Wer es einmal erlebt hat, vergisst sie nie mehr: die Tage oder Wochen, in denen man nach der geliebten Katze suchte. Diese Ungewissheit, ob sie noch lebt, wenn ja, wie und wo – oder ob sie tot an einem Strassenrand liegt. Die schlaflosen Nächte, in denen man mit gespitzten Ohren im Bett liegt, um den Moment ja nicht zu verpassen, in dem die so sehnlich Vermisste durch die Katzenklappe ins Haus schlüpft. Die wachsende Verzweiflung, die schwindende Hoffnung. Und dann das Glücksgefühl, als das Büsi plötzlich wieder da war.

Ja, manchmal tauchen die so sehnlich Vermissten einfach wieder auf – und tun so, als ob sie nur gerade von einem üblichen Streifzug durchs Quartier kämen und dass sie jetzt bitte schön etwas zu futtern möchten. Meistens sehen sie denn auch ziemlich ausgehungert aus, und zerzaust obendrein. Aber es gibt durchaus auch Heimkehrer mit gepflegtem Fell und wohlgenährtem Körper, was auf einen länger dauernden «Seitensprung» bei einem anderen Menschen hinweist. Tatsächlich erfährt ein Halter selten, wo seine Katze die ganze Zeit gesteckt und was sie alles erlebt hat. 

Ärger im Revier oder daheim
Vielleicht war sie in einem Keller eingesperrt und konnte erst wieder raus, als jemand diesen Keller aufschloss. Möglicherweise ist sie in ein offenes Auto gehüpft und, als sie vom Fahrer bemerkt wurde, weit ausserhalb ihres Reviers rausgeschmissen worden. Oder hat sie einfach Zeit und Raum vergessen und sich verlaufen?  «Dass sich eine Katze verläuft, ist eher unwahrscheinlich», sagt Barbara Fehlbaum, Präsidentin des ­Berufsverbands der tier­psychologischen Berater VIETA. Aber es gebe, ausser dem klassischen irgendwo Eingesperrtsein, weitere unzählige Gründe für das Verschwinden einer Katze.

Manchmal habe es mit einem Missbehagen in ihrer Umgebung, in ihrem Zuhause zu tun. Dass sie beispielsweise zu wenig Aufmerksamkeit erhält, oder zu viel davon. «Auch das gibt’s: Katzen, die es nicht mögen, häufig angefasst oder getragen zu werden – die das als aufdringlich empfinden.» Möglicherweise sind es auch Veränderungen, mit denen die Katze nicht oder nur schlecht zurechtkommt: ein neuer Wohnort, ein Kind ist dazugekommen oder ein neues Haustier. «Es gibt immer wieder Menschen, die sich eine zweite Katze oder einen Hund zulegen und nicht darüber nachdenken, was das für die bisher einzige Katze im Haus bedeutet und wie sie die Tiere aufeinander vorbereiten können.» 

Es muss aber nicht einmal ein anderes Tier im eigenen Haus sein, auch ein drangsalierender Artgenosse im Revier kann dazu führen, dass sich eine Katze davonmacht. Sie suche sich nicht wie ein Mensch überlegt und gezielt ein neues Zuhause, sagt Fehlbaum, «aber wenn an einem anderen Ort zwei, drei Aspekte für die Katze stimmen – ein Mensch, der sie aufnimmt und füttert, freundliche Artgenossen, ein spannendes Revier – dann kann es sein, dass sie sich dort niederlässt.» 

Bewegungsradius ist gross 
Dass eine Katze hin und wieder ein paar Tage wegbleibt, ist gemäss Fehlbaum allerdings nicht ungewöhnlich. Denn: Untersuchungen, bei denen man Katzen mit Kameras ausstattete, hätten gezeigt, dass der Bewegungsradius einer Katze viel grösser ist, als die meisten ihrer Halter annehmen. «Zuweilen erstreckt er sich über mehrere Kilometer.» Deshalb empfiehlt die Tierpsychologin, dementsprechend weiträumig nach der verschwundenen Katze zu suchen. «Und unbedingt suchen.» Denn die Katze könnte sich in einer misslichen Lage befinden – in einem Keller eingesperrt sein oder sich verletzt in ein Gebüsch zurückgezogen haben. Man dürfe sich nicht einfach darauf verlassen, dass sie von alleine wieder nach Hause komme. Besonders jetzt, wo die Tage und Nächte wieder wärmer sind und viele Kellerfenster und Gartenschuppen offen stehen, nimmt die Gefahr zu, dass eine neugierige Katze irgendwo einsteigt und dann eingeschlossen wird.

