Vreni Homberger
«Tierwelt»-Preis für Vogelpflegerin
Der diesjährige «Tierwelt»-Preis geht an Vreni Homberger aus Beringen SH. Seit 35 Jahren betreut die Tierärztin pflegebedürftige Wildvögel, um sie danach wieder in die Freiheit zu entlassen.
Das kleine Häuschen ist kaum auszumachen inmitten der vielen, dicht belaubten Bäume – ein kleines Wäldchen ist es eigentlich – am Hang von Beringen. Das ist Vreni Hombergers Vogelpflegestation. Hier lebt sie mit Hund, Katzen, Hühnern, einigen gestrandeten Ziervögeln – und natürlich mit ihren Patienten, den Vögeln, die sie pflegt und aufpäppelt, um sie danach wieder auszuwildern.
Seit über drei Jahrzehnten betreibt Vreni Homberger die Vogelpflegestation nun bereits. «Es fing an, als ich mit meinen vier Kindern zu Hause war. Die Leute brachten mir verletzte oder halb verhungerte Vögel», erzählt die ausgebildete Tierärztin. Nach dem Studium arbeitete sie in der Zootierklinik im Tierspital in Zürich, sie hat sich danach auf Vögel spezialisiert. «Ich hatte schon immer ein Flair für Vögel. Während des Studiums erfuhren wir eigentlich wenig über sie.»
Aus der privaten «Notfallstation» wurde alsbald eine offizielle, vom Kanton zugewiesene Pflegestelle. Der Kanton übernimmt die Unkosten, mehr nicht, die Arbeit verrichtet Vreni Homberger unentgeltlich. Und der Pflegedienst ist aufwendig, vor allem bis die Vögel verarztet sind und selber fressen können. Die Tiere auf der «Intensivstation» und die Jungvögel müssen alle ein bis zwei Stunden gefüttert werden – «von sieben Uhr morgens bis neun Uhr abends. Und das sieben Tage die Woche.» Nebst dem Füttern, dem Verarzten von gebrochenen Flügeln, der Pflege wartet auch noch beratende Tätigkeit auf Homberger. Sie bekommt viele Anrufe von Leuten, die einen verletzten Vogel gefunden haben und nicht wissen, was tun. «Manchmal brauchte es zwei bis drei Telefongespräche. Und oft musste ich den Vogel dann schlussendlich doch abholen und selber in Pflege nehmen», erzählt sie.
Diesen Sommer waren es über 40 Vögel, die sie fütterte und medizinisch betreute. «Die strenge Zeit ist Mai, Juni, Juli, manchmal geht sie bis Mitte August. Da hab ich meistens Full House», sagt Homberger. «Es handelt sich dann vor allem um Jungvögel, die noch nicht richtig fliegen können, aus dem Nest gefallen sind oder von einer Katze gepackt wurden.»
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Beim Füttern eines Pfleglings. Bild: Sarah Poli |
Ruhige Hand und Fingerspitzengefühl
Zurzeit – nun im Herbst ist die strengste Zeit vorüber – hat sie nur noch gerade einen Sorgenfall: Ein Buntspecht mit gebrochenem Bein muss seine Zehen trainieren, um wieder klettern zu können. Das kann ein paar Tage dauern. Dann wird er zu den anderen Vögeln, zwei Amseln, ein Star und ein Spatz, in die Aussenvoliere gebracht – und sobald wie möglich in die Freiheit entlassen. Nicht alle Vögel können gerettet werden, in etwa einem Drittel der Fälle sind die Verletzungen zu gravierend, sie sterben trotz Pflege oder müssen eingeschläfert werden.
Für die medizinische Behandlung braucht es Fingerspitzengefühl und eine ruhige Hand. Vreni Homberger versteht es, die Kleinvögel vorsichtig anzufassen, um sie zu verarzten oder mit der Pinzette zu füttern – die Tierärztin verfügt schliesslich auch über jahrelange Erfahrung.
