Tiefes Gebell tönt als Begrüssung aus dem hinteren Teil des Hauses. «Dieses tiefe Geläut, dass die Hunde auch auf der Jagd von sich geben, wenn sie dann eine Fährte aufgenommen haben,gefällt mir unglaublich gut. Für mich ist das jeweils fast noch die schönere Jagderfahrung, als zum Schuss zukommen.» Während Gottfried Bossi von der «lauten Jagd» mit seinen Laufhunden schwärmt, stürmen die beiden auch schon ins Wohnzimmer. Der erst sieben Monate alte Wirbelwind Zidane, ein Schwyzer Laufhund, und die achtjährige Jura Laufhundedame Zira. Nach einer ausgiebigen Begrüssung begeben sich die beiden Hunde an ihre Plätze und horchen aufmerksam mit, was ihr Halter zu erzählen hat.

Er sei mit Hunden aufgewachsen – mit Schäferhunden. Bereits zu Beginn seiner Jagdkarriere vor 40 Jahren habe er auf Laufhunde gesetzt. Damals waren es jedoch noch Mischlinge ohne Papiere, sagt der ehemalige Förster aus Rosshäusern BE. Dann kam Zora, die reinrassige Berner Laufhündin, mit der Gottfried Bossi an Jagdprüfungen grosse Erfolge feiern konnte und die auch vom Äusseren her exakt dem geforderten Rassestandard entsprach. Mit einem Körperbau, der auf die grosse Laufkraft und die Ausdauer dieser Jagdhunde schliessen lässt.

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Ideal ist eine Risthöhe von 47 bis 57 Zentimetern bei Hündinnen, wobei Rüden bis 59 Zentimeter erreichen dürfen. Eine schön ausgebildete Rückenlinie, dazu eine tiefe Brust, eine elegant aufgezogene Bauchlinie und kräftige, jedoch nicht zu schwer wirkende Läufe. Besonderes Merkmal der Laufhunde sind ihre Hängeohren, die sogar länger als der edle Kopf sein sollen. Das kurze und somit pflegeleichte Fell liegt glatt an und bestimmt zugleich, welchem der vier Typen der Hund angehört. Beim Berner Laufhund ist es weiss mit schwarzen Flecken und etwas Rot am Kopf, beim Schwyzer weiss mit orangen Flecken. Der Jura-Laufhund ist lohfarben mit schwarzem Mantel, und der Luzerner zeichnet sich durch eine sogenannt blaue Grundfarbe aus, die durch die Verbindung von weissen und schwarzen Haaren stark gesprenkelt ist, darauf trägt er schwarze Flecken.

Vielseitige Begleiter

Zuchtanfragen liessen nicht lange auf sich warten. Seit 2003 erblickten drei Würfe beim heutigen Präsidenten des Laufhundeklubs Sektion Mittelland das Licht der Welt. «Bei der letztjährigen Laufhundeausstellung schnitten eine Hündin und ein Rüde aus dem letzten Wurf vorzüglich ab», so der stolze Züchter. Für den jagdlichen Einsatz spielen auch charakterliche Eigenschaften wie Arbeitsfreude und Ausdauer eine grosse Rolle und natürlich, dass sie ganz eigenständig Fährten verfolgen und das aufgefundene Wild vor den Jäger bringen können. «Wenn der Laufhund eine Fährte aufgenommen hat, dann wird er zum Autisten, nichts und niemand kann ihn dann davon abhalten, mit tiefer Nase und dem weit hörbaren Geläut diese zu verfolgen», weiss der Jäger aus Erfahrung.

Während die Jagdhunde draussen vor Energie sprühen, finden sie drinnen zur Ruhe. Gottfried Bossi hält seine beiden Hunde etwa zu 60 Prozent im Haus und zu 40 Prozent im Zwinger. «Nach einem anstrengenden Jagdtag, mögen sie es gerne, sich im Zwinger zurückziehen zu können», so Bossi. Jagdhunde, die das ganze Jahr über im Zwinger ohne viel menschlichen Kontakt ihr Dasein fristen müssen und nur zur Jagdsaison richtig Auslauf bekommen, das gäbe es dank dem Einsatz des Tierschutzes glücklicherweise kaum noch, weiss der Fachmann.

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Erhalt eines Schweizer Kulturgutes

Im Gegenteil, Laufhunde und auch andere Jagdhunde wie Viszlas, Beagle, Münsterländer oder Weimaraner finden als Familienhunde immer grössere Beliebtheit. Vom letzten Wurf habe er zwei Welpen an Nichtjäger verkauft. Bei einer guten Auslastung der Tiere und fachmännischem Umgang sieht Gottfried Bossi darin kein Problem. Die beiden Halter sind jedenfalls sehr glücklich mit ihren Laufhunden und schicken oft Fotos, wie die Familienhunde mit den Kindern herumtollen oder mit auf die Joggingrunde gehen.

«Laufhunde sind zu 100 Prozent freundlich – sei es mit anderen Hunden oder Menschen. Auch mit unseren Enkelkindern und den beiden Katzen verstehen sie sich bestens.» Einen eigenen Charakter hätten sie schon, die athletischen Jagdhunde. «Unterwürfig sind sie nicht, doch wenn man sie erst einmal für sich gewonnen hat, ist der Umgang mit ihnen etwas vom Schönsten», schwärmt Bossi. Einen jeweils etwas unterschiedlichen Charakter haben auch die vier Typen. Während der Schwyzer als eher scheu und vorsichtig gilt, zeigt sich der Jura-Laufhund robuster.

