Ein kahler Volierenboden, vielleicht ein dürrer Tannenzweig in der Ecke. So sollte ein Lebensraum für die Chinesischen Zwergwachteln nicht aussehen. Bei der Züchterin Cynthia Nupnau im thurgauischen Biessenhofen steht den kleinen Hühnervögeln das Gegenteil zur Verfügung: Ein gut strukturierter Lebensraum. Die junge Frau hat sich auf die Haltung und Zucht der kleinen Federbälle spezialisiert. Sie pflegt die Art in verschiedenen Mutationen in vier überdachten Aussenvolieren sowie in Innengehegen, die sie teilweise etagenweise angeordnet hat. Gemeinsam haben alle Volieren und Gehege  Unterschlupfmöglichkeiten, grüne Pflanzen, frische Äste, Sandbäder, Bereiche mit Rindenmulch, Steine.

Im Gegensatz dazu sieht man besonders in strukturarmen Volieren oft gerupfte Chinesische Zwergwachteln. «Sie rupfen sich, wenn sie einander nicht mögen oder aus Langeweile», sagt Nupnau. Sie hat vielschichtige Erfahrungen mit den kleinen Vögeln und fügt mit einem Lächeln an: «Manchmal rupfen sie einander auch, wenn sie nicht verliebt genug sind.» Solche Vögel müssten sofort getrennt werden, rät die 24-Jährige. «Wenn man lange nichts macht, dann bleibt das Fehlverhalten.» Zwergwachteln mit gerupften Gefiederpartien müssten einzeln gehalten werden, bis sie wieder voll befiedert seien. Erst dann könnten sie wieder verpaart werden.

Monogame Lebensweise
Gerade bei der Haltungsform kursieren viele falsche Vorstellungen. Nupnau rät, ein Paar zusammen zu halten. «Es sind zwar kleine Hühnervögel, doch sie sind wesentlich komplizierter als Hühner», sagt die Züchterin. Hühner leben in kleinen Gruppen zusammen mit einem Hahn, doch bei Zwergwachteln führe die Haltung von mehreren Weibchen mit einem Hahn zu Konkurrenzverhalten unter den Weibchen. «Ein Männchen hat immer ein Lieblingsweibchen.» Das könne zu Frustrationen bei den nicht Auserwählten führen. Obwohl es Leute gäbe, die Gruppen halten, findet Nupnau das schwierig. Sie stellt klar: «In der Natur leben sie monogam.»

Die Zwergwachtelliebhaberin hat vier gedeckte Aussenvolieren für je ein Paar dieser kleinsten Hühnervögel zur Verfügung. Sie sind ungefähr 1 × 2 × 1,5 Meter gross, Gräser und Kräuter bilden mit ihren Halmen und Stängeln Tunnel, durch welche die Wachteln schlüpfen. Das sind ähnliche Bedingungen, wie sie sie auch in ihrem riesigen Verbreitungsgebiet vorfinden, das sich von Vorderindien bis nach Australien erstreckt. Auch in der Natur scheinen Chinesische Zwergwachteln nur zu fliegen, wenn sie aus dichtem Unterbewuchs aufgeschreckt werden, doch über ihr Freileben ist vieles unbekannt. Viel mehr weiss man aus ihrer langen Haltungsgeschichte. Die Zwergwachteln sind bereits seit etwa 1794 in Menschenhand. 

Nupnau ist nicht nur aufgrund der Winzigkeit von diesen Wachteln fasziniert, sondern sie interessiert sich auch für die verschiedenen Farbenschläge. Nebst wildfarbigen Exemplaren züchtet sie Mutationen wie Silber, Rehbraun, Rotbrust dunkel und Falbe. Insgesamt leben bei ihr zwischen 14 und 18 Zuchtpaaren, teilweise auch in Innengehegen. Eine Lampe mit ultraviolettem Licht beleuchtet im Wechsel die aufeinander angeordneten Kistenkäfige, die sie als Landschaften gestaltet hat.

