Über 1,5 Millionen Katzen und mehr als eine halbe Million Hunde leben in der Schweiz. Doch viele Menschen mögen es exotischer. Sie halten Riesenschnecken, Chamäleons, Axolotl oder Äffchen (Seiten 14 bis 17) – oder noch aussergewöhnlichere Tiere. «Einmal fragte bei uns jemand an, wo man Löwenbabys herbekomme», sagt Martina Schybli vom Schweizer Tierschutz STS.

Allerdings blieb es in diesem Fall wohl beim Wunsch. Noch vor 20 Jahren habe man da und dort einen Geparden oder einen Tiger in Privathaltung gesehen, sagt Bruno Mainini, Leiter der Gruppe Artenschutz beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Doch Verschärfungen der Haltungsvorschriften hätten dazu geführt, dass Raubkatzen heute in der Schweiz praktisch nur noch von grossen, wissenschaftlich geführten Zoos gehalten würden.

Abgesehen davon aber sieht Mainini einen klaren Trend zu exotischen Haustieren. «Das widerspiegelt wahrscheinlich den Zeitgeist», sagt er. «Der Mensch will sein Umfeld beeindrucken – mit einer exklusiven Reise, einem teuren Auto oder eben einem ungewöhnlichen Haustier.» Ins gleiche Horn stösst Raphaela Lienert, Fachexpertin Tierschutz beim Veterinärdienst des Kantons Bern. «Wir hören bei Anfragen immer mal wieder den Ausspruch: Ich möchte ein Tier, das sonst niemand hat», sagt sie.

«Designschlangen» im Trend
Zahlenmässig ist dieser Trend schwierig zu erfassen. Zwar gibt es bei geschützten Arten eine Bewilligungspflicht, wobei Halter einen Sachkundenachweis erbringen müssen und je nach Art auch ein Gutachten über die Haltung erstellt wird. Diese Angaben werden aber von jedem Kanton einzeln gesammelt, zudem sagen sie noch nicht viel aus über die Anzahl gehaltener Tiere: Das einzelne Tier ist nämlich – ausser bei Hunden und Nutztieren – nicht registrierungspflichtig.

Einig sind sich die Experten, dass in den letzten 15 bis 20 Jahren die Reptilienhaltung einen Aufschwung erlebt hat – der STS geht momentan von ungefähr 300 000 Tieren in der Schweiz aus. Einen wichtigen Grund für die Beliebtheit der Echsen, Schlangen und Schildkröten sieht Martina Schybli im technischen Fortschritt. So seien unter anderem die Beleuchtungssysteme besser geworden und heute in den meisten Zoofachhandelsketten, Baumärkten und Onlineshops erhältlich, sagt sie.

Zu den am häufigsten gehaltenen Reptilien zählen Kornnattern und Königspythons. Am Beispiel Letzterer lasse sich das Bedürfnis nach Exotik schön aufzeigen, sagt Bruno Mainini. Bis vor einigen Jahren seien ausschliesslich wildfarbige Königspythons gehalten worden. «Nun aber geht der Trend Richtung Designschlangen.» Dabei handelt es sich um Züchtungen mit speziellen Farben und Mustern, sogenannte Morphen. «Auf einer Reptilienmesse in Deutschland habe ich Dutzende verschiedener Farbmorphen gesehen», sagt Mainini.

Die Modeströmung bestimmt 
Laut ihm können Reptilien durchaus auch unter harten Kerlen als Statussymbole dienen. Es gebe Hinweise darauf, dass sie in gewissen Szenen die Kampfhunde abgelöst hätten. «Man beeindruckt seine Kumpels nun mit einem grossen Grünen Leguan statt mit einem Pitbull.» Der Grund: Die Vorschriften für die Haltung von Kampfhunden sind in den letzten Jahren verschärft worden, die Bevölkerung schaut kritischer hin. Reptilien hingegen stinken nicht und machen keinen Lärm. «Es gab schon Hausdurchsuchungen, bei denen man auf mehrere Hundert Giftschlangen stiess», sagt Mainini.

Es gebe solche Fälle von unbewilligten Reptilienhaltungen, die aufgedeckt würden, sagt auch Raphaela Lienert. Allerdings beobachte sie, dass sich die Zahl der Reptilienhaltungen in letzter Zeit eingependelt habe. Gemäss Martina Schybli ist es schwierig, Aussagen zur Entwicklung der gesamtschweizerischen Reptilienpopulation zu machen. «Es gibt wohl immer Modeströmungen hin zu gewissen Tierarten, die sich dann wieder verlagern», sagt sie. Berühmte Beispiele sind die Schneeeulen, die sich nach den Harry-Potter-Filmen auch viele Schweizerinnen und Schweizer hätten anschaffen wollen oder die Anemonenfischchen, die der Animationsfilm «Findet Nemo» in Aquaristikfachgeschäften zum Kassenschlager machte. 

Was Reptilien betrifft, seien momentan öfter kleine Waran-Arten im Umlauf, sagt Schybli. Zudem scheine es einen Trend zu Insekten wie Ameisen oder Gottesanbeterinnen zu geben. «Und falls man bei den seltener gehaltenen Säugetieren von einem Trend reden will, geht er vermutlich hin zu Zwergschläfern, Weissbauchigeln, Tanreks, Gleithörnchen und vielleicht noch Wallabys.» Auch Bruno Mainini sieht in der Ameisenhaltung einen kommenden Trend. Zudem seien Winker- und andere Süsswasserkrabben im Kommen, sagt er.

Anspruchsvolle Haltung
Wer ein aussergewöhnliches Haustier sein Eigen nennt, erntet aber nicht in jedem Fall Anerkennung bei Freunden und Bekannten, sondern manchmal auch Kopfschütteln. Tatsächlich sieht der STS auch Gefahren bei der Haltung von exotischen Wildtieren. In der Regel sei deren Haltung wesentlich anspruchsvoller als die Haltung von Haustieren, sagt Martina Schybli. «Sie haben einen grös-seren Bewegungsdrang, spezielle Ansprüche ans Futter oder ans Klima: Die Gefahr von Haltungsfehlern ist grösser.»

Raphaela Lienert vom Veterinärdienst des Kantons Bern pflichtet bei. Gerade in der Reptilienhaltung gebe es grosse Mängel in der Haltung, sagt sie. Es sei wichtig, dass sich angehende Halter im Voraus informierten und sich die Frage stellten, ob sie dem Tier ein artgerechtes Leben bieten könnten. Bewilligungspflichten seien ein gutes Instrument, um dies zu gewährleisten, sagt sie. «Sie sorgen dafür, dass die Leute sich vor der Anschaffung mit den Haltungsfragen auseinandersetzen müssen.»

Bruno Mainini vom BLV warnt allerdings davor, die Haltung von aussergewöhnlichen Tierarten per se zu verurteilen. «Es ist grundsätzlich nicht schlechter, einen Python zu halten als ein Meerschweinchen.» Doch müsse alles stimmen, von der Herkunft über den Transport bis zur Haltung. «Wildfänge etwa sind durchaus möglich», sagt Mainini. «Wenn sie nachhaltig sind und Bestände nicht gefährden, haben sie sogar den Vorteil, dass sie ein Einkommen generieren für Menschen in armen Ländern.» Der Halter müsse sich seiner Verantwortung bewusst sein. «Ein exotisches Wildtier kann man nicht so einfach in ein Tierheim geben wie eine Katze, wenn man es satt hat.»