Über den Beitrag der sogenannten Neonikotinoide zu Bienensterben wird seit Jahren intensiv gestritten. Viele Forscher halten die negativen Auswirkungen dieser Pflanzenschutzmittel auf Bienen und andere Insekten durch zahlreiche Studien für belegt. Chemiekonzerne dagegen sind davon überzeugt, dass ihre Produkte keine unvertretbare Umweltgefahr darstellen.  

Neu befeuert wurde die Debatte um das Umweltrisiko dieser Wirkstoffe durch eine Ende Juni im Fachjournal «Science» veröffentlichte Studie. Deren Methoden und Resultate werden in der Fachwelt kontrovers diskutiert. Finanziert wurde sie von den Chemiekonzernen Bayer und Syngenta. Sie produzieren die Wirkstoffe Clothianidin beziehungsweise Thiamethoxam, deren Auswirkungen auf die Bienen in der Studie untersucht wurden.  

Der britische Insektenforscher Ben Woodcock erforschte in Feldversuchen in drei Ländern, wie sich mit Neonikotionoiden behandelte Rapsfelder auf die Gesundheit von Bienen auswirken. Woodcock und sein Team stellten fest, dass sich die Überlebensfähigkeit von Honigbienen in Ungarn und Grossbritannien verschlechterte. In Deutschland, dem dritten beteiligten Land, konnten die Forscher dagegen keinen negativen Effekt auf die Überlebensrate feststellen. Für die unterschiedlichen Ergebnisse gibt es bislang keine Erklärung. Kritik gab es hingegen an der Methode. Die Menge von Neonikotinoiden, denen die Bienen ausgesetzt waren, variierten in den einzelnen Ländern.  

In allen drei Ländern schmälerten Rückstände von Neonikotinoiden in den Nestern zudem den Fortpflanzungserfolg von Hummeln und einer Wildbienen-Art.

Mehr Fragen als Antworten  
«Die Studienresultate werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten», sagt Peter Campbell, der bei Syngenta für die Sicherheit von Pflanzenschutzmitteln zuständig ist, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.  

Wenn mal das ganze Datenmaterial der Studie anschaue, sehe es so aus, als ob Neonikotinoide sowohl schädliche als auch positive Auswirkungen auf Bienen haben könnten. «Diese Ergebnisse sind inkonsistent und nicht signifikant», sagt Campbell. «Sowohl die negativen als auch die positiven Resultate könnten zufällig sein.»  

Er glaubt, dass Pestizide zu Unrecht im Fokus der Diskussion um Bienengesundheit stehen. Die Gesundheit der Honigbienen werde von einer Reihe von Faktoren beeinträchtigt. Dazu gehörten zum Beispiel Bienenkrankheiten, besonders verursacht durch die Varroa-Milbe, Umwelt- und Klimaeinflüsse sowie die landwirtschaftliche Struktur.  

«Wir müssen das Verständnis über diese Faktoren verbessern, die die Gesundheit von Honigbienen beeinflussen», fordert Campbell. Nach seiner Ansicht braucht es weitere Studien, um eine schädliche Wirkung von Neonikotinoiden auf Bienen eindeutig nachzuweisen.

Tausende Studien  
Der Bienenforscher Peter Neumann sieht dies ganz anders: «Es gibt mittlerweile über 1300 Studien zu diesem Thema. Es gibt einen starken wissenschaftlichen Konsens darüber, dass Neonikotinoide auf Bienen schädliche Auswirkungen haben.» Er hatte 2016 in einer Studie nachgewiesen, dass Neonikotinoide die Fruchtbarkeit männlicher Honigbienen verringern und deren Lebensspanne senken.  

Bei Bienen gebe es zahlreiche Hinweise auf sogenannte sublethale Effekte, sagt der Professor für Bienengesundheit an der Universität Bern. Das heisst, dass Neonikotinoid-Rückstände für die Insekten zwar nicht tödlich seien, aber zum Beispiel zu einer beeinträchtigten Fortpflanzungsfähigkeit oder einem verschlechterten Orientierungssinn führen könnten.  

Neonikotinoide werden in der Landwirtschaft häufig eingesetzt, um Nutzpflanzen vor Frass durch verschiedene Schädlinge wie zum Beispiel den Maiszünsler, den Kartoffel- oder den Rapsglanzkäfer zu schützen.

Freiland versus Labor  
Campbell wendet ein, dass die meisten dieser negativen Effekte auf Bienen in Laborstudien und Feldstudien unter unrealistischen Bedingungen belegt worden seien. Untersuchungen unter realistischen Freilandbedingungen hätten dagegen keine schädlichen Auswirkungen auf Bienen gezeigt.  

Neumann dagegen hält Laborstudien wie viele andere Forscher für geeignetes Mittel. Man könne sehr sorgfältig untersuchen, welche Auswirkungen ein Wirkstoff bei welcher Dosis auf Bienen hat. Bei Feldforschung da

gegen gibt es das Problem, dass viele indirekte Faktoren die Studienergebnisse beeinflussen können.   Campbell kritisiert, dass die EU-Kommission das 2013 eingeführte Teilverbot für drei Neonikotionoide hauptsächlich mit Datenmaterial aus Laborstudien und Feldstudien unter unrealistischen Bedingungen begründet wurde. Umfangreiches Datenmaterial aus Feldstudien unter realistischen Bedingungen sei dagegen nicht berücksichtigt worden.  

«Für unser Geschäft ist die Bienengesundheit zentral», sagt er. «Wir haben in unserer Saatgutproduktion weltweit mehr als 100'000 Bienenstöcke im Einsatz.» Für ihn ist klar, dass Neonikotinoide keine Gefahr für Bienen darstellen.  

Gegen Verbot  
Die EU-Kommission ist anderer Meinung, sie prüft eine Verschärfung der geltenden Gesetze. Sie will den Einsatz der Neonikotinoide Thiamethoxam von Syngenta sowie Clothianidin und Imidacloprid von Bayer in der freien Natur ganz verbieten. Die Schweiz und die EU hatten die Anwendung dieser Wirkstoffe 2013 bereits eingeschränkt.  

Aber nicht nur die Chemiekonzerne sind gegen ein Verbot. Auch Bienenforscher Neumann hält ein solches nicht für zielführend. Er sieht stattdessen die Politik am Drücker. «Die Landwirtschaft, der dadurch Ernteausfälle und Ertragseinbussen drohen, braucht Alternativen. Die Gefahr ist sonst gross, dass Wirkstoffe angewendet werden, die noch mehr Schaden anrichten», sagt der Professor.  

Das Problem sei, dass viele Insektengifte nicht zwischen Schädlingen und Nützlingen unterscheiden würden, sagt Neumann. Die Chemiekonzerne müssten dazu gebracht werden, effizientere Pflanzenschutzmittel zu entwickeln, die nur die Zielorganismen treffen, schlägt Neumann vor. Hier könnte die Politik nützliche Anreize setzen.