Hingebungsvolle Hähne
Die Wachtelspezialistin sagt, dass ein Paar, das gut miteinander auskomme, in einem Terrarium mit den ungefähren Massen von 1,50 × 80 × 50 Meter gehalten werden könne. «Ein Paar sollte nicht weniger als einen Quadratmeter Fläche zur Verfügung haben.» Nupnau empfiehlt als Einstreu Rindenmulch oder Hobelspäne. «Sand beginnt wegen den Exkrementen rasch zu stinken.» Besser sei, Sand in einer Schale zur Verfügung zu stellen. Unter einem Ast, einer Wurzel oder einem Unterstand würden Zwergwachtelhennen gerne ihre einfachen Nester bauen.

Nupnau beginnt im Mai mit der Zucht. Stimulierend würden sich die länger werdenden Tage und höhere Temperaturen auf die Zwergwachteln auswirken. Sie hält sie im Winter im Innenraum lediglich frostfrei. Es sei eine Freude, ein harmonierendes Paar zu beobachten. «Der Hahn kümmert sich hingebungsvoll um seine Henne und reicht ihr sogar Leckerbissen.» Würden sie getrennt, riefe der Hahn laut nach seiner Henne. Wenn die Henne ihren Hahn zur Paarung auffordere, würde sie einen zwitschernden Laut von sich geben und sich auf den Boden legen. Auch Hennen könnten rufen. 

Cynthia Nupnau betreibt auch die Kunstbrut. «Alleine mit der Naturbrut würde ich nicht vorankommen», sagt sie, die sich besonders auch für Farbenschläge interessiert. Wenn sie ein Ei sieht, nimmt sie es weg. Sie sammelt so während ungefähr 14 Tagen alle Eier und lagert sie mit dem spitzen Ende nach unten, bis sie sie dann gesamthaft in den Brutapparat legt. 17 Tage dauert die Inkubationszeit bei einer Temperatur von 38,3 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent. «Die Eier werden regelmässig gewendet.»

Beim Schlupf steigert Nupnau die Luftfeuchtigkeit auf 80 Prozent. Es schlüpft etwa die Hälfte der Embryonen. Sie installiert für die frisch geschlüpften Küken eine Wärmeplatte, einer Art Minitischchen, das in der Box steht und Wärme abstrahlt. Die Küken trippeln dann darunter. Sie werden während den ersten Tagen in der Wohnung gehalten und mit Wachtelkükenfutter ernährt, das einen hohen Proteingehalt hat.

Nach der fünften Woche trennen
«Bereits nach einer Woche sind sie schon nicht mehr so wärmebedürftig», erklärt Nupnau. Die Küken seien zuerst hummelgross, benötigten ab dem Alter von drei Wochen und einer Zimmertemperatur von 20 Grad keine Wärmequelle mehr, und im Alter von fünf Wochen seien sie voll befiedert.

Die Zwergwachtelzüchterin lässt aber auch die Weibchen Junge selber ausbrüten. «Ein Gelege besteht aus vier bis zwölf Eiern.» Normal seien etwa acht. Auch Zwergwachteln aus der Kunstbrut entwickeln sich zu guten Eltern. Nupnau musste schon bei Legenot eingreifen. «Ich konnte dann das Ei sachte ausmassieren», sagt die Tierkennerin. Sie hat auch eine Zwergwachtel selber von Hand aufgezogen. Der Vogel ist sehr zutraulich, lebt nun aber mit einem Artgenossen in einem grossen Terrarium. 

Jungvögel können bis ins Alter von fünf Wochen zusammengehalten werden. «Dann beginnen sie, einander zu jagen.» Würde Nupnau sie nicht trennen, würden sie mit dem Rupfen des Gefieders beginnen, denn sie werden bereits mit acht bis zwölf Wochen geschlechtsreif. Eine Chinesische Zwergwachtel kann bis zu zehn Jahre alt werden. Die Ernährung der lustigen und interessanten Zwergwachteln ist nicht kompliziert. Cynthia Nupnau reicht Wellensittichfutter und mischt Blaumohnsamen, Legewachtelfutter und getrocknete Kräuter darunter.

Als Leckerbissen reicht sie getrocknete Bachflohkrebse. Die Wachteln picken auch gerne an Gurke und verzehren die Blätter von Schönkraut (Golliwoog). Beim Gespräch mit Cynthia Nupnau wird klar, dass die Chinesischen Zwergwachteln eine Wissenschaft für sich sind, und zwar in unterschiedlichsten Belangen: Ob Verhalten, Brutbiologie oder Mutationszucht, Nupnau widmet sich allen Bereichen.