Keine Bengalkatze, sondern eine grosse, zottelige Hündin nimmt den Besuch in Empfang. «Tisha kommt mit den Katzen bestens zurecht», erklärt Ruedi Haas später beim Kaffee. Und seine Frau Monika ergänzt: «Sie zeigt ihnen, wann sie ihre Ruhe haben will, und weist die Katzen falls nötig in ihre Schranken.» Nur wenig später wird Tishas Geduld bereits auf die Probe gestellt: Eine der vier jungen Bengalkatzen aus dem letzten Wurf steht vor ihrem Napf und knuspert an einem Brocken Trockenfutter. Die 11-jährige Bergamasker-Hündin stellt sich sichtlich unzufrieden daneben, lässt das Kätzchen aber gewähren. Aktuell teilen die Züchter Ruedi und Monika Haas und Hündin Tisha die Wohnung mit insgesamt acht Bengalkatzen – drei Weibchen, einem Kater und vier Jungen, wovon drei bereits vergeben sind.

Sie hätten bisher nie Probleme gehabt, Abnehmer zu finden für ihre Tiere, erzählt Ruedi Haas: «Die meisten nehmen gleich zwei Katzen – eine Bengal allein zu halten, wäre sowieso Tierquälerei.» 1500 Franken kosten ihre Katzen, die frühestens mit 13 bis 14 Wochen tierärztlich durchgecheckt, geimpft, gechipt und mit Stammbaum ausgerüstet an gute Plätze abgegeben werden, wobei Freigang für die Züchter durchaus in Frage kommt – sofern die Tiere kastriert sind. «Ein unkastrierter Bengalkater hat ein sehr grosses Territorium und würde das Dorf aufräumen und seine Rivalen ausschalten», sagt Ruedi Haas dazu.

«Bengalen brauchen Bewegung und viel Aufmerksamkeit.»

Bengalen sehen nicht nur wild aus, sondern tragen tatsächlich ein Stück Wildkatze in sich. Die Rasse ging nämlich aus einer Kreuzung zwischen einer asiatischen Leopardkatze (Prionailurus bengalensis) und einem schwarzen Hauskater hervor. Verantwortlich für die ungewöhnlich Paarung war die amerikanische Tierschützerin und Züchterin Jean Mill, welche die hübsch getupfte Fellzeichnung und den geschmeidigen Körperbau der Wildkatze mit den Charaktereigenschaften der gewöhnlichen Hauskatze verbinden wollte.

Bengalen im Überblick
Typ: Geschmeidig, schlank und muskulös
Fell: Kurz, sehr weich mit Fellzeichnung Spotted Tabby (mit unterschiedlichen Arten von Rosettenzeichnungen);Fellfarben anerkannt bei FIFE: Schwarz (brown, seal, snow, neu auch silver); bei TICA: Schwarz auch mit Silber (brown, seal, brown silver, seal silver snow lynx)
Gewicht: Kater: 5 bis 8 Kilo, Katze: 3 bis 5 Kilo
Augen: Meistens grün, bei den snow meistens blau, möglich sind auch gelb und braun
Ursprung: USA
Aktivität: Hoher Bewegungsdrang, brauchen Kletter-möglichkeiten, Laufrad empfohlen
Kontaktfreudigkeit: Anhänglich und menschenbezogen, folgen ihren Besitzern auf Schritt und Tritt, werden nicht gerne getragen, aber geniessen Streicheleinheiten
Kommunikation: Äusserst kommunikativ
Kinderfreundlichkeit: Eher für grössere Kinder geeignet
Wohnungseignung: Grössere Wohnung mit Balkon nötig oder gesicherte Terrasse oder Garten
Pflegeaufwand: Unkompliziert

Kein Wunder also, dass die Rasse als äusserst aktiv gilt und entsprechend auf genügend Auslauf- und Klettermöglichkeiten angewiesen ist – was bei Haas ganz offensichtlich gegeben ist. «Die Wohnung mit der riesigen Aussenterrasse mit Bäumen und Sträuchern war für uns ein absoluter Glückstreffer», sagt Ruedi Haas. Mitten in der Stube steht zudem ein grosses Katzenlaufrad, das rege benutzt wird. Immer wieder steigt eine der Katzen hinein und dreht mit eleganten Schritten ein paar Runden.

