Die Henne liegt in ihrem Nistplatz, unter ihren Federn wühlt sich ein kleiner Federball ans Tageslicht. Macht einige Schritte, schaut neugierig herum. Und verschwindet dann wieder unter den schützenden Flügeln seiner Mutter. Was sich so idyllisch liest, ist heute bei den Hühnern leider nur noch selten zu beobachten. Die meisten Hennen erleben das Heranwachsen ihrer Jungen nicht. Sie haben nicht die Möglichkeit, ihnen bei der Auswahl des Futters zu helfen, den Auslauf zu zeigen oder sie vor der Kälte zu schützen. Heute werden die meisten der zig Millionen Hühner auf der ganzen Welt in einer Brutmaschine bebrütet und in speziellen Kükenheimen aufgezogen.

Für die Hühner in der freien Natur ist die Brütigkeit aber nach wie vor überlebenswichtig. Ohne sie gäbe es keinen Nachwuchs, und die Art würde aussterben. In der Erwerbsgeflügelzucht hingegen empfindet man die Brütigkeit als störend. Denn die Hennen legen während dieser Zeit keine Eier. Daher hat man immer wieder versucht, die Brütigkeit wegzuzüchten. Mit sehr gutem Erfolg, wenn innerhalb der Rasse weitergezüchtet wurde.

Bei Hitze steigt die Brutlust
Bei Kreuzungen unter verschiedenen Rassen konnten jedoch immer wieder brütige Hennen beobachtet werden. Wie im Lehrbuch der Geflügelzucht von Alfred Mehner, dem ehemaligen Direktor der Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht, beschrieben, geht man davon aus, dass mehrere Gene für die Brütigkeit verantwortlich sind. Daher ist es ein äusserst komplexer Mechanismus, der nicht einfach vererbt wird.

Wann und ob Hennen zu brüten beginnen, ist sehr unterschiedlich und hängt sowohl vom Tier selber, der Rasse als auch den äusseren Bedingungen ab. Manche Hennen beginnen sofort zu brüten, wenn ein Dutzend Eier in ihrem Nest liegt. Andere verspüren den Bruttrieb erst in ihrem zweiten oder gar dritten Lebensjahr. Da Hühner dieses Alter nur noch selten erreichen, geht man fälschlicherweise oft davon aus, dass diese Tiere den Bruttrieb ganz verloren haben. Gemäss Mehner zeigen deutsche Hühnerleistungsprüfungen, dass sogar ein relativ hoher Prozentsatz der hochleistungsfähigen Leghorntiere, die man als Rasse mit sehr wenig Bruttrieb kennt, brütig werden. Sie sind dies jedoch nur kurz.

Bekannt für ihre Brutlust sind vor allem die Orpington, Seidenhühner oder Zwerg-Cochin. Einen Einfluss auf die Brütigkeit hat auch das Wetter. Heisse, schwüle Bedingungen begünstigen die Brutlust ebenso wie die Dunkelheit. Auch das Liegenlassen oder die Ansammlung von mehreren Eiern kann stimulierend wirken. Bei der Brütigkeit denkt man zwar gleich an eine Henne, das muss jedoch nicht unbedingt der Fall sein. Auch sogenannte Kapaune, kastrierte Hähne, können brütig werden.

Die Brütigkeit ist vergleichbar mit einer Schwangerschaft beim Menschen. Auch Hennen machen in dieser Zeit eine Reihe von Veränderungen durch. So erhöht sich nicht nur der Prolaktingehalt der Schilddrüse, sondern auch die Körpertemperatur der Tiere. Zwar steigt ihre Körpertemperatur nur gering, dennoch fühlen sie sich deutlich wärmer an. Am Bauch entsteht der sogenannte Brutfleck. Durch die starke Durchblutung an dieser Stelle, erscheint die Haut rötlich und weist keine Federn mehr auf. Die Henne verspürt die grössere Körperwärme und setzt sich auf die Eier, um sich abzukühlen. Um immer wieder die kühlenden Seiten unter ihrem Körper zu haben, wendet sie die Eier.

Brütende Hennen vermitteln den Eindruck, als wollten sie am liebsten für sich sein. Sie fressen, scharren oder vergnügen sich im Staubbad sehr intensiv, jedoch alleine und meist nur einmal am Tag. Kommt eine ranghöhere Henne dazu, verlässt sie fluchtartig ihren Standort. Auch dem Hahn entzieht sich eine brütende Henne wenn immer möglich. Dieses Abschotten von den Herdenmitgliedern kann einige Unannehmlichkeiten mit sich bringen. So ist es nach drei Wochen Brütezeit durchaus möglich, dass ihre Stallgenossen die Henne nicht mehr erkennen und sie sich somit neuen Rangordnungskämpfen unterziehen muss.

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Einige Hennen fangen an zu brüten, wenn Eier im Nest liegen.
Bild: Fabienne Schenkel

Hühner setzen sich ins gemachte Nest
Schon vor dem Beginn des festen Sitzens auf dem Nest gibt die Henne ihre typischen Glucklaute von sich. Was ihren Brutplatz anbelangt, sind Hennen nicht wählerisch. Da sie das Nistmaterial nicht selber zusammentragen, dürfen sie das auch nicht sein. Sie entscheiden sich meistens für das Legenest oder suchen sich einen anderen, gut ausgestatteten Platz im Stall oder im Auslauf, den sie für geeignet halten. Durch Hin- und Herrutschen auf dem Nistmaterial verbessern sie allenfalls die Form des Nestes. Ab und zu nehmen sie auch mal einen Strohhalm in den Schnabel oder picken in das Nistmaterial. Man kann dabei aber keineswegs vom Bau eines Nestes sprechen. In der Nähe des Nistplatzes zeigen die brütigen Hennen eine grosse Kampfbereitschaft, die jedoch, je weiter sie sich davon entfernen, abnimmt.

Veränderungen zeigt eine brütige Henne nicht nur in ihrem Verhalten, auch körperlich ist während dieser Zeit einiges anders als sonst. Zum Beispiel ihr Stoffwechsel. Die Henne frisst und entleert sich dann nur noch einmal pro Tag. Im Vergleich dazu setzen Hennen, die in der Legetätigkeit sind, ihren Kot etwa sechs Mal in der Stunde ab. Würden Legehennen also gleich wenig essen wie brütende Hennen, würden sie ziemlich abmagern und dann auch bedeutend weniger Eier legen. Die Glucken verlieren während der Brut etwa 15 Prozent ihres Gewichts. Ist die Zeit des Brütens vorbei, haben sie diesen Verlust innerhalb eines Monats jedoch wieder aufgeholt.

Durch künstliche Prolaktinzufuhr lässt sich die Brütigkeit hervorrufen. Voraussetzungen, dass es klappt, sind aber eine Temperatur von über 27 Grad, die Henne muss genügend Eier in ihrem Nest vorfinden und in einem abgedunkelten Raum sein. Die grosszügige Verfütterung von Getreide wird in Züchterkreisen ebenfalls als Auslösefaktor für die Brut gehalten. Dies ist aber nicht bei allen Rassen möglich, denn bei einigen wurden schon über mehrere Generationen keine Küken mehr in der Naturbrut aufgezogen und bei ihnen ist deshalb der Bruttrieb heute praktisch inexistent.