Vor drei bis vier Jahrzehnten sind die Brutbestände der Wanderfalken in der Schweiz zusammengebrochen. Inzwischen haben sie sich wieder erholt. Doch seit 2009 stellten Vogelschützer fest, dass mehrere Brutplätze von Wanderfalken an verschiedenen Orten der Schweiz scheinbar grundlos verwaist blieben. Eine Webcam an einem Hochkamin in Zürich lieferte dann 2011 den Beweis, dass Wanderfalken vergiftet werden (siehe Video oben).

Eine Arbeitsgruppe des Schweizer Vogelschutz SVS / Birdlife Schweiz begann daraufhin zu recherchieren und stiess auf weitere Vergiftungsfälle. Von Vogelschützern aus Serbien kam der Hinweis auf Blogs von in der Schweiz lebenden serbischen Taubenzüchtern: Die Blogger berichteten in ihren Einträgen wiederholt von sogenannten Kamikaze-Tauben, denen Gift ins Gefieder geschmiert wurde. Die Einträge lauteten gemäss SVS/Birdlife Schweiz übersetzt zum Beispiel so: «11. April: Die ersten Kamikazen sind geflogen und haben offensichtlich einen Falken zu Boden gebracht. 12. April: Zweiter Flug eines Weibchens und wieder jagt sie. Morgen wieder Kamikazen und Krieg bis zur Ausrottung.»

«Vergiften ist keine Lösung»
Erwin Bär, Präsident von Rassetauben Schweiz, bestätigt den Verdacht der Vogelschützer. Auch ihm sind solche Fälle zu Ohren gekommen. Namen wurden ihm keine genannt, doch bei den Tätern handle es sich offenbar um Halter von Tauben der Rasse Serbische Hochflieger. «Serbische Hochflieger starten ihre Flüge morgens um vier im Lichtstrahl eines Scheinwerfers», erklärt er. «Bei einem Wettfliegen starten jeweils vier Tauben auf einmal. Wenn eine davon von einem Greifvogel geholt wird, fällt der Teilnehmer aus der Wertung.» Um das zu verhindern, haben einzelne Züchter offenbar zu rabiaten Methoden gegriffen.

«Greifvögel sind ein Problem für Taubenzüchter», sagt Erwin Bär, «aber Vergiften ist keine Lösung. Ich finde das schlimm.» Es gebe aber auch Züchter von Serbischen Hochfliegern, die vernünftige Lösungen anstrebten. Sie wollen das Reglement anpassen. Tauben sollen auch in der Wertung bleiben, wenn nur drei von vieren zurückkehren. Einzelne Clubs sind inzwischen auch Mitglied beim Fachverband Rassetauben Schweiz, der wiederum zu Kleintiere Schweiz gehört, dem Herausgeber der «Tierwelt».

Gefahr für Kinder
Wegen der Vergiftungen kam es im Jahr 2013 zu einer Strafanzeige gegen Unbekannt im Kanton Zürich sowie gegen einen Blogger im Kanton St. Gallen. Die Ermittlungen der Polizei führten laut SVS/Birdlife Schweiz zu einem konkreten Tatverdacht, jedoch wurden beide Verfahren inzwischen eingestellt, weil die Beweise nicht ausreichten.

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Der Wanderfalke ist in der Schweiz geschützt und potentiell bedroht.
Bild: Mathias Schäf

Am Hochkamin in Zürich hat sich inzwischen erneut ein Wanderfalkenpaar eingerichtet. SVS/Birdlife Schweiz will gemäss Medienmitteilung «alles daran setzen, dass es erfolgreich zur Brut schreiten kann.» Wer einen toten Wanderfalken in der Nähe einer toten Taube findet, wird dazu aufgerufen, die Polizei zu informieren. Die Vögel sollten liegengelassen und nur in dringenden Fällen mit einem Plastiksack aufgegriffen werden. Das Nervengift könne insbesondere für Kinder gefährlich sein.

Es drohen drei Jahre Gefängnis
Gemäss Tierschutzgesetz wird das vorsätzliches Töten von Tieren auf qualvolle und mutwillige Art mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. 2013 meldeten die Kantone dem Bund 18 Verurteilungen nach Straftaten, die Wildvögel betrafen, wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen auf seiner Webseite schreibt.

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