Die Schweiz ist ein Land der Farbentauben. Spätestens wenn man sich die Anzahl der heimischen Rassen ansieht, die zu dieser Gruppe gezählt werden, ist das klar. Da fallen die drei Formentaubenrassen kaum ins Gewicht. Auch von der Zahl der ausgestellten Tiere. Schon immer gab es aber auch geradezu fanatische Züchter anderer Taubenrassen in der Schweiz. Zu ihnen gehörte auch Martin Glauser aus Rubigen BE. Neben seinen sehr seltenen braunen und schwarzen Berner Weissschwänzen, die er in Weissbindig und Weissgeschuppt züchtete, hatte er eine besondere Vorliebe für Kröpfer. 

Schon lange gibt es sogar den Sonderverein Kröpfer Schweiz, der sich ganz der vielen Rassen dieser Gruppe angenommen hat. Die Anzahl an Kropftaubenrassen ist dabei vielfältig. Da gibt es drei verschiedene Grössen, glattfüssige und belatschte Rassen, sogar welche mit Kopfstruktur und unterschiedlicher Ausprägung des Blaswerks, wie der mit Luft gefüllte Kropf von Züchtern genannt wird.

Theorie viel einfacher als Praxis
Man sollte also denken, dass hier jeder die Erfüllung seiner Ideale finden könnte. Dennoch gab es schon immer Menschen, die Freude am besonderen züchterischen Gestalten und an neuen Rassen haben. Glauser jedenfalls hatte sich zum Ziel gesetzt, eine neue schweizerische Kropftaube zu erzüchten. Sie sollte dabei nicht den Namen eines bestimmten Kantons tragen, wie man das von den Farbentauben her kennt, sondern schlicht und einfach Schweizer Kröpfer heissen.

In der Theorie sind solche Vorhaben meistens sehr schnell umgesetzt. Schliesslich wissen die Züchter genau, wie die neue Rasse aussehen soll. Vor den Erfolg haben die Götter aber den Schweiss gesetzt. Denn es ist nicht so, dass man einfach zwei Rassen miteinander kreuzt und die neue Rasse ist entstanden. Zahlreiche Zuchtpaare mit vielen Nachzuchttieren, eine strikte Selektion, Kenntnisse der Vererbung und eine gehörige Portion Glück gehören dazu, will man ein solches Unterfangen zum Erfolg führen.

Glauser nahm das alles auf sich. Das Ziel hatte er schnell umrissen. Es sollte eine mittelgrosse Kropftaubenrasse sein, die das typische Wesen und Verhalten zeigen und dabei die zarte Farbgebung samt Spitzkappe aufweisen sollte. Die farbliche Vorlage und Kreuzungspartner waren bindige Thurgauer Mehlfarbige. Sie zeigen das in der Schweiz so beliebte feine Farbenspiel mit zartester Farb­gebung und dazu eine hoch sitzende Spitzkappe. 

Auf der anderen Seite wurden Thüringer Kröpfer verwendet. Sie zeigen in etwa die gewünschte Figur und auch schon eine Spitzkappe. Diese hat aber die Besonderheit, dass sich im Nacken ein rassentypischer Knick zeigen muss und sie bei Weitem nicht so scharf gezirkelt ist. Das konnte bei einem Schweizer Kröpfer nicht durchgehen, da der Kopf der Schweizer Farbentaube das grosse Vorbild ist.

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Gemönchte brachten den Durchbruch
Das Erreichen der Spitzkappe war also nicht das grösste Problem und auch die mehllichte Farbe mit Ockerbrust setzte sich relativ schnell durch, obwohl die letzte farbliche Feinheit noch nicht gegeben war. Die grössten Schwierigkeiten machten das Blaswerk und das kröpfertypische Wesen. Gerade Kropftauben sind nämlich sehr zahm, sie spielen mit ihrem Züchter regelrecht und zeigen ihr Blaswerk sehr gerne. Die Thurgauer Mehlfarbigen sind dagegen nicht zahm, und deren Wesen setzte sich hartnäckig durch. 

Lange Zeit war es deshalb fast unvorstellbar, dass die neu erzüchteten Schweizer Kröpfer ihr Blaswerk zeigten. Am ehesten noch zu Hause im heimischen Schlag. Bei Ausstellungen beziehungsweise gegenüber fremden Personen war dieses Verhalten nur ansatzweise vorhanden. Ausserdem machte die gewünschte dunkle Augenfarbe noch Probleme. Das orangerote Auge der einfarbigen Thüringer Kröpfer setzte sich gegen das dunkle Auge der Thurgauer durch. Jeder, der sich schon einmal mit diesem Aspekt der Taubenzucht beschäftigt hat, weiss, wie schwierig sich das gestaltet. 

Der eingeschlagene Weg war also auf diese Weise kaum zu erreichen. Glauser griff deshalb auf gemönchte Thüringer Kröpfer zurück, sodass dieses Zeichnungsbild in die Rasse kam. Durch das weisse Kopfgefieder war dann auch das dunkle Auge sofort da. Und bezüglich der weissen Schwingen wurde der Spielraum wahrscheinlich bewusst weiter gewählt. Heute dürfen jedenfalls sieben bis zwölf Schwingen weiss sein. Die Hereinnahme der Gemönchten jedenfalls war für die neue Rasse der Durchbruch. Das hat sogar dazu geführt, dass die Einfarbigen nur noch auf dem Papier existieren. Dabei wäre dies ein exklusives Merkmal des Schweizer Kröpfers gewesen. 

Bezüglich der Farbenschlagvielfalt hat sich aber vieles getan. Waren am Anfang nur Mehlfarbene angedacht, sind auch sie eigentlich verschwunden. Die Mehrzahl der gezeigten Schweizer Kröpfer ist heute fast ausnahmslos gelbfahl oder auch rotfahl. Eben jene Farbenschläge, die auch beim gemönchten Thüringer Kröpfer mit am häufigsten sind. 

Durch diese rassische Nähe muss auf das charakteristische Äussere des Schweizer Kröpfers besonders viel Wert gelegt werden. Als problematisch hat sich dabei erwiesen, dass die Schweiz kein Kröpferland ist. Es war fast unmöglich, neue Züchter für die Rasse zu finden. Erschwerend kam hinzu, dass sie bis heute im Wesen noch lebhafter und «wilder» als ein klassischer Kröpfer ist. 

Auch in Deutschland anerkannt
Ein riesiger Schritt für die Rasse war, als sie auch in Deutschland anerkannt wurde, wenn auch zunächst nur in zwei Farbenschlägen. Dort ist eine grössere Züchterbasis – auch für Kröpfer – vorhanden. Ausserdem wird im nördlichen Nachbarland in der Regel im grös­seren Rahmen gezüchtet. Das hatte zur Folge, dass die Rasse in ihren Merkmalen innerhalb kürzerer Zeit erhebliche Schritte in die richtige Richtung getan hat.

Wie es aussieht, scheint der Schweizer Kröpfer das Tal als absolute Seltenheit durchschritten zu haben. Bei der Nationalen Taubenausstellung in Langenthal BE waren 23 Schweizer Kröpfer in sechs Farbenschlägen zu sehen. Das war die bisher umfangreichste Präsentation der Rasse. Langenthal war also das richtige Schaufenster für diese jüngste Schweizer Taubenrasse. Martin Glauser, der in diesem Jahr verstorbene Erzüchter des Schweizer Kröpfers, hätte daran bestimmt seine Freude gehabt.