Türkisch Angora, Ägyptische Mau und Abessinier
Die drei ältesten Katzenrassen der Welt
Viele Katzenrassen waren schon da, bevor sie offiziell als solche anerkannt wurden. Die Tiere findet man auf historischen Gemälden und in überlieferten Geschichten, die belegen, dass sie die Menschheit schon sehr lange begleiten. Die drei ältesten Katzenrassen im Porträt.
Langhaarige Schönheit
Sie soll die Lieblingskatze des islamischen Propheten Mohammed gewesen sein: eine langhaarige, weisse Katze namens «Muezza». Mohammed soll sich sogar den Ärmel seines Mantels abgeschnitten haben, um die darauf schlafende Katze nicht zu stören. Seit dem 15. Jahrhundert ist die Angorakatze in der Türkei als eigene Rasse bekannt, existierte aber sicher schon viele Jahrhunderte zuvor. Von ihr stammen wahrscheinlich alle europäischen Langhaarkatzen ab, so auch die Sibirische Katze und die Norwegische Waldkatze. Mit ihrem seidigen weissen Fell und den geheimnisvollen Augen galt die Angorakatze als wertvolles Mitbringsel aus der Türkei. Ihren Namen erhielt sie vom alten Namen Ankaras, der Hauptstadt des Landes, die bis 1930 noch Angora hiess.
Die Türkisch Angora ist eine elegante, kraftvolle Katze mit mittellangem, anliegendem Fell. Sie gehört zu den Halblanghaarkatzen und besitzt keine Unterwolle, wie man es von Persern kennt. Angepasst an die heissen anatolischen Sommer und die kalten Winter ist das Fell im Sommer deutlich kürzer als im Winter. In der kälteren Jahreszeit entwickelt die Türkisch Angora hingegen einen dichten Kragen rund um den Hals. Zunächst wurden nur die weissen Katzen anerkannt, heute gibt es jedoch auch Varianten in anderen Farben. Die Augen der Türkisch Angora sind mandelförmig und ausdrucksvoll, die Ohren gross und oft mit einem feinen Pinsel an der Spitze. Die Rassestandards sind nicht so streng wie bei anderen Rassen, da es auch heute noch nur wenige Züchter gibt. Sandra Tretter gehört zu den einzigen in der Schweiz. «Schon als Kind war ich von den weissen Angoras fasziniert. Inzwischen gefallen mir die dreifarbigen am besten, da sie immer eine einzigartige Zeichnung haben», sagt die Katzenfreundin.
Die Rasse ist dafür bekannt, gelegentlich zwei verschieden farbige Augen zu haben (Heterochromie), was bei Liebhabern besonders begehrt ist. Bei rein weissen Tieren kann es zu Schwerhörigkeit oder gar Taubheit kommen, die bei blauäugigen Katzen häufiger auftritt als bei gelbäugigen. «Schon rein moralisch ist es ein No-Go, gezielt weisse, taube Katzen zu züchten», mahnt Tretter. «In anerkannten Vereinen sind daher nur Verpaarungen zwischen farbigen und weissen Zuchttieren erlaubt, welche vom Tierarzt als voll hörend diagnostiziert wurden. Ausserdem darf man auch kein reinweisses Tier mit einem Partner verpaaren, der einen Weissanteil von über 50 Prozent aufweist, denn das würde die Gefahr einer Taubheit der Jungen steigern.»
Die Türkisch Angora zählt wie die beiden anderen alten Rassen zu den lebhafteren, temperamentvolleren Katzen. Sie ist verspielt und neugierig, aber auch verschmust und schätzt den engen Kontakt zu ihren Menschen. Sie wird oft als hundeähnlich beschrieben, da sie ihrem Lieblingsmenschen gerne auf Schritt und Tritt folgt und auch schon mal lernt, Spielsachen zu apportieren. «Mit tatsächlichen Hunden haben Angoras in der Regel kein Problem», berichtet Tretter. «In Mehrkatzenhaushalten gibt sie gerne den Ton an, spielt, putzt und kuschelt aber auch intensiv mit ihren Artgenossen.» Die robusten Tiere zählen wegen ihres Charakters als ideale Familienkatzen. Selbst ein Staubsauger bringen die Türkisch Angora nicht aus der Ruhe. Vielleicht ist es das geschichtliche Alter der drei Katzenrassen, die ihren Charakter unerschrocken und robust werden liess. Schliesslich hatten sie lange Zeit, sich an den Menschen und seine Eigenarten zu gewöhnen.
