In der Hühnerzucht gebe es eine weltweite Übereinstimmung, schreibt der deutsche Geflügelexperte Carl Engelmann in «Vererbungsgrundlagen und Zuchtmethoden beim Geflügel». Ein fast dreihundert Seiten dickes Buch, in dem es nur um die richtige Verpaarung des Geflügels geht. Auf die Eizahl, die Eimasse und die Widerstandsfähigkeit der Hennen komme es zum Beispiel bei den Legerassen an. 

Das Buch ist bereits 40 Jahre alt – und die «Legemaschinen» haben sich bis heute sehr weit entwickelt. Zwar kann ein Huhn nicht zwei Eier am Tag legen, denn die Produktion eines Eis dauert 24 Stunden. Dafür wurde die Legeleistung für die ersten Lebensmonate optimiert. Ist diese vorbei, lohnt sich die Haltung wirtschaftlich aber nicht mehr. Die Mastfähigkeit und Futterverwertung künftiger Poulets wurde ebenfalls züchterisch optimiert, sodass diese bereits wenige Wochen nach der Geburt geschlachtet werden können.

Standard ist die Richtschnur
Bei den Rassegeflügelzüchtern steht nicht die wirtschaftliche Entwicklung im Vordergrund. Es geht ihnen um die «Musterbeschreibung», die einst von den Erzüchtern einer Rasse formuliert wurde. Im Zuge der Globalisierung wurden auch die Standardbeschreibungen der einzelnen Rassen, die je nach Land etwas anders sein konnten, vermehrt miteinander verglichen und vereinheitlicht. Dank diesem Vorgehen gleichen sich zum Beispiel Italienerhühner mittlerweile in den meisten Ländern in Kontinentaleuropa.

Der «Rassegeflügelstandard für Europa» ist in Entstehung. Laufend werden zusätzliche Rassen integriert. Das Werk hat bereits Gültigkeit in der Schweiz und in Deutschland. Ausserhalb Europas sieht es anders aus. Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass Wyandotten in Deutschland dadurch ganz anders weitergezüchtet werden als in Amerika. Womöglich wird diese stark unterschiedliche Zuchtrichtung einst in zwei eigenen Rassen enden. Und doch ist es in den meisten anderen Fällen gelungen, sich über die Jahre hinweg auf eine Zuchtrichtung zu einigen. 

Bei der Musterbeschreibung liegt das Augenmerk hauptsächlich auf der Körperform. Doch auch die Farbenpracht und Zeichnung des Gefieders sind wichtige Punkte. Ein Kopf mit schön gezacktem Kamm und ein stabiler Skelettaufbau ohne Deformationen sind die Grundlage für ein Zuchttier.

Forschung ziemlich einseitig
Die Rassegeflügelzucht wird in Kleingärten, Siedlungen oder auf ausgemusterten Höfen von Hühnerfans betrieben. Die Zuchtziele umfassen vor allem die Vererbung und Erhaltung der Schönheit einer Rasse und, eher zweitrangig, die Leistungsfähigkeit. Aus genetischer Sicht geht es bei der Verpaarung also darum, die vorhandenen typischen und gewünschten Eigenschaften und Merkmale auf die Nachkommen zu übertragen. Zum Beispiel die Feinheiten eines geperlten Rosenkamms oder die exakte Zeichnung des Federkleids. Was alles andere als einfach ist, denn während die Vererbung wirtschaftlicher Eigenschaften wie Legeleistung viel mehr erforscht ist, fehlt diese Forschung bezüglich der äusseren Merkmale.

Um für die Wirtschaftsgeflügelzucht eine grosse Masse von gleichen und möglichst leistungsfähigen Tieren zu erhalten, werden «Hybriden» erschaffen. Das sind Kreuzungen zweier Inzuchtlinien. Dabei entstehen Jungtiere, die leistungsfähiger, vitaler, grösser und widerstandsfähiger sind als ihre Elterntiere. Man spricht von Heterosiseffekt. Würde man jedoch die Tiere aus dieser ersten Generation wieder miteinander kreuzen, so entstünden keine Hochleistungsmaschinen mehr. 

In der Rassegeflügelzucht gibt es verschiedene Varianten der Vermehrung. Zum einen die Reinzucht, bei der Angehörige derselben Rasse und desselben Farbenschlags miteinander gekreuzt werden. Zum anderen das Kreuzen, wenn also Tiere verschiedener Rassen, aber auch Tiere gleicher Rasse, aber unterschiedlichen Farbenschlags gekreuzt werden. 

Bei den Hobbyzüchtern erfolgt meist eine Verpaarung mit Auslese. Dabei werden vorher Tiere mit groben Fehlern separiert, damit es von ihnen keine Nachzucht gibt. Bei den Eigenschaften des Hahnes wird besonders gut hingeschaut, weil sich seine Merkmale auf alle Nachkommen vererben: Jene der Henne nur auf das von ihr gelegte Ei. Gemäss Geflügelexperte Carl Engelmann wird oftmals der Althahn durch dessen besten Sohn ersetzt. Dadurch entstehen mit den Jahren einheitlichere Nachkommen. 

Das Problem mit den Blau-Gesäumten
Solange keine fremden Tiere eingekreuzt werden, handelt es sich hierbei um eine «geschlossene Zucht», weil alle Angehörigen vom selben Stamm kommen. Damit die Nachkommen keine Inzuchtschäden bekommen, sollten Geschwisterpaarungen laut Engelmann vermieden werden. Die Ausgangstiere sollten nie mehr als 50 Prozent Blut des anderen Partners in sich tragen.

Die Gruppenzucht ist eine andere Form der gezielten Vermehrung seiner Hühner. Dazu braucht es jedoch einen grösseren Tierbestand. Das Ziel ist es, sich in den verschiedenen Gruppen auf spezielle Merkmale zu fokussieren. In einer Gruppe werden Nachkommen mit guter Legeleistung gezüchtet; in einer zweiten steht die Eiergrösse im Vordergrund; und in einer dritten wird auf die Körperform geachtet. Die Zuchtziele werden dabei Jahr für Jahr gleich gelassen. 

Ein ganz anderer Ansatz ist die Paarung von einem bestimmten Hahn mit einer einzelnen Henne. Ähnlich wie bei der Gruppenzucht wird hier ebenfalls auf ein Ziel hingearbeitet und beobachtet, ob sich dieses bei den Nachkommen einstellt. 

Die erwähnten Methoden sind auf alle Rassen und Farbenschläge anwendbar. Bei Farbenschlägen, die sich nicht rein vererben, zum Beispiel beim blau-gesäumten, ist das Züchten schon etwas schwieriger, denn in diesem Fall sind nicht alle Jungtiere gleich gefärbt wie deren Eltern. Nur die Hälfte trägt die blau gesäumte Farbe. Ein Viertel der Nachkommen trägt dagegen ein schwarzes Gefieder und ein Viertel ein weisses mit vereinzelt schwarzen Federn. Wieso dies so ist und welche Paarungsmöglichkeiten es gibt, wird in zahlreichen Fachbüchern der Geflügelliteratur für verschiedenste Farbenschläge beschrieben.