Kanarien werden seit vielen Hundert Jahren gehalten und gezüchtet. Deshalb gibt es zahlreiche Farb- und Formvarianten, und immer wieder kommen neue hinzu. Züchter verändern durch gezielte Auslese die Gefiederfarben oder die Form eines Vogels. Darum spricht man von Farb- und Positur- oder Gestaltskanarien. Manche züchten Kanarien auch wegen des Gesangs. In unterschiedlichen Gegenden der Welt entstanden so bestimmte Rassen. An Vogelausstellungen, die jetzt wieder bis Ende Jahr stattfinden, werden viele Kanarienvögel präsentiert, an Börsen fehlen sie nie. Mit welchen sollte man beginnen bei dieser grossen Auswahl, mit Positur- oder Farbkanarien? 

Der Vizepräsident von Ziervögel Schweiz und Kanarienvogelexperte Pierre-André Chassot sagt: «Es kommt auf das persönliche Interesse an, ob jemand mit Farb- oder Positurkanarien einsteigen will.» Es spiele keine Rolle, beide Varianten stellten ähnliche Ansprüche. «Wenn man mit Farbkanarien einsteigt, dann empfehle ich, mit Lipochromvögeln zu beginnen.» Lipochrome seien Fettfarben wie rot, gelb oder weiss.

Für Anfänger nicht empfehlenswert seien die Farbenschläge Topaz, Opal oder Grauflügel. «Sie sehen sehr ähnlich aus, man muss geübt sein, sie zu unterscheiden», sagt Chassot. Nur Tönungsdifferenzen des Gefieders würden die Unterschiede ausmachen. Auch der Schweizer François Vuillaume, der im Weltverband der Vogelzüchter COM Spartenleiter für Positurkanarien ist, vertritt grundsätzlich diese Meinung, ergänzt aber noch: «Wer Mühe mit der Vererbungslehre hat, wendet sich besser den Positurkanarien zu.»

Gerade und glatt befiedert
Bei den Positurkanarien empfiehlt Pierre-André Chassot, eine Rasse mit glattem Gefieder und gerader Haltung zu wählen. Der Berner Kanarienvogel sei beispielsweise eine ideale, schöne Rasse. Doch auch die Rasse Fife Fancy würde sich gut eignen. Jeanine Moulin aus Boudry NE ist eine versierte Züchterin dieser Rasse. «Kopf und Körper sollten so aussehen wie zwei übereinanderliegende Kugeln», so beschreibt sie die Rasse.

Tatsächlich geben diese Kanarienvögel durch ihre rundlichen Formen ein äusserst liebliches Bild ab. Ihr grosser Verwandter ist der Border. Von vielen Kanarienrassen gibt es eine kleine und eine grös­sere Form. Während der Berner Kanarienvogel im gleichnamigen Kanton ab 1880 durch Züchter gezielt geformt wurde, entstand der Fife Fancy 1957 bei Züchtern in der schottischen Grafschaft Fife. Insbesondere Walter Lumsden aus Krikcaldy tat sich in der Erzüchtung dieser Rasse hervor, der vorher aber ein eingefleischter Border-Züchter war. 

Es sei auch als kleiner Züchter möglich, befriedigende Resultate mit seinen Nachzuchten an Ausstellungen zu erzielen, sagt Pierre-André Chassot. «Mit drei bis vier Paaren ist eine Kanarienvogelzucht bereits gut aufgestellt.» Idealerweise sollten vier Zuchtkäfige sowie eine Voliere für die Jungvögel vorhanden sein. Es gibt auch Zuchtkäfige, die mit Schiebewänden unterteilt werden können. Ausserhalb der Zuchtzeit, wenn die Schieber entfernt sind, haben die Vögel drei Meter lange Käfige, wo sie fliegen können. 

Vor der Zucht, die meist im März beginnt, sollten die Geschlechter separiert werden. Die Männchen sollten anschliessend zu den einzeln sitzenden Weibchen gesetzt werden. Ein idealer Zeitpunkt für die Vergesellschaftung der Geschlechter ist, wenn das Weibchen bereits mit dem Nestbau begonnen hat. Nester werden mit Sisal- oder Kokosfasern gebaut. Förderlich ist aber auch, wenn man Moos zur Verfügung stellt. Der Handel bietet Nisthilfen wie Plastikkörbchen oder halb offene Nischen an, die von aussen an die Käfige gesetzt werden können. Die Aufzucht junger Kanarienvögel aus nächster Nähe zu verfolgen, ist ein besonderes Erlebnis.