Vögel sind äusserst intelligente Lebewesen, die in Volieren oder gar Käfigen oftmals ein sehr eingeschränktes Leben führen müssen. Da liegt es auf der Hand, ihren kleinen Lebensraum auf ganz naturnahe Weise mit verschiedenen Pflanzen zu bereichern. Pflanzen bringen vielfältige und naturnahe Strukturen in die Voliere, dienen als zerstörbares «Spielzeug» und ergänzen den Speiseplan. Natürliche Zweige sind sogar ein eigentliches Muss in der modernen Vogelhaltung. Aber auch mit Blüten, Gräsern, Samenständen und Wildfrüchten lässt sich das Leben der gefiederten Volierenbewohner das ganze Jahr hindurch bereichern.

Im März etwa warten Körnerfresser wie Wellensittiche schon sehnlichst auf die ersten frischen Grasrispen, wenn sie mit diesem Angebot vertraut sind. Eine der ersten Grasarten, die Rispen entwickelt, ist das kleine Ruchgras. Es sollte allerdings sicherheitshalber nicht im Übermass gereicht werden, da es wie der Waldmeister Cumarinstoffe enthält, die in grosser Menge giftig sind. Besser hält man sich an eine Mischung verschiedener Gras­arten wie das verbreitete und beliebte Knaulgras, die schmalen Raygräser oder verschiedene Rispen- und Fuchsschwanzgräser. Die Gräser sollte man nicht von gedüngten Wiesen sammeln, denn die Bakterien aus dem Dünger überleben lange auf den Pflanzen.

Das Highlight wächst im Sommer
Etwas später im Frühjahr beginnt die Zeit des Löwenzahns. Seine gelben Blüten werden von verschiedenen Sittich- und Papageienarten geschätzt, die sich auch in der Natur von Blüten ernähren. Die ganze Pflanze samt der Wurzel kann Volierenvögeln gereicht werden, auch ihr Milchsaft ist unbedenklich. Dabei ist es keineswegs nötig, die Erde abzustreifen. Sie wird manchmal von den Vögeln als Mineralienquelle genutzt.

Gegen den Sommer hin wird das Angebot an verschiedenen Beeren und Blüten naturgemäss immer vielfältiger. Die Beeren des Schwarzen Holunders sind ein Highlight für viele Vögel – auch für die frei lebenden, die sie manchmal schneller geplündert haben.

Wer einen Garten pflegt oder Pflanzen auf dem Balkon kultiviert, kann im Lauf der Saison oftmals aus dem Vollen schöpfen. Hibiskus-, Rosen-, Kürbis- und Zucchiniblüten können den Vögeln ebenso gereicht werden wie Karottengrün oder Äste und Blätter von Zitrusbäumchen. Bei ungiftigen Zierpflanzen wie dem Hibiskus ist darauf zu achten, dass sie im Fachhandel nicht gespritzt wurden. Verschiedene Wildpflanzen wie Knob­lauchhederich, Spitzwegerich, Giersch, Gänseblümchen und Schafgarbe können das Angebot ergänzen. Auch wenn manche Pflanzen kaum angeknabbert werden, bringen sie den Vögeln dennoch neue Vielfalt in die Voliere.

Etwa ab Juli entwickeln zahlreiche Hirsen ihre Ähren – eigens angebaute, die man aus dem Vogelfutter gekeimt hat, oder auch wild wachsende wie die verbreitete Hühnerhirse. Die Hirsen können bis im Herbst in halb reifem Zustand als wertvolles Grünfutter vor allem für Körnerfresser genutzt werden. Tiefgefroren sind sie auch haltbar.

Altes Wissen bewahren
Unter den Herbstfrüchten sind Hagebutten ein Highlight für alle Früchtefresser. Aber auch andere Wildfrüchte wie zum Beispiel Weissdornbeeren werden meist gerne genommen. Hagebutten sowie die blauen, an winzige Zwetschgen erinnernden Schwarzdornbeeren werden nach einer ersten Frostperiode noch bekömmlicher; man kann die Frosteinwirkung gegebenenfalls auch im Tiefgefrierfach simulieren.

Zweige, etwa von Hasel, Weiden, Linde oder Obstgehölzen, sollten das ganze Jahr hindurch regelmässig frisch gegeben werden. Sie werden von Papageienvögeln gerne be­nagt oder zerlegt. Auch die Knospen bieten für verschiedene Vögel wertvolle Nahrung. Manche Sittiche entfernen Blatt für Blatt vom Zweig und lassen sie fallen, offenbar um an den saftigen Blattansatz zu gelangen. Grössere Papageien und gewisse Sittiche benagen gar die dicke Borke von grösseren Holzstücken, etwa von der Eiche. Laut Papageienexpertin und Buchautorin Rosemary Low scheint Baumrinde Elemente zu enthalten, die für bestimmte Vögel wichtig sind.

Winterfester Thymian oder andere Küchenkräuter, die man über den Winter im Haus zieht, können zu dem wenigen frisch erhältlichen Grün während des Winters beitragen. Die bei vielen Vögeln beliebte Vogelmiere wächst praktisch das ganze Jahr hindurch, und sie kann ebenfalls ganzjährig im Haus kultiviert werden.

Das Interesse am Sammeln von Pflanzen für Vögel oder andere Heimtiere nimmt immer mehr zu, wie auch die deutsche Wellensittichzüchterin Anja Reichmann feststellt: «Dabei wissen viele Leute kaum mehr, was alles vor ihrer Haustür wächst.» Sie fand einst wertvollen Rat bei einem alten Züchter, dessen Kenntnisse über die Ernährungsbedürfnisse der Vögel ihr über grössere Zuchtprobleme hinweggeholfen hatten. In früheren Zeiten waren Züchter noch eher auf das Angebot der Natur angewiesen, und es ist bedauerlich, wenn solches Wissen allmählich verloren geht.

Achtung Giftpflanzen!
Anja Reichmann führt inzwischen eine «Körnerbude», über welche sie hochwertiges ­Vogelfutter verkauft, und hat eine Facebook-Gruppe zum Thema Vogelfutterpflanzen gegründet. Die rege genutzte Gruppe hilft Ratsuchenden bei der Identifikation von nutzbaren und giftigen Pflanzen. Natürlich müssen für Vögel gefährliche Giftpflanzen gemieden werden. Bei nur schwach giftigen Gewächsen ist indes nicht immer klar, ob und für welche Vögel die Pflanzenart verträglich ist. Im Zweifelsfall ist Vorsicht geboten und es empfiehlt sich, auf besser geeignete Pflanzen auszuweichen.

Wer Pflanzen in der Natur sammelt, sollte auch an die Wildtiere denken. Seltene Pflanzen sollte man zur Schonung der Bestände meiden. Nach Möglichkeit baut man das Nahrungsangebot für die gefiederten Pfleglinge weitestgehend selber an. Ein artenreicher, giftfrei gepflegter Naturgarten nützt sowohl den Wildtieren als auch den Gefiederten in der Voliere.