Wie aufwendig die medizinische Versorgung ist, kommt natürlich auf die Verletzung und auf die Vogelart an. «Bei einer Amsel zum Beispiel ist es nicht so tragisch, wenn sie einen Flügel nicht mehr richtig brauchen kann. Sie muss sich bloss auf einen Baum retten können, ansonsten kann sie in der Nähe bleiben, da findet sie genug zu fressen», erklärt die Schaffhauserin. Anders bei Flugjägern wie Sperber oder bei Zugvögeln wie Schwalben oder Seglern; sie sind darauf angewiesen, dass sie hundertprozentig flugfähig sind, und können erst dann freigelassen werden. Und bei Zugvögeln darf man nicht vergessen, dass einige ihre Reisen in der Gruppe machen. «Eine Schwalbe lasse ich frei, wenn andere Schwalben unterwegs sind. Alleine nach Südafrika zu fliegen wäre schwierig», sagt die Vogelpflegerin.
Zu Beginn der Pflegestation, Ende der Siebzigerjahre, hatte Homberger 20 bis 30 Vögel jährlich in Pflege, im letzten Jahr waren es über 200 – und die Tendenz ist weiterhin steigend. Weshalb? Sind die Leute stärker sensibilisiert oder gibt es immer mehr verletzte Tiere? «Beides», sagt Homberger. «Aber vor allem sind die Lebensbedingungen für die Vögel in Siedlungsgebieten schlechter geworden. Wo sollen Spatzen oder Meisen ihre Nester bauen, wenn alles isoliert ist?» Dann nisten sie halt in einem Rollladenkasten, dort hat es aber kaum genug Platz, sodass die Jungen, wenn sie grösser werden, oft herausfallen. Ausserdem gebe es kaum mehr gute Verstecke. «In einen richtigen Dornbusch geht keine Katze hinein. Aber solche Büsche sieht man nur noch selten.» Anders ist die Situation beim Buchfinken; dieser baut sein Nest auf hohen Bäumen, sein Lebensraum ist noch intakt – Homberger musste dieses Jahr keinen einzigen jungen Buchfinken pflegen.
Bei den Greifvögeln ist die Situation in den letzten Jahren auch prekär geworden. «Seit kein Aas mehr herumliegen darf, haben die Vögel Mühe, Futter zu finden. So sind sie gezwungen, entlang der Autobahn nach Aas zu suchen. Das ist natürlich gefährlich. Es gibt dann vermehrt verletzte Greifvögel», erklärt Vreni Homberger und erzählt: «Ganz schlimm wars im Frühling 2013. Da war es so lange kalt, der Boden gefroren, die Bussarde fanden keine Mäuse.» 15 Mäusebussarde, drei Rotmilane und drei Turmfalken hatte sie damals in Pflege, die meisten abgemagert, kurz vor dem Hungertod.
Verein gegründet, Entlastung in Sicht
Nach 35 Jahren täglicher Fürsorge für ihre Pfleglinge ist Vreni Homberger etwas müde geworden, und froh, abgeben zu können. «Von Jahr zu Jahr wurden es mehr Vögel. Und ich werde ja nicht jünger», sagt die 70-Jährige. Im August wurde der Verein für Vogel- und Wildtierpflege Schaffhausen gegründet mit dem Ziel, die Vogelpflegestation an einem anderen Ort unterzubringen. Eine vielversprechende Lösung zeichnet sich im Schaffhauser Tierheim ab. Vreni Homberger ist in Kontakt mit den Verantwortlichen, sie möchte auch ihr Wissen weitergeben, «damit sie nicht die gleichen Fehler machen, wie ich am Anfang».
Und was macht die «Tierwelt»-Preisträgerin mit den 20 000 Franken? «Zunächst lade ich alle Kolleginnen und Kollegen, die mir während Jahren geholfen haben, Vögel abzuholen oder einzufangen, zu einem ausgiebigen Nachtessen ein», sagt Vreni Homberger, «und dann mache ich eine Vogelreise, eine Reise zu Vögeln, die ganz weit weg sind – und alle gesund.»
«Tierwelt»-Preis Mit dem «Tierwelt»-Preis wird seit 2006 jährlich eine Persönlichkeit, eine Gruppe oder eine Organisation ausgezeichnet, die sich für Tiere eingesetzt und verdient gemacht hat. Diese werden von Drittpersonen vorgeschlagen. Die Jury setzt sich aus sieben Personen aus Politik, Wissenschaft, Unterhaltung sowie Kleintiere Schweiz zusammen. Es werden jeweils zwei Preise vergeben. Der «Tierwelt»-Preis von 20 000 Franken ist als Anerkennung für geleistete Arbeit gedacht. Der Förderpreis von 5000 Franken soll Ansporn für weiteres Engagement sein. Die Preisverleihung findet am 6. Dezember statt. |
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