Frau Weinbeck, was sollte man bei der Haltung von zutraulichen Papageien bedenken?
Papageien sind in der Natur nie alleine, sie leben mit dem Partner und in Gruppen. Das heisst, man muss zwei Papageien möglichst der gleichen Art zusammen halten, ihnen viel Platz zur Verfügung stellen und sie täglich mindestens vier Stunden frei fliegen lassen. 

Machen Sie das auch so mit Ihren drei Graupapageien und dem Rosakakadu?
Ja, ich lasse sie am Morgen früh, bevor ich zur Arbeit gehe, zwei Stunden aus ihren Volieren. Sie können dann frei in der Wohnung auf Seilen turnen. Dann reiche ich ihnen Futter und Beschäftigungsmöglichkeiten wie Spielzeuge in den Volieren. Am Abend lasse ich sie wieder frei in der Wohnung fliegen. Das entspricht dem natürlichen Tagesablauf. Papageien in der Natur sind auch in den Morgen- und Abendstunden aktiv. 

Welche Arten sind zur Haltung im Wohnbereich geeignet?
Graupapageien, die populär sind, sind äus­serst sensible und nervöse Vögel. Wenn es lärmig ist oder etwa lebhafte Kinder zugegen sind, eignen sich Graupapageien überhaupt nicht. Sie fühlen sich bei ruhigen Leuten wohler. Beim Graupapageien handelt es sich um eine der am schwierigsten zu haltenden Papageienarten. Darum sollte man nicht mit dieser Art einsteigen. Ganz anders verhält es sich mit Amazonen. Sie stammen aus Südamerika und verhalten sich wie Latinos. Sie sind extrovertiert, haben meistens kein Problem, um vor Leuten zu sprechen, und genies­sen die Aufmerksamkeit. Die Gefahr bei ihnen besteht, dass sie bei zu viel Aufregung im Spiel plötzlich beissen. Man sollte die Körpersprache eines Papageis immer aufmerksam beobachten. 

Kann man Verhaltensweisen für gewisse Arten definieren?
Jeder Papagei hat ein bestimmtes Verhalten. Dies aufgrund seiner Art, aber auch aufgrund seiner persönlichen Geschichte. Papageien sind Individuen! 

Wo sollten Papageien gekauft werden?
Beim Züchter. Dort kann man die Papageien kennenlernen, kann Fragen stellen und sieht, wie die Vögel gehalten werden.

Viele wünschen sich von Anfang an zahme Vögel. Sind Handaufzuchten darum besonders geeignet?
Nein, im Gegenteil. Ich rate, Elternaufzuchten zu erwerben, sodass die Jungen auf Vögel geprägt sind und nicht auf Menschen. Sie werden auch zahm, es braucht aber mehr Zeit und Geduld. Die Handaufzucht wird meist aus ökonomischen Gründen vorgenommen. Ein Zuchtpaar legt oft ein zweites Mal, nachdem man die Eier oder Jungen vorzeitig entnommen hat. Probleme mit auf Menschen geprägten Vögeln stellen sich später ein, wenn die Vögel geschlechtsreif werden. Elternaufzuchten sind am Anfang schwieriger zu zähmen, bleiben später aber stabil. Ein Züchter sollte Zeit in das Zuchtpaar investieren, sodass es Kontrollen erlaubt und sich die Jungen an Menschen gewöhnen. Wichtig ist, dass Junge erst von den Eltern getrennt werden, wenn sie vollständig selbstständig sind. 

Warum dies?
Ein Papagei lernt im ersten Lebensjahr am meisten. Er lernt alles von den Eltern, und das ist die ideale Basis für ein erfolgreiches Leben. Der Ablösungsprozess von den Eltern kann lange dauern. Vor dem Verkauf sollten Jungvögel mit anderen Papageien der gleichen Art sozialisiert und auf ein Leben bei Menschen vorbereitet werden. 

Welche Fehler machen die meisten Halter von zutraulichen Papageien?
Viele beklagen sich, dass ihre Papageien schreien, aggressiv sind, beissen oder sich das Gefieder rupfen. Die Quelle dieser Verhaltensweisen ist immer das Unverständnis des Menschen. Er gibt den Papageien nicht das, was sie brauchen. Papageien sind völlig anders als Hunde oder Katzen. 

