Wie man in Internetvideos von Cesar Millan sehen kann, verwendete er darin Methoden, die gemäss Schweizer Gesetz klar verboten sind, so beispielsweise Würge-, Stachel- und Elektroschockhalsband, Tritte und Schläge. Legitimiert wird dieses Vorgehen mit überholten Theorien der Rudelführerschaft des Menschen über den Hund. Diese Methoden, die auch andere Trainer als Millan anwenden, sind nicht nur unethisch, sondern entsprechen auch nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft. John Bradshaw fasst die neusten Erkenntnisse in seinem lesenswerten Buch «Hundeverstand» zusammen. 

Im Folgenden einige Gedanken zu häufig gehörten Argumenten, warum es doch gerechtfertigt sei, Hunde zu würgen, zu treten und so weiter.

«Das sind alles besonders schlimme Fälle –
es handelt sich um Hunde, die sonst
eingeschläfert werden müssten»

Unter Schmerz und Angst lernen auch Hunde schlecht bis gar nicht (von Ethik ganz zu schweigen) und schwerste Verhaltensstörungen lassen sich nonaversiv therapieren (die in der Sendung gezeigten Fälle sind nicht speziell «schlimm»). Das hat nichts mit verhätscheln zu tun, sondern ist angewandte Lerntheorie und Ethologie und wird unterstützt von allen grossen Fachorganisationen, Wissenschaftlern und unzähligen praktischen Trainern. Ein Zitat der promovierten Biologin, Dozentin und Trainerin Ute Blaschke-Berthold: «Wer behauptet, dass dieses oder jenes Verhalten nur über Strafe zu erreichen ist, sagt nichts über den Hund, sondern erst mal nur was über seine eigenen Fähigkeiten aus.» 

Gerade Aggressionen, deren Ursache meist Ängste sind, kann man nicht wegstrafen. Man kann mit Einschüchterung, Würgen oder Treten ein Verhalten im Moment unterdrücken, Ängste werden dadurch nicht abgebaut. Millan nennt sein Trainingsziel «entspannte Unterwerfung», aber die Körpersprache zeigt apathische, häufig hochgradig gestresste Hunde, die angststarr sind, sich gar aufgegeben haben, was man dann erlernte Hilflosigkeit nennt, ein psychologisches Phänomen, wenn ein Tier sich in einer völlig auswegslosen Situation aufgibt. Für einen Laien sieht es aus, wie wenn es «funktionieren» würde. 

Ein kompetenter Trainer will keinen fletschenden Hund, den er bestrafen kann, sondern er konfrontiert den Hund mit dem auslösenden Reiz, jedoch in abgeschwächter Form (z.B. anderer Hund auf grösserer Distanz). Der Hund wird für ruhiges Verhalten in dieser Situation belohnt und der Reiz langsam gesteigert (systematisches Desensibilisieren), bis der Hund auch beim ursprünglichen Reiz keine Angst oder Aggression mehr zeigt. Ein seriöser Trainer arbeitet zudem mit einem Tierarzt zusammen, um medizinische Ursachen auszuschliessen. 

«Millan arbeitet nur mit
solchen Hilfsmitteln, wenn sie
schon da sind»

Es ist die Aufgabe des Trainers, dem Besitzer klarzumachen, warum man keine Metallstacheln in den Hund bohren soll. Millan selber hat ausserdem ein Würgehalsband entwickelt, das den Hund an der schmerzempfindlichsten Stelle würgt.

«Das ist kein Schlagen, sondern
 Anstupsen – das ist kein aggressives, sondern
ein entschlossenes Vorgehen»

Die TV-Show ist professionell gemacht und überzeugt den Laien, dass die Hunde «geheilt» seien. Ohne Ton schauend und auf die Körpersprache achtend, sieht man, dass die Hunde das sehr wohl als Gewalt erleben. Ich bin sicher, wenn man ein Kind an die Stelle des Hundes setzen würde, wäre jedem klar, dass so etwas nicht geht. Obwohl eine Einblendung im Bild erscheint, man solle das nicht nachmachen, wird das getan. Dadurch kann es zu gefährlichen Situationen kommen. In einem Video mit Labrador Holly ignorierte Millan alle deutlichen Beschwichtigungs- und Drohsignale und bedrohte den Hund, bis dieser biss, worauf er sagte, das habe er nicht kommen sehen. 

«Man darf Hunde nicht vermenschlichen –
da Hunde untereinander ruppig sein können,
darf man sie härter anfassen»

Hunde empfinden Schmerz und Angst; sie sind Säugetiere wie wir Menschen auch. Darum ist es keine Vermenschlichung, Methoden abzulehnen, die vor 50 Jahren auch in der Kindererziehung noch akzeptiert waren. Es ist vielmehr eine Vermenschlichung anzunehmen, man könne einen aggressiven Hund bestrafen und er würde dadurch lernen, was er «falsch» gemacht hat. Die betreffenden Trainer «verwolfen» den Hund, indem sie überholte Theorien über (Gehege-)Wölfe einfach auf Hunde übertragen und dadurch Gewalt legitimieren. Nonaversives Training ist nicht «antiautoritär» oder «verhätschelnd», man kann dem Hund Grenzen setzen ohne Gewalt oder Einschüchterung. Nur weil manche Hunde manchmal ruppig miteinander umgehen, heisst das nicht, dass wir mit ihnen unsanft sein sollen. Wenn unser Kind ein anderes schlägt, schlagen wir auch nicht zurück. 

Ich glaube, dass Millan Hunde mag und er überzeugt ist, dass diese «Disziplin» nötig ist. Anscheinend hat er es als Kind auch so erlebt. Wie schön wäre es, wenn er über diesen Schatten springen würde – das bräuchte viel Courage! 

*Bettina Stemmler ist diplomierte tierpsychologische Beraterin I.E.T., zertifizierte Hundeinstruktorin HIK-1 und internationale Hundetrainerin Rugaas 

Die «Tierwelt» hat im Vorfeld seiner Show in Zürich mit Cesar Millan gesprochen. Das Interview lesen Sie hier.