Immer wieder hört man, dass es Hühnerzüchter gibt, die den «Rassegeflügelstandard für Europa» gar nicht gekauft haben. 180 Franken sind zwar viel Geld, es gibt aber wohl kaum ein Druckmedium, mit dem man für dieses Geld derart viel Wissen kaufen kann. «Über meine Rasse finde ich darin höchstens zwei Seiten», hört man zuweilen sagen, «dafür bezahle ich doch nicht 180 Franken. Die zwei Seiten kopiere ich mir.»

Stimmt, die Beschreibung der einzelnen Rassen umfasst meist wenige Seiten. Nur Rassen, bei denen es mehrere Farbenschläge gibt, nehmen mehrere Seiten in Anspruch. In Kurzform werden dort die Herkunft, der Gesamteindruck und die Rassemerkmale von Hahn und Henne sowie die groben Fehler, ihr Gewicht, das Mindestgewicht der Bruteier, deren Schalenfarbe und die Ringgrössen für Hahn und Henne beschrieben. 

Wie aber soll man die Bemerkung «fehlende Axialfeder» auf der Bewertungskarte verstehen? Dazu steht kein Wort im Rassebeschrieb. Im ersten Teil des Standards ist diese jedoch nicht nur beschrieben, sondern auch bildlich dargestellt. Es müsste die Aufgabe eines jeden interessierten Rassegeflügelzüchters sein, diesen ersten Teil des Standards nicht nur zu lesen, sondern immer wieder zu studieren. Denn da lernt man sehr viel Wissenswertes, das zwar nicht nur mit der selber gezüchteten Rasse im Speziellen, jedoch mit der Rassegeflügelzucht im Allgemeinen zu tun hat.

Farbenschläge und Fachausdrücke
Dass unsere Hausgänse von der Graugans abstammen und schon vor mehreren tausend Jahren Haustiere waren, wissen wohl viele. Dass die Höckergans allerdings nicht von der Graugans abstammt, sondern aus der sibirischen Schwanengans entwickelt wurde, ist nur eines von vielen Beispielen, die man im Standard unter dem Titel «Herkunft des Hausgeflügels und Züchtungswerdegang» nachlesen kann. 

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Weiter erfährt man, reich bebildert, alles über den Körperbau des Hausgeflügels – ein Thema, das jeden Züchter, egal welcher Rasse, interessieren muss. Einfachkamm, Erbsenkamm, Wulstkamm, Hörnerkamm, Becherkamm, Napfkamm oder Blätterkamm – so viele verschiedene Kämme gibt es bei unserem Hausgeflügel. Wer wissen möchte, wie solche Kämme aussehen, findet die Informationen dazu im ersten Teil. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der Gefiederbildung des Hausgeflügels. Und da unser Hausgeflügel nun mal befiedert ist, müsste dieses Kapitel für alle Rassegeflügelzüchter zur Pflichtlektüre werden, denn die rassetypische Erscheinung, auch der eigenen Rasse, wird massgeblich vom Gefieder mitbestimmt. Und da erfährt man auch, was Steuer- und Sattelfedern, Stulpen, Latschen, Bestrumpfung und Geierfersen sind und wie diese aussehen.

Ein umfangreiches Kapitel befasst sich mit der Farbe und der Zeichnung des Geflügels. Da erfährt man nicht nur die allgemeine Beschreibung der Farbe der eigenen Rasse oder des eigenen Farbenschlages, sondern auch, wie zum Beispiel die Farbe Schwarz-Goldbraungedobbelt oder Rot-Schwarzgeflockt mit weissen Federspitzen, die Exchequer-Zeichnung oder Gelb-Weiss-Porzellanfarbig aussehen soll und was man sich unter Isabell-Perlgraugebändert vorstellen muss. Auf zahlreichen Farbtafeln sind die korrekten und fehlerhaften Farben und Zeichnungen von Einzelfedern dargestellt und die Federn der eigenen Rasse zu sehen.