Bengalen benötigten nicht nur Bewegung, sondern auch viel Aufmerksamkeit, erzählt Ruedi Haas: «Egal, ob ich Einkäufe verräume oder die Wäsche mache – die ganze Truppe kommt immer mit.» Und Monika Haas ergänzt: «Man muss sich mit ihnen beschäftigen wollen.» Kätzin Tiffany beispielsweise geniesst tägliche Spaziergänge an der Leine und Kätzin Goldy liebt es, Spielzeugmäuse zu apportieren.

Nichts für Putzmuffel

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«Unsere Katzen sind gut sozialisiert und haben ein ruhiges, ausgeglichenes Wesen», sagt Ruedi Haas. Tatsächlich geht es in der Wohnung mit oder eben trotz den acht Bengalen erstaunlich ruhig zu und her. Weil Bengalen äusserst intelligent und neugierig seien, brauche es aber schon gute Nerven – und die Bereitschaft, hinter den Katzen herzuräumen. Und dies nicht nur, weil es sich bei Zuchtkater Rubin logischerweise um einen nicht kastrierten Kater handelt, der gerne und häufig markiert, weswegen der Rucksack des Besuchs auch gleich nach dem Eintreten in katzensicherer Höhe deponiert worden ist. «Sie öffnen alle Türen, zerfleddern WC-Rollen und machen überhaupt gerne ein Durcheinander», erzählt Monika Haas und ergänzt lachend: «Man muss gerne putzen.»

Tatsächlich scheppert es wenig später in der Küche: Tiffany hat die Milch entdeckt und gezielt runtergeschupft. Genüsslich macht sich die Katzengesellschaft über die erbeutete Leckerei her, während Monika Haas den Putzlumpen holt. Zur Bengalenzucht gekommen ist das Paar, nachdem es seinen Bauernbetrieb im Kanton Graubünden aufgegeben hat. «Wir haben beide gerne Tiere und wollten gemeinsam etwas Neues beginnen, wo wir Tiere um uns haben.»

Katzenzucht braucht viel Zeit und Energie

Wie es sich für seriöse Züchter gehört, lassen Ruedi und Monika Haas ihre Zuchttiere auf die Polyzystische Nierenerkrankung sowie die Augenkrankheit progressive Retinaatrophie testen. Eine Untersuchung des Herzes vor dem ersten Decken garantiert zudem, dass das betreffende Tier nicht von der erblichen Herzmuskelerkrankung «Hypertrophe Kardiomyopathie»betroffen ist.

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Ihre Katzenzucht mit zwei bis drei Würfen pro Jahr brauche viel Zeit und Energie – und sei nur möglich, weil beide viel Freude daran hätten, sagt Ruedi Haas. Neben dem Engagement für die eigene Zucht sind Monika und Ruedi Haas in Sachen Katze zudem als Vizepräsidentin und Vizepräsident beim Katzenclub beider Basel (KCbB) beziehungsweise dem Katzenclub Aargau Solothurn (KAS) aktiv und nehmen an Ausstellungen teil oder organisieren diese mit. Eine Reihe von Schleifen ziert denn auch das breite Stubenfenster, was aktuell den Erfolgen von Kater Rubin und Kätzin Tiffany zu verdanken ist. Letztere war die «Einstiegskatze» und bildet damit den eigentlichen Grundstein der heutigen Zucht. Ruedi Haas: «Sie ist die grösste Zicke – aber gleichzeitig unser absoluter Liebling.»

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