Sie lässt sich streicheln und dann wird die eben noch schnurrende Samtpfote blitzschnell zur Tigerin und schlägt ihre Krallen in die menschliche Hand. Scheinbar ohne Grund. Dieses Verhalten kennen viele Katzenbesitzer und es hat den Ruf der Tiere gefestigt, sehr unberechenbar zu sein. Aber hat die Katze wirklich keinen Grund für dieses Verhalten? Ist das purer Mutwille? «Nein», sagt Katrin Schuster (*), die als Tierpsychologin Menschen und Tieren hilft, Missverständnisse zu beseitigen. «Meist sendet das Tier Körpersignale, die wir Menschen nicht oder zu spät erkennen.» Als weitgehend solitär lebende Tiere hätten Katzen ein anderes Kommunikationsverhalten als solche, die auf den Sozialverband angewiesen sind, wie etwa Hunde. Das heisst, dass die Körpersignale der Katzen oft fein und für Menschen nicht immer sofort eindeutig zu erkennen sind.

«Schnurren beispielsweise ist nicht nur ein Laut, der Wohlbefinden signalisiert», sagt Katrin Schuster. «Katzen schnurren auch bei Schmerzen und vielleicht hat der Mensch unabsichtlich eine Stelle berührt, an der es dem Tier unangenehm ist.» Überhaupt hat Aggression häufig mit Schmerzen oder Angst zu tun. Die äussern Katzen nicht in lautem Wehklagen, aber mit Rückzug – oder Angriff, wenn sie sich bedrängt fühlen.

Für das «unbegreifliche» Verhalten kann es aber auch noch andere Gründe geben: Viele Katzen lieben es zwar, gestreichelt zu werden – aber nur an bestimmten Stellen und nicht länger als fünf Minuten. Dann beginnt auf einmal der Schwanz zu zucken und der Körper spannt sich, die Katze wird unruhig. «Der Schwanz ist wirklich so etwas wie ein Stimmungsbarometer», erklärt die Katzen expertin. Das Zucken und die Steigerung davon, das heftige Schlagen mit dem Schwanz, zeigen einen Erregungszustand an. «Und das hat eben nicht, wie manche Menschen denken, mit Freude zu tun, sondern mit Anspannung.» Ein aufmerksamer Halter registriert solche nonverbalen Signale und reagiert entsprechend, indem er den Wunsch seines Tiers respektiert und mit dem Streicheln aufhört.

Hände und Füsse als Beute-Ersatz
«Die Katze ist böse», bekommt Katrin Schuster bei ihren Beratungen öfters zu hören. Etwa, weil ein Tier faucht und dabei die Ohren fest an den Kopf anlegt. Das sind deutliche Zeichen einer Abwehrreaktion, die auf Angst basiert, und deshalb haben diese Signale nichts mit Bösartigkeit zu tun», erklärt sie. Wenn sich eine Mieze von Artgenossen oder Menschen bedrängt fühlt oder in einer ausweglosen Situation steckt, faucht sie. Bei Missachtung dieses Signals wird die Katze irgendwann versuchen, sich mit Pfotenhieben und Schein-?angriffen zur Wehr zu setzen. Hier ist es besser, die Distanz zu wahren oder zu vergrössern, damit das Tier sich beruhigen kann.

Manchmal ist es aber auch einfach ein ausgeprägter Spieltrieb der Katze, der missverständlich beim Menschen ankommt: Man steigt morgens schlaftrunken, noch mit nackten Füssen, aus dem Bett und wird sogleich von seiner Mieze attackiert, die irgendwo gelauert hat. Für Nichtkatzenhalter klingt das unfreiwillig komisch – für den Betroffenen ist es das weniger. «Für das Tier ist dieses Lauern und Zupacken jedoch eine Ersatzhandlung für das Jagen, und plötzlich auftauchende Füsse sind eine ideale Beute», sagt die Tierpsychologin. «Verhält sich der Mensch dann auch noch entsprechend, indem er aufschreit und wegläuft, dann regt das erst recht das Jagdverhalten an.» Unbeabsichtigt verstärken die Katzenbesitzer damit also noch die spielerischen Attacken ihres Tiers. Besser ist, nicht zu viel Aufhebens darum zu machen, dann wird dieses «Spiel» für die Katze schnell langweilig.

Ähnlich verhält es sich mit den Händen. Auch sie können aus Sicht der Samtpfoten eine Beute sein, die sich wunderbar packen und festhalten lässt. Und wer mit seinem Jungtier immer sehr wild gerauft hat, der darf sich nicht wundern, wenn die erwachsene Katze beim Spiel auch rabiat zubeisst. Zieht der Mensch im Schmerzreflex seine Hand weg, wird die Katze nur umso fester zupacken. Spielerische Beschäftigung sei zwar sehr wichtig für die Tiere, vor allem für Wohnungskatzen, sagt Katrin Schuster. Nur sollte jeder wilden Spielphase auch eine Abkühlung folgen. Zudem gebe es noch andere Möglichkeiten, Geist und Körper der Katzen auszulasten – auch solche, in denen es nicht nur um das Beutemachen geht. Beispielsweise Aufgaben, die gelöst werden müssen und die Belohnung versprechen.

Katzen ticken anders als Hunde
Ebenfalls immer wieder zu Missverständnissen führt, wenn eine Katze auf dem Rücken liegt und ihren Bauch zeigt. «Wir meinen, das von Hunden zu kennen und interpretieren es als eine Art von Unterwerfungsgeste.»Aber Hundeverhalten lasse sich nicht mit Katzenverhalten vergleichen. Mit Unterwerfung habe diese Lage nichts zu tun. Möglicherweise liegt eine Katze manchmal in einem Moment wohliger Entspannung so da, aber: Wenn eine Katze bei einem Kampf – oder eben auch beim Spiel – auf den Rücken fällt, wird sie so schnell wie möglich versuchen, wieder auf die Pfoten zu kommen. Alle vier Pfoten sind frei und können kräftig zupacken und kratzen. Beispielsweise wenn sich ihr eine als bedrohlich empfundene Hand nähert. 

Auch wer nach einer längeren Abwesenheit aus dem Urlaub heimkehrt und nun meint, von seiner pelzigen Mitbewohnerin nach Hundeart überschwänglich in Empfang genommen zu werden, kann eine herbe Enttäuschung erleben. Nur wenige Samtpfoten begrüssen ihren Menschen laut miauend oder tänzeln aufgeregt um seine Beine. Bestenfalls kommen sie gemessenen Schrittes herbei und geben Köpfchen. Dabei wird der eigene Körpergeruch mit dem des Menschen vermischt, was eine Art des Markierens und ein Zeichen für Zusammengehörigkeit ist – und eben die ganz eigene Katzenart, zu kommunizieren.

(*) Katrin Schuster hat eine Ausbildung zur Tierpsychologin bei der Akademie für Tiernaturheilkunde (ATN) absolviert und sich seit rund zehn Jahren auf Hunde- und Katzenverhalten spezialisiert. Sie berät Tierhalter in der Schweiz, in Österreich und Deutschland.
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