Fische sind keineswegs die stummen, kalten, empfindungslosen Lebewesen, für die man sie lange Zeit gehalten hat. In jüngerer Zeit haben Forscher gezeigt: Fische haben ein komplexes Sozialverhalten, kommunizieren unter Wasser mit Lauten und können sogar menschliche Gesichter unterscheiden (wir berichteten hier und hier). Tom Houslay und sein Team von der Universität Exeter in England haben nun in einem Experiment nachgewiesen, dass Fische auch verschiedene Persönlichkeiten haben.  

Die Forscher setzten Guppys verschiedenen Stresssituationen aus, um herauszufinden, wie die einzelnen Fische darauf reagierten. Erst wurden sie in ein neues, unbekanntes Aquarium versetzt, dann tauchte von oben der Schnabel eines Reihers ins Wasser. Dieser war nicht echt, sondern gehörte zu einer Gartenfigur, was die Guppys natürlich nicht wissen konnten. Und als ob das noch nicht genug wäre, versetzte auf der anderen Seite des Glases ein Guppy-fressender Buntbarsch die nur wenige Zentimeter grossen Fische in Angst und Schrecken. Jeder Fisch geriet achtmal innerhalb von einem Monat während 4,5 Minuten in eine Stresssituation – ganz so schlimm war es aber dann doch nicht.  

Angsthasen und Draufgänger
Tatsächlich zeigten sich individuelle Unterschiede im Verhalten der Fische: «In der unbekannten Umgebung versteckten sich einige, andere versuchte zu fliehen und wieder andere erkundeten vorsichtig ihr neues Aquarium», sagt Houslay in einer Mitteilung der Uni Exeter. Die Wissenschaftler hatten die Fische markiert und konnten sie so von einander unterscheiden. «Die Unterschiede im Verhalten blieben über die Zeit und in verschiedenen Situationen bestehen. Auch wenn alle Fische in gefährlicheren Situationen vorsichtiger waren, waren die individuellen Unterschiede noch vorhanden.» Alle Fische stammten von den gleichen Vorfahren ab und sind sind unter gleichen Bedingungen aufgewachsen, womit man Umweltfaktoren als Gründe für die Persönlichkeitsunterschiede ausschliessen kann. Wie es scheint, sind manche Fische einfach von Natur aus ängstlicher und manche sind mutiger.  

Für die Erkenntnisse, welche die Forscher am Sonntag im Fachjournal «Functional Ecology» veröffentlichten, mussten die armen Fischlein einiges mitmachen. Vielleicht können sie sich aber damit trösten, dass sie dazu beigetragen haben, das Leben von vielen ihrer Artgenossen ein bisschen besser zu machen. Guppys sind nämlich beliebte Zierfische, millionenfach schwimmen sie in Aquarien rund um den Globus herum – teilweise unter prekären Bedingungen, denn häufig kennen die Halter die Bedürfnisse ihrer Schützlinge nicht oder glauben, sie hätten gar keine. Sollte der Einsatz der Guppys aus Exeter dazu beitragen, dass Fische als sensible Wesen erkannt werden, mit Persönlichkeiten, die Angst und Neugierde zeigen, hat er sich schon gelohnt.