Das zeigt sich auch bei der Schweizerischen Tiermeldezentrale (STMZ), der grössten Datenbank für vermisste Tiere in der Schweiz – wo Katzen zwischen 80 und 90 Prozent aller Vermisstmeldungen ausmachen. Der Meldungseingang sei sehr wetterabhängig, sagt Geschäftsführer Hanns Fricker. «Ist es nass und kalt, bleiben auch Katzen lieber zu Hause, ist es dagegen sonnig und warm …» Und warm war es oft in diesem Frühling.

40 Prozent kommen alleine wieder zurück
So erstaunt nicht, dass Ende April bei der STMZ über 1900 Katzen als vermisst gemeldet waren – weit mehr als im Juni 2014, dem Monat, den Fricker mit 1239 Vermisstmeldungen als den «traurigen Höhepunkt des vergangenen Jahres» bezeichnet, im ganzen Jahr waren es 10 149. Rund 6000 Katzen wurden als aufgefunden gemeldet, was aber nicht heisst, dass diese beiden Zahlen direkt miteinander vergleichbar sind. Denn zum einen werden längst nicht alle Findelkatzen von jemandem vermisst, zum anderen kommen gemäss Fricker etwa 40 Prozent der gesuchten Tiere innerhalb der ersten vier Wochen von alleine zurück. «Und die werden natürlich nicht in den Fundmeldungen erfasst.» 

Klar, die stehen dann einfach plötzlich maunzend wieder da und wollen etwas zu futtern – und danach gerne etwas Ruhe. Sie haben schliesslich ein paar Abenteuer hinter sich, von denen sie sich erholen müssen. Was ihre Halter durchgemacht haben, spielt nun keine Rolle mehr.

Katze weg, was tun?

Zunächst: Keine Panik und die Hoffnung auf ein Wiedersehen nicht verlieren, denn Katzen können manchmal für ein paar Tage verschwinden. Dennoch unbedingt Suche starten!

- Die Nachbarschaft bitten, in ihren Kellern, Gartenschuppen etc. nachzusehen. Katzen schlüpfen manchmal unbemerkt durch offen stehende Fenster oder Türen rein und werden dann unabsichtlich eingeschlossen.

- Bei der Schweizerischen Tiermeldezentrale (STMZ) eine Vermisstmeldung aufgeben: www.stmz.ch oder Tel. 0900 357 358. Diese wird automatisch an die kantonalen Meldestellen weitergeleitet, ebenso mit den Fundmeldungen verglichen. Es gibt aber auch noch andere Plattformen für vermisste Tiere, z. B. www.tierdatenbank.ch oder www.katzenliebhaber.ch. Je mehr Meldungen, desto besser – aber bitte die Meldungen rückgängig machen, wenn das Büsi wieder da ist!

- Suchplakate mit Bild und Kontaktangabe aufhängen. Manche Meldestellen wie die STMZ bieten Vorlagen, die direkt heruntergeladen und ausgedruckt werden können. Aber Achtung: Grundsätzlich ist «wildes Plakatieren» nicht erlaubt. Deshalb Haus- und Ladenbesitzer, allenfalls auch bei der Gemeinde, vor dem Aufhängen fragen. 

- Bei Polizei, Tierärzten, Tierheimen und Kadaversammelstellen nachfragen. 

- Eventuell Inserate schalten in lokalen Zeitungen und bei Radiostationen.

Empfehlenswert: Katze chippen! Die Registration hilft, die Suche zu verkürzen.