Wer einen Schäfer fragt, wie viele Schafe er besitzt, bekommt eine ganz genaue Angabe. Auch wenn die Schafe für den Laien alle gleich aussehen, so erkennt der Schäfer jede noch so kleine Abweichung. Unter Umständen kann er sogar das unterschiedliche Wesen einschätzen. Genauso geht es Taubenzüchtern.

In der Zuchtzeit kann dies etwas anders sein, da sich die Tauben während der Jungtieraufzucht verändern. Vor allem das «Gesicht» sieht anders aus. Durch das Füttern der Jungtiere ist der Schnabelwinkel gerne einmal verschmiert und auch die Schnabelwarzen strahlen in den seltensten Fällen noch deutlich weiss gepudert. Überhaupt merkt man, dass die Aufzucht an den Elterntieren nicht spurlos vorübergeht. Sie sind einfach nicht mehr so in Top-Kondition, wie man das sonst gewohnt ist.

Hinzu kommt, dass während der Ausstellungssaison die Geschlechter getrennt sind und erst jetzt zum Zuchtbeginn wieder angepaart werden. Da fliegen in den ersten Tagen die Tauben munter durcheinander. Für den Züchter heisst es, besonders aufmerksam zu sein. Sonst kann es vorkommen, dass die Paare nicht so beieinander bleiben, wie man sich das vorgestellt hat. Das hat dann wenig mit Zucht, aber ganz viel mit Haltung zu tun. Der züchterische Erfolg kann bei solcher freien Verpaarung zwar vorhanden sein, auf Dauer wird man ihn aber nicht halten können.

Fussringe in leuchtenden Farben
Bei glattfüssigen Taubenrassen haben sich farbige Kennzeichnungsringe bewährt. Sie gibt es als Spiral- oder Klippringe, wobei die angebotene Qualität zum Teil ganz erheblich schwankt. Jedes Paar bekommt immer die gleiche Ringfarbe, wobei ich dazu tendiere, beim einen Geschlecht auf dem Ringfuss, beim anderen auf dem «freien» Fuss zu beringen. Damit ist nicht nur das Paar, sondern gleichzeitig das Geschlecht gekennzeichnet. Aus der Erfahrung heraus sind grelle und vor allem deutlich unterschiedliche Farben zu empfehlen. Denn während Dunkelblau und Dunkelgrün im direkten Vergleich eindeutig zu unterscheiden sind, sieht das im täglichen Gebrauch völlig anders aus. Die Tauben sitzen nämlich ein paar Meter von einem entfernt und dann ist der farbliche Unterschied nicht mehr zu erkennen.

Besonders sinnvoll ist es, wenn die gleiche Kennzeichnungsfarbe auch im Zuchtbuch auftaucht. Dann reicht nämlich beim Aufschreiben der Ringe ein Blick auf den Kennzeichnungsring. Wird den Jungtieren die gleiche Ringfarbe aufgezogen, kann nach der Zuchtzeit die Zuordnung sehr einfach erfolgen. Ich gehe immer folgendermassen vor: Ich stelle das Zuchtpaar in Ausstellungsboxen und die Jungtiere darunter. Mit dem ersten Blick ist dann zu erkennen, ob das Jahr für dieses Zuchtpaar erfolgreich war oder ob die erwartete Qualität nicht erreicht wurde.

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="92d97a55-522e-4834-ac2e-52a47edd1920" data-langcode="de"></drupal-entity>
Kunststoff-Farbringe sind ideal für glattfüssige Tauben.
Bild: Wilhelm Bauer

Wer an seinen Nistzellen ebenfalls farbige Markierungen einsetzt, kann hier die Kennzeichnung vollenden. Dann wäre zum Beispiel ein roter Kennzeichnungsring eines Zuchtpaares gleichbedeutend mit dem «Rot» an der Nistzelle. Neben der einfachen Handhabung für den Züchter erleichtert man den Tauben die Orientierung. Aber nicht nur einfarbige Flächen werden von den Tauben erkannt, sondern selbst farbliche Strukturen. Der Fantasie sind also keine Grenzen gesteckt. Farbringe haben nur ein Problem. Vor allem während der Zuchtzeit sitzen nämlich Tauben gerne auf ihren Fersengelenken und dösen vor sich hin. Dann sieht man den Kennzeichnungsring nicht.

Kreise oder Striche auf Flügel und Brust
Bei belatschten Taubenrassen kommt man mit Kennzeichnungsringen nicht weit. Sie würden in der dichten Lauf- und Schenkelbefiederung «verschwinden». Hier muss man auf andere Möglichkeiten zurückgreifen. Noch dazu, da bei den meisten belatschten Rassen während der Zuchtzeit die Fussbefiederung gekürzt wird. Vor Jahren habe ich bei einem Züchter gesehen, wie er seinen weissköpfigen Rassen auf die Stirn mit wasserfestem Marker ein Zeichen aufgemalt hat. Da sah man Kreise, Quadrate, Flecken, Striche und anderes. Eine zusätzliche Unterscheidung kann erfolgen, wenn verschiedene Farben verwendet werden. Bei farbigem Kopfgefieder muss man auf Körperregionen zurückgreifen, an denen das möglich ist. Ideal sind Flügel oder der Brustbereich. Bei weissschwingigen Tauben kann man die Schwingen anmalen, um eine einwandfreie Kennzeichnung zu erreichen.

Obwohl die Farben wasserfest sind, verbleichen sie mit der Zeit immer mehr. Zum Ende der Zuchtzeit sind sie fast nicht mehr zu erkennen. Entweder man «färbt» also nach oder lässt sie verbleichen. In der Praxis wird eher dies der Fall sein. Mit fortschreitender Zuchtzeit weiss man nämlich genau, wo welches Paar brütet beziehungsweise welche Partner zusammengehören.

Der einzige Nachteil ist, dass die Tauben vor allem zu Beginn der Zuchtzeit nicht sonderlich hübsch anzusehen sind. Die Vorteile aber überwiegen. Vor allem in einem grösseren Bestand und bei flüchtigeren Rassen ist es eine deutliche Erleichterung im täglichen Zuchtgeschäft – und darauf kommt es an.