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Getupfte Orientalin
Die Ägyptische Mau gilt als Stammhalterin vieler heutiger Zuchtformen. Sie ist nicht nur die einzige Rasse mit natürlich vorkommenden Tupfen als Fellzeichnung, sondern besitzt auch einen auffälligen dunklen Streifen vom Kopf über den Rücken bis zur Schwanzspitze. Die stachelbeergrünen Augen runden den exotischen Look ab. Mit einer Laufgeschwindigkeit von bis zu 50 Stundenkilometern ist die Ägyptische Mau zudem die schnellste aller Hauskatzen. Diesen Rekord verdankt die elegante Fellnase ihren besonders langen Hinterbeinen, die es ihr erlauben, grössere Schritte zu machen als andere Katzenrassen. Als würde das die Ägyptische Mau nicht schon genug einzigartig machen, hat sie auch eine aussergewöhnlich lange Tragezeit. Die Jungen bleiben 73 statt 65 bis 67 Tage im Bauch der Mutter, bevor sie blind und nackt zur Welt kommen.
Wie ihr Name schon suggeriert, kommt die Mau aus Ägypten. «Mau» ist das ägyptische Wort für «Katze». Bereits vor über 4000 Jahren lebten die Samtpfoten mit den Menschen zusammen, die sie als nützliche Nagetierjägerinnen schätzten. Entsprechend wurden die Katzen von Ägyptern regelrecht verehrt, nach ihrem Tod oft einbalsamiert und in der Grabstätte der Göttin Bastet bestattet. In der ägyptischen Kunst wird der Sonnengott Re als getupfte Katze dargestellt, die den Feind der Sonne, die Schlange Apophis, erschlägt. Auch andere Darstellungen von Katzen aus dem alten Ägypten zeigen oft die für die Rasse typische getupfte Fellzeichnung, die keinen Zweifel daran lässt, dass die Tiere bereits in der Antike unverkennbar waren. Wie alle Hauskatzen stammt die Ägyptische Mau von der Falbkatze (Felis lybica) ab, in diesem Fall wahrscheinlich von einer getupften Unterart. Sie hat ihre typischen Charakteristika also wohl auf natürliche Art und Weise geerbt, ohne ein Zutun des Menschen.
1953 war eine russische Adlige so begeistert von der Tupfenzeichnung der ägyptischen Katze, dass sie zwei Weibchen mit nach Italien brachte. Dort verpaarte sie die Katzen mit einem ebenfalls gefleckten Kater, einem Geschenk des syrischen Botschafters. Mit den Nachkommen dieser Verpaarungen zog die Russin in die USA und gründete eine eigene Zucht. 1977 wurde die Ägyptische Mau als Rasse anerkannt und wird seit 1988 auch in Europa gezüchtet. Seitdem wurden immer wieder Tiere aus dem Nahen Osten dazu geholt, um die genetische Vielfalt zu erhöhen.
Die Ägyptische Mau gilt als intelligentes, bewegungsfreudiges Tier, welches genügend Platz und Klettermöglichkeiten braucht. Um sich auszutoben, freut sie sich über einen grossen, katzensicheren Garten, viele Spieleinheiten und natürlich einen Katzenkumpel, mit dem sie um die Häuser ziehen kann. Wann immer möglich, ist für die Ägyptische Mau Freigang einer reinen Wohnungshaltung vorzuziehen. Wer sich eine dieser orientalischen Schönheiten zulegen will, braucht jedoch viel Geduld, denn die Ägyptische Mau ist eine sehr seltene Rasse. Die wenigen Züchter in der Schweiz und im nahen Ausland haben mitunter lange Wartelisten. Ein Mau-Kitten kostet etwa 2000 Franken und wird von seriösen Züchtern mit Stammbaum, gechipt, entwurmt und gegen Katzenseuche und Katzenschnupfen geimpft abgegeben.
