«Wir haben auch schon Hagel erlebt, aber nicht so – es war wie Kanonenfeuer», erzählt Stefan Krähenbühl vom Hof am Murtensee in Greng im Kanton Freiburg. Innert kürzester Zeit sei alles weiss gewesen und wie im Winter hätte man Schnee räumen können. «Wir haben unsere Tiere in den Stall getrieben, Kühe und Kälber sind durchgedreht und waren voller Panik», sagt er weiter. Normalerweise sei der Hagel vorbei, bevor man auch nur eine Kuh im Stall habe – diesmal habe es aber eine Viertelstunde lang gehagelt. An ein ähnlich intensives Hagelunwetter könne er sich nicht erinnern.

Ein Juni voller Gewitter
Das besagte Hagelgewitter hat sich bereits am 4. Juni ereignet. Darauf folgten aber weitere, die über die Schweiz und die benachbarten Länder hinwegfegten und grosse Schäden anrichteten – das letzte Anfang Woche. «Wir haben am 3. und 4. Juni Süsskartoffeln gesetzt, haben Pflanzgut für 35’000 Franken vergraben und nach getaner Arbeit hat uns das Unwetter das halbe Pflanzgut kaputt gemacht», sagt Stefan Krähenbühl.

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Wenn er allerdings die Schäden des jüngsten Hagelgewitters bei anderen Landwirtinnen und Landwirten sehe, löse das bei ihm die grösste Betroffenheit aus. Seine Kartoffeln und Kunstwiese hätten sich mittlerweile zu rund 80 Prozent wieder erholt und er könne ernten. Andere hätten da weniger Glück gehabt: «Was sich Anfang Woche zwischen dem Neuenburgersee und dem Emmental sowie von der Zentralschweiz bis in die Ostschweiz abgespielt hat, war noch schlimmer – da gibt es Bäuerinnen und Bauern die haben einen Totalschaden und gar keine Ernte mehr.»

Bei den Kartoffeln hat das Unwetter von Montag denn auch das Hauptanbaugebiet getroffen. Von Freiburg über Bern bis in den Aargau und auch die Ostschweiz, sagt Ruedi Fischer, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten. «Und weil es immer noch nass ist, verschärft sich der Druck – Kraut- und Knollenfäule haben perfekte Bedingungen», erklärt er. Wer noch Kulturen hat, muss diesen nun besonders Sorge tragen: «Damit die verletzten Pflanzen nicht vollends verfaulen, muss man sie schützen», erklärt Ruedi Fischer.

Schwieriger Pflanzenschutz
Der Pflanzenschutz werde nun zur Herausforderung, sagt auch Stefan Krähenbühl: «Da wir als Biobetrieb nur mit Kontaktfungiziden kombiniert mit Homöopathie und anderen alternativen Unterstützungsmitteln arbeiten, müssen wir nun fahren, fahren, fahren.» Leider helfe das Wetter nach wie vor nicht mit und die Befahrbarkeit der Äcker und Felder sei ein Problem. Wenn es so nass ist, ist es kaum möglich mit Maschinen ins Feld zu fahren, das schadet dem Boden und den Kulturen allenfalls noch mehr. Trotzdem müsse er jetzt immer, wenn irgendwie möglich, aufs Feld fahren, um die Pflanzenschutzmittel auszubringen, erklärt er weiter. Pro Woche koste ihn den Pflanzenschutz aktuell rund 3’000 Franken.

Auch im Ackerbau habe es generell viel verhagelt und verschwemmt, hat Ruedi Fischer beobachtet: «Die Bauern in der Region machen sich Gedanken, wie sie nächsten Winter zu Futter kommen.» Zwar könne man noch Futtermais nachsäen, es sei aber bereits sehr spät für diese Kultur und es seien massiv weniger Erträge zu erwarten. Es könnte zu mehr Futterimporten kommen, was aber generell schwierig werden könnte, da auch die Landwirtschaft der benachbarten Länder hohe Unwetterschäden zu beklagen hat.

Zu kleine Kartoffeln
«In zehn Minuten hat uns der Hagel einen Schaden von rund 50’000 Franken beschert – mit den Folgekosten und Folgeschäden kann sich das aber noch bis gegen 100’000 Franken steigern», erzählt Stefan Krähenbühl. Natürlich gebe es die Hagelversicherung: Die übernehme aber nicht alles und gerade noch junge Kulturen, die noch am Anfang standen, hätten einen kleineren Wert. Bei den erntereifen Frühkartoffeln hat der Hagel das Kraut abgeschlagen, folglich gab es einen Wachstumsstopp und bei den jüngeren Kulturen hat die Blattmasse Schaden genommen. «Es wächst nicht mehr so weiter wie bisher und es fehlt an Assimilationsfläche – so gibt es nun 20 bis 30 Prozent weniger Ertrag», sagt Stefan Krähenbühl.

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Gerade für die Kartoffeln könnte es schwierig werden: Die Kartoffelproduzenten müssten damit rechnen, dass es Neuaustriebe gibt. «Es gibt eine zweite Genration Kartoffeln und diese zweite Generation bremst das Wachstum der eigentlich zur Ernte gedachten ersten Generation und beeinflusst zusätzlich Backtest und Stärke», bestätigt Ruedi Fischer. Es sind also deutlich kleinere Kartoffeln zu erwarten.

Leere Zwiebellager
Bei den Süsskartoffeln kann Stefan Krähenbühl mit Setzlingen von Restposten aus der ganzen Region die Löcher noch füllen. Das zusätzliche Pflanzgut und das Aufstocken des Personals, um diese Setzlinge nun in Handarbeit mit den kaputten zu ersetzen, machen aber erneut Druck auf das Portemonnaie. Ganz viele Leute seien sich nicht bewusst, mit welchen Beträgen Landwirte arbeiten, meint Stefan Krähenbühl und veranschaulicht mit einem Beispiel: «Ein Kollege von mir hat einen Lagerneubau für Zwiebeln, der noch nicht abgeschrieben ist. Nach dem Unwetter gibt es keine Zwiebeln, um das Lager zu füllen. Das ist wie eine Mietwohnung die leer steht, man muss es als Bauer also quasi finanziell vermögen, dass eine Mietwohnung für eine ganze Saison leer steht.»

Dann sei da noch die Personalproblematik: Weniger Ernte, bedeutet auch weniger Bedarf an Erntehelfer. Die Erntehelfer sind aber nicht angereist, um nun keine Arbeit vorzufinden und wieder nach Hause zu reisen. Auch sie haben bereits Auslagen gehabt und nicht selten wartet zuhause jemand auf dringend benötigtes Geld.

Moral nicht verlieren
Nach dem Frost kam der Hagel – der Klimawandel hat dieses Jahr bereits mehrmals die Zähne gezeigt. Die CO2-Abstimmung ginge nach diesen Unwettern ganz anders über die Bühne, ist Stefan Krähenbühl überzeugt. Beim Klima sei man irgendwie machtlos, bei anderen Sorgen oder Problemen habe man die Veränderung selber in der Hand. Trotzdem, als Bauer müsse man unbedingt wieder aufstehen können: «Auch wenn 10 bis 20 Prozent des Jahresumsatzes weg sind, müssen wir liquid sein für nächstes Jahr, um im November wieder Pflanzgut bestellen zu können. Das Portemonnaie muss stimmen, die Buchhaltung muss stimmen und wir müssen auch im Kopf bereit sein.» Neben der Liquidität und der sozialen Verantwortung dem Personal gegenüber dürfe man die Moral nicht vernachlässigen. Die Bäuerinnen und Bauern seien aber hart im Nehmen – aufgeben sei keine Option.