2019 konnten in der Schweiz lediglich 73 Laufhundewelpen gezählt werden.

Vielleicht liegt darin ein Grund, wieso die Jura-Laufhunde am meisten verbreitet sind. Danach kommt der Luzerner Schlag, und am seltensten sind Berner sowie Schwyzer Laufhunde anzutreffen. Allgemeinbegegnen einem Vertreter der einzigen existierenden Schweizer Jagdhunderasse nicht an jeder Ecke. Wurden in den 1980er-Jahren schweizweit jährlich zwischen 200 bis 300 Laufhunde geboren, so waren es in den 2010er-Jahren gerade noch durchschnittlich 100.Und 2019 konnten in der Schweiz lediglich 73 Laufhundewelpen gezählt werden. Während diese Rasse auch ausserhalb der Schweiz, etwa in Frankreich,Ungarn, Deutschland, Skandinavien, Tschechien und Italien ihre Anhänger hat, scheint in der Schweiz langsam, aber sicher ein Kulturgut vom Aussterben bedroht. Am meisten Laufhunde werden in den Patentjagdkantonen Bern, Graubünden und dem Wallis gehalten.

In der Kritik an der sogenannt lauten Jagd, die mit Hilfe der Laufhunde auf Hasen oder Rehe gemacht wird, liegt ein Grund für den Rückgang dieser Hunderasse. Denn sie wird als Störung im Wildlebensraum betrachtet, wobei das Wild panisch durch die Wälder gehetzt werde. Aber dies stimmt für spurlaut jagende Hunde nicht: Das Wild hört diese schon von Weitem kommen und macht sich dann mit grossem Vorsprung recht gemächlich davon. Eine sogenannte Hetzjagd, zu der zum Beispiel stumm jagende Windhunde eingesetzt werden, ist in der Schweiz längst verboten. Immer mehr Jäger sind wohl aber auch nicht mehr gewillt, einen Jagdhund zu halten, der nicht unbeaufsichtigt frei geführt werden kann und viel Auslauf benötigt.

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In den Revierkantonen sind die Laufhunde noch weniger verbreitet. Denn mit der Aufteilung einiger Kantone in kleine Jagdreviere, fiel der lauffreudige Jagdhund, der über die Reviergrenzen hinaus jagte, in Ungnade. In der Hoffnung, die Reichweite der Hunde einzugrenzen, wurde die zugelassene Risthöhe der Laufhunde in einigen Kantonen limitiert. Es wurde daraufhin eine kurzläufige Variante, die Niederlaufhunde mit einer Grösse von nur 33 bis 43 Zentimetern gezüchtet. Die Niederlaufhunde bestehen noch heute in sämtlichen vier Farbschlägen.

Was den Gesetzgebern aber nicht klar war, ist der Umstand, dass bei einem Jagdhund nicht die Beinlänge, sondern der Kopf, also sein unbedingter Jagdwille wirklich ausschlaggebend ist. Etliche seiner Kollegen würden lieber mit den höher gewachsenen Hunden jagen, da die Niederlaufhunde Mühe hätten, grössere Felsabsätze hochzuspringen, und so im gebirgigen Gelände oftmals an ihre Grenzen kämen, so Gottfried Bossi.

Der Ursprung des Schweizer Nationaljagdhundes liegt weit zurück. Ein Mosaik in Avenches VD bezeugt, dass verschiedene Schweizer Laufhundetypen bereits zur Zeit der Römer existierten. 1909, knapp 30 Jahre nach Festlegen der Rassestandards, musste leider festgestellt werden, dass der ursprünglich existierende fünfte Typ, der rauhaarige Thurgauer Laufhund, nun ausgestorben war.

Gehorsam- und Fährtenübungen

Zira und Zidane haben sich lange genug stillgehalten, langsam ist es Zeit, die Pfoten zu vertreten. Zweimal täglich unternimmt Gottfried Bossi mit seinen beiden Hunden ausgedehnte Spaziergänge, mittags geht es auf eine kleinere Runde. Auf einer eingezäunten Wiese kann er die beiden zudem frei laufen lassen, damit sie sich austoben können.

Für Jungspund Zidane beginnt nun die jagdliche Ausbildung. Bereits im Welpenalter dürfen die Kleinen an Hasenfellen rupfen. Mit sieben bis acht Monaten stehen erste Fährtenübungen auf dem Programm, und natürlich muss auch noch am Grundgehorsam gearbeitet werden. Denn nicht nur die jagdlichen Aufgaben wollen gelernt sein.

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Gottfried Bossi besuchte mit seinem Rüden einen Welpenkurs, nun stehen ab und an Ausflüge in die Stadt an, damit sich Zidane auch in dieser Welt sicher bewegt. Im Herbst wird sich dann im Wald zeigen, was der Nachwuchs gelernt hat. Dann beginnt die schönste, aber auch anstrengendste Saison des Jahres.

Zusätzlich zu den Jagden ist Gottfried Bossi mit seinen Hunden in der Nachsucheorganisation (NASU) des Berner Jägerverbandes engagiert. «In einer Woche, in der ich Pikett habe, rücken wir bis fünf Mal aus, um angeschossene oder angefahrene Rehe aufzuspüren.»

Wer nun Lust hat, der Faszination dieser Schweizer Jagdhunderasse selber nachzuspüren, dem sei ein Besuch an der Nationalen Laufhundeausstellung am 3. Juni 2023 in Escholzmatt empfohlen.