Die meisten Rassegeflügelzüchter arbeiten auch immer wieder in Organisationskomitees für Geflügelausstellungen mit. In den Abschnitten «Gruppierung und Boxengrössen» sowie «Gruppierung des Rassegeflügels auf den Ausstellungen» ist genau beschrieben, welche Boxengrössen für welche Rassen vorzusehen sind und in welcher Reihenfolge die einzelnen Rassen ausgestellt werden sollen.

Im Tierwelt-ShopDer «Rassegeflügelstandard für Europa» kann im «Tierwelt-Shop» in Deutsch oder Französisch gekauft oder bestellt und online (Porto und Verpackung separat verrechnet) bezogen werden. Da es Änderungen, Ergänzungen sowie neue Rassen und Farbenschläge gibt, erscheint alle zwei Jahre eine Ergänzung, die für rund 30 Franken erworben werden kann.

Tierwelt-Shop, Henzmannstrasse 18
4800 Zofingen – Telefon: 062 745 94 65
E-Mail: shop@kleintiere-schweiz.ch
www.kleintiere-schweiz.ch

Wer eine Bewertung richtig verstehen und wissen will, wie diese entsteht, der macht sich im Abschnitt über die Bewertung des Rassegeflügels kundig. Darauf folgt noch ein wichtiger Teil, in dem die Richtlinien zur Bewertung aufgeführt sind. Dieser Teil ist nicht nur für Geflügelrichter massgebend. Der Züchter versteht nach dem Studium desselben, wann und weshalb ein Hahn, dessen Verbandsring unter dem Sporen liegt, von der Bewertung ausgeschlossen wird, dass kupierte Tiere gar nicht erst bewertet werden, da das Kupieren hierzulande verboten ist, und wie die Kehllappen, sofern vorhanden, bewertet werden.

Im Abschnitt «Fachausdrücke» kann nachgelesen werden, was unter einer Busenfalte, einer Federkappe, einem Garnelenschwanz, einem Hummerschwanz, einer Kaulbildung, unter Moos, einem Nasensattel, unter Quaste, Scherenflügel, Schimmel, Schwertdorn, Stützfalten oder Zirkelschlag zu verstehen ist.

Auch Eier können bewertet werden
An der nationalen Geflügelausstellung vom 12. und 13. Dezember in Winterthur findet erstmals auch eine Eierbewertung statt. Wie und nach welchen Kriterien eine solche durchgeführt wird, ist ebenfalls im Vorspann des Standards beschrieben. In den fünf Positionen Gewicht, Form und Gleichmässigkeit der Form, Schalenbildung, Farbe und Gleichmäs-sigkeit der Farbe sowie Sauberkeit werden die zehn zur Bewertung stehenden Eier – als Satz bezeichnet – bewertet. Im Standard ist genau beschrieben, wie die Eier dem Richter präsentiert werden müssen und wann er aus welchem Grund Abzüge machen muss. 

Den Schluss des Vorspanns des Standards machen je eine Tabelle über die Brutdauer und Bruthinweise der einzelnen Geflügelarten sowie eine Bruteimindestwicht- und Legeleistungstabelle aller Arten. Letztere ist zwar interessant, dürfte jedoch, je nach Zucht, mit Vorsicht zu geniessen sein. Ganz am Schluss des Standards findet man noch einen separaten Schweizer Teil, in dem nicht nur die in der Schweiz anerkannten Rassen beschrieben sind, sondern auch, wie die Bewertung hierzulande zu erfolgen hat.

Sehr viel geballtes Wissen ist also im Standard für verhältnismässig wenig Geld zu erhalten. Denn wenn man bedenkt, wie viel Geld Geflügelzüchter jährlich für Ställe, Futter, Utensilien, Standgelder, für Ausstellungsbesuche und mehr ausgeben, dann sind die 180 Franken für einen Geflügelstandard mit so vielen wichtigen und hochinteressanten Informationen gut investiertes Geld.