Der Warzenhonigfresser hat es schwer. Einst war der mit seinem schwarz-gelben Gefieder besonders hübsche Vogel in Südostaustralien häufig. Er zog bisweilen in Schwärmen mit Hunderten von Tieren durch die Lande. Mitte des 20. Jahrhunderts begannen seine Bestände rapide abzunehmen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Holzschlag, landwirtschaftliche Nutzung und auch Konkurrenz durch andere Vogelarten werden für den Rückgang der Warzenhonigfresser verantwortlich gemacht.

Heute ist die Art akut vom Aussterben bedroht. Nur noch etwa 300 Warzenhonigfresser sind übrig geblieben – verteilt in einem riesigen Gebiet von 300’000 Quadratkilometern. Und das ist nicht gut, wie ein Forschungsteam der Australian National University in der Hauptstadt Canberra in einer Studie in den «Proceedings B» der britischen Royal Society schreibt.

Denn Warzenhonigfresser lernen ihren Gesang von älteren Männchen – allerdings nicht von ihren Vätern. Diese verhalten sich nämlich ums Nest ganz ruhig, um keine Räuber anzulocken. Ein junger Warzenhonigfresser muss sich also, sobald er das Nest verlässt, einer Männchen-Gang anschliessen und von seinen Kumpels das Lied lernen, mit dem er später die Damenwelt verzaubern wird. Doch was soll er tun, wenn es weit und breit keine anderen Männchen hat?

Hören Sie im Video, wie sich der Gesang des Warzenhonigfressers verändert hat

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Keinen Lehrer gefunden
Wie die Forschenden nun zeigen konnten, imitiert er andere Vögel. So fand das Team 18 Warzenhonigfresser, welche die Gesänge anderer australischer Vogelarten angenommen haben – und das ist bei so wenig verbliebenen Tieren schon ein beträchtlicher Teil der Gesamtpopulation. «Wir müssen wohl leider annehmen, dass Warzenhonigfresser mittlerweile so selten sind, dass gewisse junge Männchen nie einen älteren Lehrer finden werden», sagt Studien-Co-Autor Dejan Stojanovic laut einer Medienmitteilung seiner Univeristät. Ob sich mit diesen armen Sängern je ein Weibchen paaren wird, weiss niemand.

Glücklicherweise existieren aber noch zwei grössere Vorkommen des Warzenhonigfressers. Diese liegen allerdings viele Kilometer voneinander getrennt. Wie das Forschungsteam weiter herausgefunden haben, unterscheiden sich die Gesänge der beiden Populationen mittlerweile so drastisch, dass sie möglicherweise gar nicht mehr miteinander kommunizieren könnten, sollten sie denn je wieder aufeinandertreffen. Ausserdem hätten die Gesänge aller Warzenhonigfresser über die Jahre an Komplexität verloren, schreiben die Forschenden, womit sie eventuell auf die Weibchen weniger attraktiv wirken könnten.

Kulturverlust beschleunigt Aussterben
Es sei das erste Mal, dass ein solcher Kulturverlust einhergehend mit einem dramatischen Bestandsrückgang beobachtet wurde. Das Team vermutet aber, dass das viele andere Vogelarten mit dem gleichen Problem zu kämpfen haben oder es bald werden. Für den Warzenhonigfresser könnte dies das Ende bedeuten.

Das Ende verhindern will ein Zuchtprogramm, aus dem die Tiere später ausgewildert werden sollen. Doch auch hier gibt es ein Problem, wie das Team feststellte: Die in Gefangenschaft aufgewachsenen Vögel singen nämlich nochmal ein völlig anderes Lied, als ihre wilden Artgenossen. «Mit Tonaufnahmen versuchen wir nun, jungen Männchen im Zuchtprogramm den Gesang von wilden Warzenhonigfressern beizubringen», sagt Erstautor Ross Crates in der Mitteilung. «Die Art steht kurz vor dem Aussterben und wir sind immer noch dabei zu lernen, wie wir ihr am besten helfen können.» Seine neue Studie hat auf jeden Fall schon mal einen wichtigen Teil dazu beigetragen.