Welches sind die ersten Probleme, die auftreten, und warum?
Meist beklagen sich Leute, dass ihre Papageien schreien. Papageien stehen in der Natur durch Rufe miteinander in Kontakt. Dieses Verhalten zeigt das Wildtier Papagei auch in der Wohnung. Sehen die Vögel den Pfleger nicht, wollen sie verbal mit ihm Kontakt herstellen. Darum ist es wichtig, beim ersten Kontaktruf zurückzurufen. Der Papagei ist ein Beutetier, es fühlt sich für ihn beruhigend an zu wissen, dass es den anderen Schwarmmitgliedern gut geht. Wenn aber keine Antwort zurückkommt, ruft er lauter, daraus entsteht schliesslich das Schreien, das ein Papagei so in jungen Jahren erlernt.

Wie wichtig im Wesen eines Papageis ist die Tatsache, dass diese Vögel in der Natur von anderen Tieren erbeutet werden?
Dies muss man unbedingt berücksichtigen. Ein Papagei ist ein Beutetier und benimmt sich deswegen völlig anders als ein Raubtier. Der Rücken eines Papageis beispielsweise ist sehr sensibel. So wird jeder Luftzug bemerkt, denn ein Raubvogel greift von oben an. 

Sie unterstützen Halter im Training von Papageien. Wozu dient das Training?
Es geht darum, die Papageien zu beschäftigen. Zudem ist es hilfreich, wenn zutrauliche Papageien positiv auf Menschen reagieren. Sie stehen nicht unter Stress, und es ist dank dem Training beispielsweise einfach, einen Papagei in eine Transportbox oder zurück in die Voliere zu setzen.

Wie gehen Sie vor?
Ein wichtiger Grundsatz ist, dass der Papagei bestimmt, wann er einen Schritt weiter machen will im Training. Die Beziehung beruht auf beidseitigem Vertrauen und Respekt. Wenn dies spielt, kann man mit dem Vogel alles erreichen. 

Wie hat man den grössten Erfolg?
Man muss den Papagei in eine Position setzen, in der er seine Aufgabe erfüllen kann, und sollte ihn nicht forcieren. Ein Papagei muss Vertrauen fassen können.

Was heisst das alles konkret?
Wenn ich rufe, kommen die Papageien. Aber sie können sich auch dazu entschliessen, nicht zu kommen. Grundsätzlich ist es aber so, dass, wenn der Papagei immer nur Gutes erfährt, wenn er kommt, er auch gerne zu einem fliegt. 

Gibt es keine Bestrafungen?
Grundsätzlich gilt: Ich bin ein Gruppenmitglied, das verbal ermahnt, wenn beispielsweise Aggressionen untereinander entstehen. Eine Bestrafung wirkt nie, sie zerstört die Partnerschaft zwischen Mensch und Papagei. 

Wie begegnet man Papageien am besten?
Der Vogelhalter muss mit der Energie herunterfahren. Vögel fühlen, wenn man aufgeregt oder nervös ist. Das erzeugt nur Stress, da sie Gefahr empfinden, und sie fallen deswegen in einen Verteidigungsmodus. Wenn man sich hingegen gelöst und gelassen mit seinen Papageien beschäftigt, sind sie eine immens grosse Freudenquelle.

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  Bild: Lars Lepperhoff

 

Winny Weinbeck aus Zeist in den Niederlanden hat seit rund 30 Jahren Erfahrung mit der Papageienhaltung. Sie stieg mit Weichfressern in die Vogelhaltung ein. Während ihres Studiums des Papageienverhaltens hat sich die Bankenexpertin für Geld-wäscherei spezifische Kenntnisse in Ethologie angeeignet. Dabei hat sie ein Jahr lang im Training mehrerer Tierarten praktische Erfahrungen gesammelt und spezialisierte sich auf das Verhalten von Papageien. Als professionelle Papageienverhaltens-Therapeutin ist Weinbeck Mitglied im Verband «International Association of Avian Trainers and Educators» und berät Papageienhalter in den Niederlanden, die Probleme mit ihren Vögeln haben. Sie ist Vorsitzende der niederländischen Vereinigung für Papageienzüchter und -halter Pakara und gibt den Pakara-Newsletter heraus. Sie hält drei Graupapageien und einen Rosakakadu.