Tierwelt 10/2014
Du sollst nicht jagen!
Ein Hund, der sich auf dem Spaziergang immer wieder selbstständig macht und Wildfährten verfolgt, ist ein Ärgernis für den Besitzer und für die Wildtiere im Wald ein Alptraum. Können spezielle «Antijagdtrainings» helfen?
Kaum von der Leine, ist «Hera» weg. Vergessen sind die ausgiebigen Streicheleinheiten vom Vorabend und das gute Leckerli in Herrchens Hosentasche. Dessen laute Rufe verhallen ungehört im Wald. Der Hund hat sich verabschiedet und der Besitzer steht da – allein und mit der Leine in der Hand.
Ärgerlich, gefährlich, mühsam – oder alles zusammen? Iris Tonet führt die Hundeschule «Pfoten-Akademie» in Wangen bei Olten SO und meint dazu: «Unschön ist die geschilderte Situation alleweil – aber auch erklärbar: Für den Hund ist der Reiz des Wildes, dessen Geruch er in die Nase bekommen hat, in diesem Moment ungleich grösser als der Impuls, seinem Besitzer zu gehorchen. Daraus zu schliessen, dass jagende Hunde eine weniger starke Bindung zu ihrem Besitzer haben, wäre jedoch falsch.» Jagen, sagt Tonet, sei nun einmal ein angeborenes Verhalten des Hundes. Und Ursula Sulser von der Hundeschule «Lägernhof» in Wohlen AG ergänzt: «Ein häufiger Grund, weshalb der Hund im Wald einfach abhaut, ist auch der, dass er im Alltag nicht genügend ausgelastet ist oder er bereits selbstbelohnende Jagderfahrungen gesammelt hat.» Die beiden Fachfrauen sind sich einig: Egal, was die Gründe für das Jagdverhalten sind – «etwas dagegen unternehmen muss man als Besitzer auf jeden Fall».
Jagende Hunde sind ein Problem
Damit sprechen sie auch dem Jäger aus dem Herzen. Marc Beuchat ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für das Jagdhundewesen der SKG und dort für die Ausbildung der Jagdhunde zuständig. Er sagt: «Jagende respektive hetzende Hunde sind in der Natur tatsächlich ein zunehmendes Problem.» Durch die vermehrten Freizeitaktivitäten in den hiesigen, mit vielen Waldstrassen und Wanderwegen erschlossenen Wäldern habe das Wild immer weniger Ruhezonen und Deckungsmöglichkeiten. «Wenn es dann noch durch Hunde gestört und gehetzt wird, kann dies dramatische Folgen haben, von denen der Hundehalter oft gar nichts mitbekommt», sagt Beuchat.
Wer im Internet das Stichwort «Antijagdtraining» eingibt, findet eine Fülle von Informationen und Kurs-Angeboten. Wie funktioniert das genau? Claudia Moser vom «Clickerzentrum Schweiz», zu dessen Angebot ebenfalls Antijagdtrainings gehören, sagt: «Wir arbeiten mit verschiedenen Techniken. Dazu gehören das richtige Führen des Hundes an einer langen Schleppleine, Übungen zur Rückorientierung, sodass sich der Hund generell mehr auf den Besitzer fokussiert, ein sauberer Aufbau des Rückrufsignals, das auch unter Extrembedingungen funktionieren muss.»
Iris Tonet legt im Antijagdtraining grossen Wert auf Impulskontrolle, das Training des Blickkontaktes zwischen Hund und Hundeführer, den Aufbau eines Alternativverhaltens sowie ebenfalls auf den sicheren Rückruf. Tonet betont: «Das Ganze ist keine Husch-Husch-Behandlung.» Man muss das Training individuell auf den Hund anpassen, denn jagende Hunde sind in ihrem Jagdverhalten sehr unterschiedlich.» Sie arbeite auch gerne mit der Reizangel, einer Art Angelrute, an deren Ende ein Objekt befestigt ist, das der Hund verfolgen kann. Damit könne man jagdlich ambitionierte Vierbeiner gut auslasten und das Jagdverhalten unter Kontrolle bringen.
Zu den praktischen Arbeiten im Antijagdtraining von Ursula Sulser gehören etwa das Schleppleinentraining im Gelände oder verschiedene Übungen, die den Grundgehorsam des Hundes sowie den Respekt seinem Besitzer gegenüber verbessern. «Zudem traineren wir dem Hund ein Alternativ-Verhalten an.»
Gelerntes im Alltag umsetzen
Das tönt alles schön und gut. Nur: Funktioniert ein solches Antijagdtraining dann auch im Alltag? «Das hängt ganz vom Einsatz des Hundehalters ab. Die Trainingsstunden sind in erster Linie dazu da, um dem Besitzer aufzuzeigen, wie er sich in einer solchen Situation verhalten sollte – respektive, was er tun kann, um erst gar nicht in eine hineinzugeraten. Aber natürlich muss der Hundeführer dies im Alltag auch umsetzen können», sagt Ursula Sulser: Das bestätigt auch Claudia Moser: «In erster Linie müssen die Besitzer geschult und unterstützt werden, damit sie bei einem regelmässigen und gewissenhaften Training nach und nach ihren Hund immer besser kontrolllieren können – auch in Situationen, in denen er jagdlich motiviert ist.»
Und was hält der Jäger von Antijagdtrainings? Dazu Marc Beuchat: «Alle Bemühungen, die das Hetzen oder Jagen von Wild unterdrücken, sind grundsätzlich zu begrüssen.» Wichtig sei jedoch, dass mit den Massnahmen begonnen werde, bevor der Hund das Jagen gelernt habe: «Ein Hund, der schon mehrmals Gelegenheit zum Hetzen oder Jagen hatte, ist schwierig zu korrigieren.» Beuchats Tipp: Im Wald sollten die Hunde möglichst schon im Welpenalter die «Wegtreue» lernen. Das heisst, vereinfacht gesagt: «Alles, was links und rechts abseits vom Weg ist, ist ‹Pfui›.» Für Marc Beuchat ist aber klar: «Nützen alle Ausbildungs- und Korrekturmassnahmen nichts und ein Hund hetzt oder jagt immer wieder, so gehört er im Wald konsequent an die Leine. Das ist jeder Hundeführer der Natur und dem Wild schuldig.»
Diese Aussage würden auch die drei Hundetrainerinnen unterschreiben. Sie sind sich einig: «Es braucht sehr viel Geduld, Konsequenz und ein unermüdliches Training, um das Jagdverhalten des Hundes in kontrollierte Bahnen zu lenken.» Zentral dabei sei, dass der Hund im Alltag genügend gefordert und ausgelastet sei – «etwa, indem der Besitzer mit ihm in Fährtenarbeit, Mantrailing, Dummy-Training, Longieren oder was auch immer aktiv ist», so Claudia Moser. Und Ursula Sulser ergänzt: «Ein derart ausgelasteter Hund kommt weniger auf dumme Gedanken.»
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