Niemand würde von aussen vermuten, was sich alles im schmucken Holzhaus im Garten von Walter Küng in Wattenwil BE verbirgt. Tritt man über die Schwelle, führt der Weg durch einen Spalier von Kaninchenställen zu einem «Kaninchenstübli» im hinteren Teil. Schon viele gemütliche Stunden hätte er mit seinen Kollegen hier verbracht, erzählt der Züchter und gerät ins Schwärmen. Die vielen Auszeichnungen an den Wänden sind stumme Zeugen der geselligen Anlässe.

Der Gastgeber tischt eine kleine Erfrischung auf und fängt an zu erzählen. Durch einen Arbeitsunfall verletzte er sich an der Schulter; 19 Jahre ist es her. Dreimal wurde Küng operiert. Leider waren die Eingriffe nicht erfolgreich. Der gelernte Hochbauzeichner musste seine Stelle als Hauswart am Oberstufenzentrum in Wattenwil aufgeben, dies, nachdem er 31 Jahre lang die gute Seele des Schulbetriebs war. Dank der Beschäftigung mit seinen Rexkaninchen konnte Küng die gesundheitliche Beeinträchtigung besser erdulden.

Die Tiere mit dem samtweichen Fell haben ihn schon immer fasziniert. 1992 begann er das Züchten nach dem Rassekaninchenstandard mit dem Farbenschlag Mauve, später stellte er auf Weiss Rotauge um. Und kurze Zeit später zogen die ersten chinchillafarbigen Kleinrexkaninchen bei ihm ein; eine Rasse, die damals in der Schweiz im Verfahren um die Aufnahme in den Standard stand. 

Es begann mit einer Chinchilla-Zibbe
Der Züchter wurde Mitglied des Ornithologischer Verein Riggisberg, im Jahr 1994 trat er in die Gruppe Bern des Chinchilla- und Rexklubs ein. Alsbald wurde Küng in den Zentralvorstand des Hauptklubs gewählt und war während zehn Jahren für die Ausstellungen verantwortlich. Für seine wertvollen Dienste wurde er zum Ehrenmitglied ernannt.

Etwa zu dieser Zeit begann die Züchterkarriere von seinem heutigen Kompagnon Urs Messerli aus Thun. Der 32-jährige gelernte Schlosser, beruflich für das Abfallzentrum Belp BE im Einsatz, erinnert sich: «Am 20. Februar 2000 fuhr ich nach Tramelan, um meine erste Chinchilla-Zibbe abzuholen.» Die Züchterkarriere schritt steil voran; schon bald war Messerli Obmann im Verein Riggisberg, Jung- und Neuzüchterbetreuer, Landesteilobmann sowie an einigen Ausstellungen Hallenchef. 

Vertrauen statt Konkurrenz
Durch die spontane Unterstützung des 30 Jahre älteren Züchterkollegen Walter Küng entstand mehr, nämlich eine der ersten Zuchtgemeinschaften in der Schweiz. Obwohl beide immer noch ihre eigenen Ställe mit 39 beziehungsweise 46 Boxen bewirtschaften, haben sie ein für sie persönlich stimmiges Modell für ihre Zusammenarbeit entwickelt und die Verantwortlichkeiten abgesprochen. 

Anfang Zuchtjahr legen sie gemeinsam für alle drei Rassen – Chinchilla, Blaurex und chinchillafarbige Kleinrex – die Verpaarungen fest. Das Zuchtbuch mit den Notizen über die Entwicklung der Jungtiere führt Walter Küng. Die Jungtiere zieht Urs Messerli auf. Nach der Absetzphase kümmert sich der Senior um die Alttiere, da er aufgrund seiner körperlichen Einschränkung nur zwei Drittel der 39 Boxen bewirtschaften kann.

«Das gegenseitige Vertrauen bei einer Zuchtgemeinschaft ist das A und O», sagt Walter Küng. «Ein Konkurrenzdenken hat keinen Platz.» Jeder freue sich über Erfolge des anderen, ergänzt Urs Messerli. Die beiden stellten 2016 erstmals gemeinsam die chinchillafarbigen Kleinrexkaninchen aus. Von insgesamt sieben Jungtieren erreichten sie mit den sechs ausgestellten Tieren den zweiten Platz in der Rangierung der Kollektionen. Der sofortige Erfolg gab ihrem neuen Modell recht und spornte sie zu mehr an. 

Ausstellungserfolg reihte sich an Ausstellungserfolg. 2018 stellten sie an der Klubschau in Buchs SG den Rassensieger mit 97,5 Punkten. Lediglich auf nationaler Ebene, also an der Schweizerischen Rammlerschau, stellen sie nicht gemeinsam aus. Ihre Zuchtgemeinschaft ist nämlich noch nicht als Mitglied eingetragen. Sie seien trotzdem stolz auf den Farbenschlagsieger an der Gesamtausstellung von Kleintiere Schweiz in Fribourg. 

Urs Messerli macht jeweils die Tiere schaufertig und übernimmt das Krallenschneiden – in beiden Anlagen. Beim Zusammenstellen der Kollektionen ist Walter Küng jedoch immer dabei. Misten würden sie je selber, aber beim Füttern wird der Jüngere durch den Älteren unterstützt, vor allem am Mittwochabend: «Da bin ich im Training der Hornussergesellschaft Oberdiessbach und dankbar, wenn Walter meine Tiere versorgt», sagt Messerli. 

Da beide das gleiche Futter in selben Mengen füttern würden, seien keine zusätzlichen Instruktionen nötig. «Am Sonntag ist Fastentag», sagt Messerli. Da würden die Tiere nur Wasser und Heu erhalten, was sich positiv auf ihre Verdauung auswirke. Verdauungskrankheiten seien meistens genetisch bedingt, sind sich beide einig, deshalb züchten sie beide nur mit robusten Linien. «So sind unsere Kaninchen auf Austellungen weniger gestresst und kehren gesund nach Hause zurück.»

Jung und alt passt gut zusammen
Mit Blick in die Zukunft sind beide Züchter überzeugt, dass ihr Modell viel zum Erhalt der Kaninchenzucht beitragen kann. Dadurch, dass immer wie weniger Fläche und Raum für die Kleintierzucht zur Verfügung steht, können sich die Züchter mit einer Zuchtgemeinschaft gegenseitig unterstützen. Nachteile, auch wenn ein grosser Altersunterschied besteht, sehen sie keine, im Gegenteil: «Die Jungen können von der Erfahrung der Alten profitieren, und die Alten bleiben jung im Denken», sagt Walter Küng. Für ihn trägt die hobbymässige Zucht zum Erhalt der verschiedenen Kaninchenrassen bei. Er zweifelt jedoch daran, dass vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels alle Rassen erhalten bleiben. 

Urs Messerli kann sich durch sein Hobby vom beruflichen Stress erholen. «Manchmal vergisst er sich bei den Kaninchen», erzählt seine Lebenspartnerin Kimberly Schwab. Die 23-jährige Restaurationsfachfrau unterstützt ihn beim Füttern und Misten, selber will sie jedoch nicht aktiv züchten.  

Die Gläser sind nach angeregten Gesprächen leer getrunken. Noch hallen die Worte im Züchterstübli nach. Zuchtgemeinschaften können nicht nur zum Erhalt der Weiterentwicklung der Kaninchenzucht beitragen, sondern erfüllen eine noch wichtigere Aufgabe: Die Menschen pflegen den persönlichen sozialen Kontakt, finden über die Tiere zurück zur Natur und zu mehr Wohlbefinden. Beide Rexzüchter nicken: Auch diesbezüglich sind sie sich einig.