Eigentlich sollte es eine grosse Sache werden: Sechs Windturbinen würden dereinst auf dem Grenchenberg SO Strom erzeugen. Doch daraus wird nun nichts. Nur gerade vier Windräder dürfen gebaut werden. Die Verkleinerung des Vorhabens ist ein Erfolg von zwei Vogelschutzorganisationen. Sie hatten Beschwerde eingereicht, und das Bundesgereicht hatte sie teilweise gutgeheissen. 

Grund für die Redimensionierung, die laut dem St. Galler Tagblatt einen Kompromiss darstellt, der «niemanden glücklich macht», sind Wanderfalken. Sie brüten in der Nähe, und mit dem Verzicht auf zwei Windräder wird eine Entfernung von rund 1000 Metern zu einem bestehenden Brutplatz eingehalten. Diese Mindestdistanz wird von der Vogelwarte Sempach in einem Gutachten empfohlen.

Sie hat sich dem Schutz des Wanderfalkens seit vielen Jahren verschrieben. Auf der Webseite ist zu lesen, dass die Tiere seit Mitte der Fünfzigerjahre europaweit massive Bestandseinbussen erlitten. Denn sie reagieren empfindlich auf schlecht abbaubare Umweltgifte. «Das hat den prächtigen Greifvogel in der Schweiz an den Rand des Aussterbens gebracht. Dank dem Verbot einzelner Pestizide und dem gesetzlichen Schutz hat es der Wanderfalke geschafft, zum erfolgreichen Rückkehrer zu werden. Die schnittigen Flieger erreichen im Sturzflug atemberaubende Geschwindigkeiten und stürzen sich wie ein Geschoss auf ihre Beute», schreibt die Vogelwarte weiter. 

«Netz Natur»-Beitrag über den Wanderfalken

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Nahe am Wanderfalkenhorst gebaut

Doch auch Bauten wie Windturbinen machen ihnen das Leben schwer. Im Falle des Grenchenbergs sorgen die beiden wegfallenden Anlagen am östlichen Rand des Windparks für Entspannung. Sie wären nur 350 beziehungsweise 700 Meter von einem Wanderfalkenhorst entfernt zu stehen gekommen. 

Es leben zudem noch weitere Vogelarten in der Region des geplanten Windparks, deren Bestand fragil ist. Dazu zählen die Heide- und Feldlerche sowie die Waldschnepfe.

Wie die Nachrichtenagentur «keystone-sda» meldet, habe das Bundesgericht zudem entschieden, dass weitere Massnahmenzum Schutz und Monitoring zu getöteten Vögeln und Fledermäusen vorgenommen werden müssen. Die Auswertungen werden einen Einfluss auf zukünftige Abschaltungen der Anlage haben. Bereits vorgesehen war beispielsweise die Abschaltung, wenn das Radarsystem das Nahen von Vogelzügen anzeigt.

Interesseneskonflikte zwischen Natur-, Tierschutz und alternativer Energiegewinnung

Die öffentliche Beratung des Bundesgerichts hat gezeigt, wie schwierig die verschiedenen Interessen von Vogel- beziehungsweise Tierschutz, Landschaftsschutz, Biodiversität und alternativer Energiegewinnung miteinander in Einklang zu bringen sind.

Die Richter führten aus, dass die Schweiz sich dazu verpflichtet habe, den Anteil an erneuerbaren Energien zu erhöhen und damit den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren. Anlagen mit einer Stromproduktion von mindestens 20 Gigawattstunden pro Jahr gelten deshalb als von nationalem Interesse.

Allerdings gebe es auch die gesetzlichen Regelungen zum Natur- und Landschaftsschutz. So sei die Nabenhöhe, wo die Rotorblätter der Windturbinen angebracht sind, gesenkt worden, um dem Landschaftsschutz Rechnung zu tragen.

Diese Massnahme habe jedoch Folgen für die Vogelwelt und die Fledermäuse, deren Flugbereich durch die Rotoren nun stärker beeinträchtigt werde, was für sie eine tödliche Gefahr darstelle.

Das ursprüngliche Projekt

Ausgearbeitet wurde die Planungsvorlage von den städtischen Werken Grenchen (SWG). Diese können nun die Baubewilligungs-Gesuche einreichen. Das Vorhaben sah sechs Windturbinen vor, die jährlich 30 Gigawattstunden Strom produzieren sollten. Der Windpark auf dem Hausberg von Grenchen sollte zwei Drittel der Haushalte der Stadt mit Strom versorgen.

Die SWG werden das Urteil des Bundesgerichts zusammen mit den zuständigen Behörden der Stadt Grenchen und des Kantons Solothurn analysieren und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Der Beschwerdeführer Schweizer Vogelschutz SVS/Bird Life Schweiz schreibt in einer Medienmitteilung vom Mittwoch, er unterstütze die Nutzung erneuerbarer Energien. Jedoch müssten auch Windpärke Naturschutzvorschriften einhalten. Die Verringerung der Biodiversität und der Klimawandel seien beides existentielle Krisen. Sie müssten gemeinsam angegangen werden und die entsprechenden Massnahmen umsichtig umgesetzt werden.

Suisse Eole, die Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz, erachtet den Entscheid des Bundesgerichts als befremdlich, weil der Vogelschutz den Ausschlag für die teilweise Gutheissung der Beschwerde gegeben habe. Dies geht aus einem Communiqué vom Mittwoch hervor. Der grösste Feind der Vögel sei der Klimawandel, und der Windstrom leiste einen wichtigen Beitrag an den Klimaschutz.