Nie würde Maria Leiser (Name geändert) diesen Moment vergessen, als sie dem Tierheim einen ersten Besuch abstattete, um eventuell eine Katze von dort zu adoptieren. Sie stand da, sah sich um – und es zerriss ihr schier das Herz. So viele Katzen, die auf ein neues Zuhause warteten. Wie sollte sie sich für eine entscheiden können? Plötzlich sprang ein grauer Tiger, der sie schon ein paar Minuten fixiert hatte, vom Kratzbaum herunter und strich ihr um die Beine. 

Leiser hielt ihre Hand hin. Die Katze schnupperte daran, warf sich auf den Rücken und liess sich streicheln und streicheln und streicheln. Die Angestellte konnte es kaum fassen. «Kiki», sagte sie, sei nämlich eine ganz Schwierige. Schon oft hätten Leute Interesse an der schönen Katze gezeigt. Sie aber habe jeden, der ihr nahekam, angefaucht oder gar gekratzt. «Kiki hat Sie ausgesucht», sagte die Angestellte. Leiser ging nach Hause und dachte nur noch an Kiki. An ihr seidiges Fell, ihre schönen Augen. Und daran, dass die Katze sie ausgesucht haben soll. Ein paar Tage später holte sie Kiki zu sich. Sie hat es nie bereut.

Herausfinden, wer zu wem passt
Sie verlasse sich bei der Beurteilung, ob Mensch und Katze zusammenpassen, oft auf die Katze, sagt Anouk Benziod, Leiterin im Katzenheim des Tierschutzbunds Basel. «Auf ihr Statement, das sie bei der Begegnung mit einem Menschen abgibt.» Denn der Instinkt der Katze sei – im Gegensatz zu dem des Menschen – noch intakt. Selbstverständlich überlässt Benziod die Entscheidung, wer welche Katze aus dem Heim adoptieren kann, nicht allein dem Tier. 

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 Literaturtipp:
 Cornelia Tschirke, «Katzenglück aus zweiter Hand»,
 broschiert, 96 Seiten, Verlag Oertel + Spörer,
 ISBN 978-3-88627-844-2, ca. Fr. 20.–

Da gibt es noch ein paar grundsätzliche Fragen. Wie lebt jemand? In einer Wohnung, in einem Haus? Sind da nur Erwachsene oder auch Kinder? Hat die Katze Freilauf oder soll es eine Wohnungskatze sein? All diese Fragen seien wichtig, um herauszufinden, welches Tier sich für wen eigne und für wen nicht, sagt Benziod. «Es wäre zum Beispiel völlig unsinnig, eine ängstliche Katze in einen Haushalt mit Kindern abzugeben.» Die meisten Tiere seien schliesslich im Heim gelandet, weil die Menschen mit ihnen nicht klargekommen sind – ein weiteres Mal wolle man das verhindern.

Seriöse Tierheime verpflichten die neuen Halter mittels Vertrag, für das Wohl des Tieres zu sorgen und es ohne Zustimmung des Heimes nicht weiterzugeben oder töten zu lassen. Zudem müssen sie sich mit Kontrollbesuchen einverstanden erklären. Um allfälligen Enttäuschungen  vorzubeugen, spricht Benziod mit den Interessenten Klartext. Sie sagt, wenn eine Katze ein Problem mit der Sauberkeit hat, oder wenn eine gerne beisst und kratzt.

Dass manche Heimkatzen durch das bisher Erlebte Auffälligkeiten im Verhalten zeigen, ist nicht ungewöhnlich und dass ein solches Tier seine «Macken» in einem guten Zuhause wieder ablegt, kann durchaus sein. Aber nicht von heute auf morgen. Wer eine Katze aus dem Heim holt, sollte sich bewusst sein, dass sie eine Vergangenheit hat – vielleicht eine sehr unschöne – und es viel Zeit und Geduld braucht, bis sie dem neuen Menschen vertraut.

Man bekommt nicht «die Katze im Sack»
Deshalb wollen manche lieber ein junges Kätzchen vom Züchter oder vom Bauernhof als ein Büsi aus dem Heim. Doch sie täuschen sich, wenn sie glauben, damit sei ein problemloses Zusammenleben garantiert. «Was denken Sie, weshalb wir hier über 70 Katzen haben?», fragt Anouk Benziod. «Eben, auch deswegen.» Zu viele Leute legten sich mit bestimmten Vorstellungen und Erwartungen eine junge Katze zu und wollten sie wieder loswerden, wenn sie sich nicht dementsprechend entwickle. Anders diejenigen, die sich im Tierheim nach einem Tier erkundigen. «Sie sind in der Regel offener.» Benziod hat schon oft erlebt, wie jemand mit einer ganz anderen Katze nach Hause gegangen ist als ursprünglich gedacht. Mit einer sichtbar Angejahrten beispielsweise, statt mit einer jungen Schönheit. Auch komme es immer wieder vor, dass sich jemand für ein Tier entscheide, das im Heim als «eher schwierig» eingestuft wird. «Aber sie wissen, worauf sie sich einlassen.»

Und das ist der wohl grösste Vorteil: Hier bekommt man nicht die sprichwörtliche «Katze im Sack». Die Betreuerinnen kennen die Tiere und ihre Geschichten und können die künftigen Halter darüber informieren. Das Gleiche gilt für den Gesundheitszustand der Katzen. Sie sind alle tierärztlich untersucht, geimpft, gechipt und ab einem Alter von sechs Monaten kastriert. Dass ein Heimtier nicht gratis abgegeben wird, ist deshalb logisch. Im Katzenheim des Tierschutzbunds Basel wird etwa ein Unkostenbeitrag von 200 Franken verlangt, was nicht einmal die Tierarztrechnung deckt. Ganz zu schweigen von all den anderen Kosten, die ein Tierheim zu tragen hat. Es ist eher ein symbolischer Preis. Zum einen seien die Tierheime auf jede Spende angewiesen, sagt Benziod, zum anderen gehe es aber um das Prinzip: «Es ist leider so, dass für viele Menschen etwas, das es gratis gibt, auch wertlos ist».