Kaum sind die Ausstellungen vorbei, beginnen für die meisten Rassetauben-Züchter die Vorbereitungen für das Anpaaren. Es werden die Ausstellungsresultate analysiert, verglichen und die Zuchtzuverlässigkeit des letzten Jahres der Alttiere in Betracht gezogen. Es stellt sich immer wieder die Frage neu, wie viele Jungtauben kann und möchte man in seine bewährte Zucht einbauen?

Um die Zucht noch zu verbessern oder zu festigen, ist es unumgänglich, alljährlich Jungtiere in die Zucht zu integrieren. Dabei spielt bei der Verpaarung nebst dem Erscheinungsbild (Phänotyp) auch die Abstammung eine wesentliche Rolle. Stimmt die Zuchtzuverlässigkeit, ist der Verwandtschaftsgrad nicht zu eng, kann die Linienzucht eingehalten werden, sind die Zuchttiere in guter Zuchtkondition, stimmt die Schlageinrichtung und stimmen auch die Temperaturen? Das alles sind Faktoren, die es für eine erfolgreiche Anfangszucht zu beachten gilt.

Es ist für mich jedes Frühjahr eine neue Herausforderung, meine über 30-jährige Wiener-Tümmler-Zucht in Gang zu bringen. Nachdem ich meine Tauben seit dem Herbst getrennt gehalten hatte, ist das Anpaaren von besonderer Bedeutung. Für meine 25 Zuchtpaare in fünf verschiedenen Farbenschlägen habe ich drei Zuchtschläge zur Verfügung. Zuerst setze ich die bewährten Altpaare in ihre geschlossene Nistzelle. Nun gebe ich den Jungtauben vom letzten Jahr ihre Partner und Zellen.

Nach ein bis zwei Tagen öffne ich bereits den Neuankömmlingen erstmals ihre Zellentüre und beobachte genau, was nun passiert. Für diese Phase braucht es unbedingt meine Anwesenheit. Denn es ist entscheidend, dass neu eingesetzte Tauben ihren Partner und die Nistzelle kennen. Fliegen sie falsch an oder kommt es zu Streitereien, schreite ich sofort, aber zugleich möglichst unauffällig und ohne Hast ein.

Hat einmal ein junger Täuber eine ihm nicht zugeteilte Zelle erobert, ist es schwer, ihm diese wieder wegzunehmen. Allmählich werden immer mehr Zellen geöffnet. Bei Alttieren funktioniert die gewollte Schlaggemeinschaft meistens auf Anhieb. Stellt aber ein Alttäuber einen nicht sicheren Schlagbewohner neben sich fest, versucht dieser sofort, dessen Zelle zu erobern. Da ist wiederum die Züchterhand gefragt.

Paarkonstellationen zu ändern, ist kaum mehr möglich
Von meinen fünf Farbenschlägen sind die Schwarzen die temperamentvollsten und meiner Meinung nach auch die intelligentesten. Sie sind sehr schnell einzugewöhnen und kennen ihre zugeteilte Zelle in sehr kurzer Zeit. Hat ein schwarzer Täuber einmal seine Zelle erobert, wird sie um keinen Preis mehr hergegeben. Trotz ihres überschäumenden Temperaments fliegen meine Schwarzen beim Betreten des Schlages ohne «Panik» in ihre Zelle und verharren dort. Dieses Verhalten zieht sich während der ganzen Zuchtsaison hin. Einmal verpaarte Wiener Tümmler sind im selben Zuchtschlag nicht mehr umzupaaren. Diese Versuche habe ich schon längst aufgegeben. Es braucht mehrere Zuchtschläge, um Umpaarungen von Alttauben vorzunehmen.

Triebhafte Täuber sollten beschäftigt werden, um Gezänk zu vermeiden
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Täuber bereits nach dem Öffnen der Zuchtzellen Nistmaterial eintragen. Diesen Trieb sollte man unbedingt fördern. Denn mit dem Einfliegen von Nistmaterial beginnt die eigentliche Brutzeit und dieser Umstand trägt viel zum sozialen Frieden im Schlag bei. Dies gilt vor allem bei Volierenhaltung. Es ist sehr wichtig, dass die triebhaften Täuber beschäftigt werden und damit zänkische Nebenbeschäftigungen meiden.

Schon oft habe ich Zuchtpaare verkauft, aber danach kaum einmal Jungtiere von diesen gesehen. Bei gelegentlichem Nachfragen kam oft die Antwort, dass in ihrem Zuchtschlag ein Chaos herrsche. Jungtiere seien nur sehr wenige oder überhaupt nicht gezogen worden. Dabei komme ich zur Erkenntnis, dass für den Beginn der Zuchtsaison unbedingt die häufige Anwesenheit des Züchters im oder vor dem Zuchtschlag erforderlich ist. Mit etwas Erfahrung kann aber auch dies sehr gut gelingen.