrackenhyäne, die seltenste der Echten Hyänen, auch sie eine Aasfresserin – anders als Tüpfelhyänen wie Masangao und Tesi, die ihre Beute hauptsächlich selber jagen. Und das höchst erfolgreich. Wie Stephen E. Glickman, emeritierter Professor der kalifornischen Universität Berkeley 1995 schrieb, ist die Tüpfelhyäne der bedeutendste Beutegreifer der afrikanischen Savanne, betrachtet man allein die Menge der erlegten Tiere, wohl der bedeutendste des ganzen Planeten.

Als Top-Prädator erfüllen die Tüpfelhyänen damit eine wichtige Funktion im Ökosystem: Sie sorgen dafür, dass die Beutetiere nicht Überhand nehmen und alles kahlfressen, zudem entnehmen sie der Beute-Population die kranken und die schwachen Tiere. Die aasfressenden Hyänen dagegen sorgen dafür, dass sich über Kadaver keine Krankheiten ausbreiten können, indem sie diese mit Haut, Knochen und Knorpel samt und sonders vertilgen.

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Das eigentümliche Äussere der Hyänen, gekoppelt mit Angst und fehlendem Wissen über ihre Lebensweise, habe hauptsächlich zum negativen Bild der Tiere beigetragen, sagt Arjun Dheer, Doktorand am Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin in einem Artikel des «National Geographic». Dabei seien Hyänen sehr intelligent und haben «von allen Karnivoren das komplexeste Sozialsystem.»

Lachen bedeutet Stress
Schabracken- und Tüpfelhyänen leben in sozialen Gruppen, den eingangs erwähnten Clans. Diese werden oft von den Weibchen dominiert. In beutereichen Gebieten können solche Clans bis zu 120 Tiere umfassen. Die Tiere eines Clans kennen sich untereinander, jagen zusammen und kommunizieren miteinander. Am Gerücht, dass Hyänen dumm sind, kann wahrlich nicht viel dran sein.

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Zur Verständigung im Clan dient den Tüpfelhyänen eine grosse Palette an Lautäusserungen. Dazu gehört ein lautes «Wuup», mit dem die Clanmitglieder einander vor Gefahr warnen, die Gruppe zusammenhalten oder auf Nahrungsquellen hinweisen. Das berühmte «Lachen» allerdings ist bei den Hyänen kein Anlass zur Freude, wie Dheer im «National Geographic» erklärt. Jüngere Tiere geben es von sich, wenn sie aufgebracht und gestresst sind. Beispielsweise, wenn sie Angst haben, dass sie leer ausgehen, weil ranghöhere Tiere sich erst an der Beute sattfressen dürfen, oder wenn ein Löwe in der Nähe ist, den es zu vertreiben gilt.

Tüpfelhyänen streiten ums Essen und «lachen» dabei

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Weibchen mit falschem Penis
Eine weitere Besonderheit der Tüpfelhyäne ist die «Vermännlichung» der Weibchen. Sie besitzen einen Pseudo-Penis, der in Wahrheit ihre vergrösserte Klitoris ist. Wie die Männchen brauchen sie diesen Pseudo-Penis zum Urinieren, paaren sich aber auch damit – ja, das ist etwa so kompliziert, wie es sich anhört – und bringen durch ihn ihre Jungen zur Welt.

Über ein Jahr lang werden die Kleinen dann von der Mutter gesäugt, die sie gut vor Feinden beschützt. Während dieser Zeit spielen und raufen sie zusammen mit den anderen Jungtieren der Gruppe und lernen die Rangordnung und die Spielregeln kennen.

Tüpfelhyänen machen «Wuup»

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Warum die weiblichen Tiere sich derart verändert haben, ist nicht restlos geklärt. Bei Tüpfelhyänen spielt der ausgestreckte Penis eine wichtige Rolle beim Begrüssungsritual. Deshalb vermuten manche Forscher, dass es für die Weibchen evolutiv von Vorteil war, daran teilnehmen zu können. Eine weitere Hypothese besagt, dass der Pseudo-Penis als «Nebenprodukt» entstand, als die weiblichen Tüpfelhyänen zusehends grösser und dominanter wurden und sich dabei der Testosteronspiegel erhöhte.

Mit der weiblichen Dominanz kommt auch weibliche Konkurrenz. Daher vermutet eine dritte Hypothese, dass es für weibliche Jungtiere von Vorteil ist, wie Männchen auszusehen, da diese von ranghohen Weibchen weniger als Bedrohung wahrgenommen werden.

Wie auch immer dem auch sei – wer nun Lust bekommen hat, Tesi und Masangao im Zoo Zürich zu besuchen, der muss ganz genau hinschauen. Denn die Beiden zu unterscheiden, kann ganz schön knifflig sein.