Die Redewendung «sich die Wunden lecken» kommt nicht von ungefähr: Hunde lecken instinktiv die eigenen, aber auch infizierte Körperstellen am Menschen ab. Die damit verbundene Idee der heilenden Wirkung des Hundespeichels hält sich bis heute. Fakt ist: Schon Anfang des 20. Jahrhunderts hatten die Forscher B. L. Hart und K. L. Powell von der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Kalifornien herausgefunden, dass der Speichel von Hunden eine Infektion durch bestimmte Bakterien verhindern kann. So werden Bakterien in der Wunde durch den Speichel stark verdünnt und zum Grossteil herausgeleckt. 

Auch Jörg Jores von der Universität Bern weiss um die antibakteriellen Komponenten des Hundespeichels. «Im Speichel ist Lysozym enthalten, das bestimmte Bakterien wie Staphylokokken und Streptokokken angreift. Ausserdem finden wir dort Immunglobuline, also Antikörper, die eine wichtige Rolle in der Abwehr von Erregern spielen», erklärt der Leiter des Instituts für Veterinärbakteriologie. 

Mikroorganismen ändern sich ständig

Den oft strengen Geruch blendeten unsere mittelalterlichen Ahnen wohl einfach aus. «Zahnstein, Infekte im Rachenraum oder organische Beschwerden wie die der Niere können Anlass für schlecht riechenden Hundespeichel und -atem sein», sagt Jores. Die Normalflora der im Speichel vorhandenen Bakterien verursacht keinen unangenehmen Geruch. Welche Bakterien dies sein können, sei schwer zu sagen. Man wisse nur, dass es eine unglaublich grosse Menge an Bakterien im Hundespeichel gebe, schätzungsweise mehrere Millionen. «Nur von den wenigsten wissen wir, wie wir sie kultivieren können.» 

Die Quellen der Bakterien sind hingegen bekannt. Laut Jores gibt es eine starke Übertragung von Bakterien durch die Hündin auf die Welpen. Zudem kommen zahlreiche Bakterien durch Nahrung, Umgebung und natürlich auch Krankheiten in den Speichel. In ihrer Zusammensetzung ändern sich die sogenannten Mikrobiome (Gesamtheit der angesiedelten Bakterien und anderer Mikroorganismen) ständig: Der Hund trinkt, frisst, leckt sich oder schleckt etwas ab und schon ist das Mikrobiom anders. «Auch Antibiotika, Futterumstellung, Artgenossen und Veränderungen in der Umgebung spielen hier eine Rolle», so Jores. Wenngleich die meisten der Bakterien unschädlich sind, so können ebenfalls Infektionen auslösende Bakterien den Hundespeichel besiedeln. «Da der Hund sich mit seiner Körperpflege befasst, die Körperteile von anderen beleckt, kann man zeitweise Bakterien wie E. coli im Speichel finden.» Escherichia coli kann zu Magen-Darm-Grippe oder Harnwegsinfektionen führen.

Gefährlich, aber kein Grund zur Panik

Trotz antibakterieller und wundheilender Komponenten warnt Jores vor den Gefahren, die im Hundespeichel lauern können. Auch resistente Bakterien könnten sich dort befinden, die bei einer Übertragung für den Menschen zum Problem werden können. Ebenfalls sei die Übertragung von Tollwutviren in gewissen Gegenden noch immer ein wichtiges Thema – wenn auch nicht in der Schweiz. 

Ein bestimmtes Bakterium kann auch bei uns gefährlich werden: Infiziert sich der Mensch mit einem «Hundebiss» (Capnocytophaga canimorsus), kann es zu einer sich rasch ausbreitenden Blutvergiftung kommen. «Über ein Viertel aller Hunde trägt dieses Bakterium im Speichel.» Der Veterinärbakteriologe rät daher zur Vorsicht. «Bakterien wie diese können über offene Wunden durch den Speichel übertragen werden.» 

Grund zur Panik besteht allerdings nicht. Jores wird sich – wie viele andere Hundebesitzer – weiterhin von seinem geliebten Vierbeiner freudig abschlabbern lassen. Allerdings rät er älteren und abwehrgeschwächten Personen dringend davon ab, sich von einem Hund abschlecken zu lassen. Bei diesen könne ein solcher Erreger verheerende Folgen haben. Und grundsätzlich solle man sich nicht Wunden von Hunden lecken lassen.