Da sitzt ein hübsches Fellknäuel vor der Terrassentür und miaut ohne Ende. Bettelt um Aufmerksamkeit. Im besten Fall ist es bitterkalt oder regnet. Und schon ist das menschliche Herz weich wie Butter und die fremde Katze in der Wohnung. Wer sie dann noch füttert, «hat das Geschenk. Das Tier wird man wohl nicht mehr los»,  sagt Sandra Müller, Leiterin Tierheim an der Birs von der Stiftung TBB Schweiz. «Katzen bleiben immer dort, wo es für sie am bequemsten ist.»

Dabei sei es sogar rechtlich heikel, einen Streuner aufzunehmen. Katzen seien erst herrenlos, wenn der Halter das Besitzrecht abgibt. Was man bei einem Streuner in der Regel nicht weiss. «Wer eine unbekannte Katze aufnimmt, entwendet fremdes Eigentum.» Sei das Tier in einem guten Ernährungszustand, habe ein schönes Fell, ist aufmerksam und wach, dann könne man davon ausgehen, dass es ein Zuhause hat, in dem es erwartet wird, erklärt Müller weiter. 

 

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Zur Person: 
Sandra Müller ist Leiterin des Tierheims an der Birs (BL) und beim TBB Schweiz verantwortlich für die NPO-Services

Keine Sorge um den Streuner — auch nicht im Winter

«Gesunde Katzen frieren auch bei Minustemperaturen nicht. Sie durchstreifen in der Nacht ihr Quartier, wissen meist ganz genau, wo es ein geschütztes Plätzchen hat und sind in ständigem Austausch mit den anderen Stubentigern im Revier.» Um einen unbekannten Streuner brauche man sich also erst einmal gar keine Sorgen zu machen.

«Wenn das Tier hartnäckig vor Tür oder Fenster sitzen bleibt, kann man erst einmal versuchen, es zu verjagen», rät Sandra Müller. «Natürlich ohne ihm Schmerzen zuzufügen. Man kann laut klatschen, rufen, etwas scheppern lassen oder mit Wasser spritzen.» Nützt das alles nichts, könnte die sogenannte «Verpiss-dich-Pflanze», Coleus comosus,  im Garten oder auf dem Balkon Abhilfe schaffen. «Die meisten Katzen mögen den mentholartigen Geruch nicht und bleiben dann weg.»

Ist das auch keine Variante, weil man selber Katzen hat — «Dann empfehle ich, ein Foto des Tieres zu machen und im Quartier Flyer aufzuhängen, um den Besitzer zu finden. Das geht meistens schnell und man kann gemeinsam eine Lösung finden», empfiehlt die Tierschützerin. 

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Finder*innen binden sich zu sehr an Findeltiere

Der nächste Schritt, ist der Gang zum Tierheim, der Polizei oder einem Tierarzt, einer Tierärtzin. «Mit etwas Glück ist die Katze gechippt und der Halter kann so gefunden werden.» Kosten fallen keine an. 

Hat das Tier keine Kennzeichnung, geht die Suche nach dem Besitzer, der Besitzerin, los. Diese haben zwei Monate Zeit, sich zu melden. «Entweder lässt man das Tier während dieser Zeit im Tierheim. Da wird es versorgt, gegebenenfalls behandelt und bei der kantonalen Meldestelle registriert», sagt Sandra Müller. Oder der Finder, die Finderin, entscheidet sich, die Katze während dieser Frist zu behalten. «Wir empfehlen das nicht. Es ist immer heikel, wenn das Tier selber betreut wird. Oft geht dabei vergessen, das zugelaufene Tier der kantonalen Meldestelle zu melden. Wenn das Tier beim Finder, der Finderin bleibt, bindet sich der Mensch sehr schnell emotional und ist unter Umständen nicht mehr in der Lage, die Katze dem Halter zurückzugeben, was schon mehrfach vorgekommen ist.  Deshalb empfehlen wir in der Regel, die Katze für die zwei Monate ins Tierheim zu bringen.»

Bei verletzten Katzen ist Helfen Pflicht

Wer Glück hat, und sein Tier wiederfindet, der muss wissen: «Die Besitzerin, der Besitzer, müssen die Kosten tragen, die dem Tierheim entstanden sind. Das gibt nicht selten Diskussionen.» Es gäbe Katzen, so Müller, die immer wieder im Tierheim landen. «Das ist oft missverstandene Tierliebe. Man meint, eine alte Katze muss an der Wärme sein, fände nicht mehr heim und bringt sie sofort zu uns. Für den Besitzer ist das natürlich nervenaufreibend. Es lohnt sich, das Tier lieber etwas länger zu beobachten. Die meisten finden von alleine wieder zurück.»

Meldet sich während der zweimonatigen Frist niemand, kann die Katze vermittelt werden. «Möchte der Finder, die Finderin, die Katze gerne übernehmen, prüfen wir, wie bei jedem, der sich für ein Tier interessiert, ob die Voraussetzungen für die Fellnase stimmen», sagt Sandra Müller. 

Findet man eine Katze, die verletzt ist, dann ist sofortiges Helfen Pflicht. Das Tierschutzgesetz schreibt vor, dass einem kranken oder verletzten Tier Hilfe zuteil kommen muss. Sprich, die Katze muss zum Tierarzt oder ins Tierheim zur Behandlung gebracht werden. Kosten entstehen nur, wenn der Stubentiger nicht im Tierheim bleibt. Abgesehen davon, dass die Fellnase medizinisch behandelt werden muss, ist das Prozedere dasselbe, wie bei einem gesunden Tier.