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Puma im Miniformat
Anders als ihr Name vermuten lässt, stammt die Rasse nicht aus Abessinien, dem heutigen Äthiopien, sondern aus den Dschungeln Südostasiens. Im Gegensatz zu Ostafrika findet man an der Küste des Indischen Ozeans zwischen Singapur und Sri Lanka Katzen mit einer Mutation des Tabby-Gens («Abessinier-Tabby»), die zur typischen Fellzeichnung führt. Ihren Namen verdankt die Rasse der ersten Katze ihrer Art, die 1868 in einem britischen Katzenbuch erwähnt wurde. Demzufolge besass die Gattin eines Captains der englischen Kolonialarmee ein solches Tier, welches sie aus dem damaligen Abessinien mit nach Europa brachte. Wie die Katze zuvor aus Südostasien nach Ostafrika gelangt war, ist unbekannt. Möglicherweise gab es dort eine Zeit lang eine Population von Katzen mit abessinier-typischen Merkmalen. Dazu gehört der auffällige Agouti-Effekt des Fells. Die Bezeichnung dieser braun melierten Wildfarbe wird von den südamerikanischen Nagetieren, den Agoutis, abgeleitet. Jedes Haar ist mehrfach gebändert, was in der Fachsprache als «Ticking» bezeichnet wird. Je nach Farbvariante wechseln sich dabei unterschiedliche Farbtöne ab, wobei die Spitze am dunkelsten ist. Die Haare an Brust, Bauch und der Innenseite der Beine sind in der Regel einfarbig.
Dieses Agouti-Ticking sorgte bei den englischen Katzenzüchtern für viel Aufsehen. Die Abessinierin wurde so als Rasse in England bereits 1882 anerkannt. Ein Hauptmerkmal der Rasse ist nebst dem braunen Fell das fast völlige Fehlen von Zeichnungsmustern wie Tigerung oder Tupfung. Lediglich am Kopf sind noch Spuren der klassischen Tabby-Muster wie das «M» auf der Stirn oder die Augenumrandung erkennbar. Über den Rücken verläuft ein sogenannter Aalstrich, ein dunkler, durchgehender Farbstreifen. Wie viele orientalische Katzenrassen besitzt die Abessinierkatze lange, schlanke Beine und einen muskulösen Körperbau. Die Augen sind gross und mandelförmig, und die Ohren stehen weit auseinander.
Die Zuchtregeln für Abessinier sind äusserst streng, und selbst kleine Fehler wie eine zu runde Kopfform schliessen Tiere von einer Titelauszeichnung bei Rassekatzenausstellungen aus. Kreuzungen mit anderen Rassen sind nicht erlaubt. Mitte des 20. Jahrhunderts tauchten in Abessinierzuchten erstmal Tiere mit halblangem Fell auf, was als rasseuntypisch galt. Bald wurden diese Katzen jedoch gezielt zur Zucht verwendet, sodass eine neue Rasse entstand, die nach Somalia, dem Nachbarland von Äthiopien, benannt wurde: die Somalikatze.
Abessinier- und Somalikatzen können an rassespezifischen Krankheiten leiden, die bei anderen Katzenrassen nicht vorkommen. Der Pyruvatkinase-Mangel ist eine Erbkrankheit, die zu Blutarmut führen kann. Gegen die Krankheit gibt es keine Therapie, obwohl im Extremfall eine Bluttransfusion das Leben der Katze retten kann. Auch Netzhautschwund (Retina-Atrophie), Ablagerungen von Eiweissen in den Nieren (renale Amyloidose) und Deformationen der Kniegelenke (Patellaluxation) gehören zu den möglichen Erbkrankheiten der beiden Katzenrassen. Um die Ursachen der Leiden besser zu verstehen, wurde 2007 das Genom der Abessinierkatze praktisch vollständig entschlüsselt.
Abessinier gelten als aufmerksam, aktiv und verspielt. Wie die anderen beiden hier vorgestellten Katzenrassen sind sie besonders intelligent und folgen ihren Menschen auf Schritt und Tritt. Etwas unterscheidet die Abessinierin definitiv von anderen orientalischen Katzenrassen: Sie hat eine ruhige, fast leise Stimme und ist weniger gesprächig.
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