Es waren Könige und Prinzen, Fürsten und Grafen, die als Erstes mehr im Hund sahen als nur den nützlichen Helfer. Die Adligen des 19. Jahrhunderts begannen sich mit ihren Hunden zu schmücken, verwandelten sie in Statussymbole. So war es nur eine Frage der Zeit, bis in England die ersten Rassenstandards festgelegt wurden und mit dem «Kennel Club» der erste Verein entstand. Obwohl mittlerweile rund 150 Jahre vergangen sind, scheiden sich noch immer die Geister darüber, ob es eine gute Idee war. 

Die Hauptkontroverse ist dabei meistens die Frage: Was ist wichtiger, das Wohl der Tiere oder der Geschmack der Menschen? Generell versuchen Züchter, die besten Gene der Tiere miteinander zu kombinieren, um optimale Ergebnisse zu erhalten. Oft werden Hunde ohne Papiere oder Mischlinge daher als minderwertig angesehen. Doch tatsächlich ist es so, dass es gewisse Rassen gibt, die mit Einschränkungen gezüchtet wurden oder immer noch werden. 

Und das hat Folgen: Hunde achten stark auf Mimik und Gestik ihres Gegenübers, deuten die Ruten- und die Körperhaltung und interpretieren beispielsweise eine gerümpfte Schnauze und aufgestellte Ohren mit einer Drohung. Schlappohren wie der Dackel sie hat, sieht man die Angriffslust daher nicht so leicht an, der Mops wirkt dagegen immer recht unfreundlich. 

Krankheiten und Defekte nehmen zu
Noch schwieriger wird es etwa beim wuscheligen Bobtail, dessen langes Fell fast jede hundische Kommunikation unmöglich macht. Rute und Läufe sind hier kaum sichtbar, sodass dementsprechend auch Beschwichtigungsgesten wie der eingezogene Schwanz und das Pfötchenheben schnell übersehen werden. Ausserdem kann man an den Augen der Vierbeiner ihre Stimmung ablesen. Ob traurig, ängstlich oder glücklich, der Blick in die Augen verrät es – falls möglich. Beim Bobtail wird auch das schwierig. 

Darüber hinaus können einige angezüchtete Merkmale auch enorme gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Bleiben wir beim Mops. Das wichtigste Organ des Hundes ist bekannterweise die Schnauze, sein Geruchssinn ist eine Million Mal besser als der menschliche. Er liest damit die Bäume im Wald so wie unsereins die Zeitung, wittert Gefahren und spürt Beute auf. Um möglichst viele Duftmoleküle aufzunehmen, sollte das Naseninnere entsprechend grossflächig sein. Nicht verwunderlich also, dass die Wölfe als Vorfahren der Hunde einem Schäferhund mit einer langen Schnauze mehr ähneln als einem kurzschnäuzigen Mops. Letzterer leidet vor allem an den missgebildeten Nasenmuscheln, die ihm immense Atemprobleme verursachen. 

Aus diesen und anderen Gründen stellen Fachleute wie etwa der Kynologe und Autor Hellmuth Wachtel die Hundezucht immer wieder infrage. In verschiedenen Medienberichten fragte er, ob es sinnvoll sei, einen bestimmten und als perfekt geltenden Rüden immer wieder zur Zucht einzusetzen. Ob man so tatsächlich die Erbkrankheiten ausmerzen und einwandfreie Hunde hervorbringen könne. Also das Beste mit dem Besten kombinieren, ist es so einfach? Seiner Meinung nach nicht. «In den letzten Jahrzehnten kam es zu einer Zunahme von Defekten und Krankheiten», sagte er. Die mittlerweile bekannten 400 Erbkrankheiten sind laut dem Österreicher die Folge von jahrzehntelanger Linienzucht (Inzucht), Überverwendung einzelner Rüden und ungenügender Selektion auf die Gesundheit. 

Yvonne Jaussi, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft SKG sieht das anders: «Es ist zwar richtig, dass man bei Hunden etwa 400 Erbkrankheiten kennt. Die Zahl relativiert sich jedoch, wenn sie mit den rund  4000 Erbkrankheiten, die beim Menschen bekannt sind, verglichen wird. Mit unseren besseren Diagnostikmöglichkeiten und den grossen Fortschritten in der Molekulargenetik wurden Krankheiten und Genveränderungen entdeckt, die früher nicht nachgewiesen werden konnten.» Dennoch sagt sie, dass es durchaus Sinn mache, den Zuchteinsatz von Rüden zu beschränken, «bis man genügend gesicherte Resultate erhalten hat, um je nach Gesundheit und Wesen seiner Nachkommen über den weiteren Einsatz zu entscheiden.» Ausserdem sei sehr enge Inzucht wie beispielsweise die Paarung von Vater- und Tochtertieren bei den meisten Rassen heutzutage sowieso verboten. Verschiedene Dachverbände wie die Fédération Cynologique Internationale, kurz FCI, stehen dafür sowie für das allgemeine Wohlergehen der Rassehunde gerade. 

Aber hat nicht die Natur die sexuelle Fortpflanzung geschaffen, damit sich nicht verwandte Individuen paaren und so eine genetische Vielfalt garantieren? Eine Vielfalt, die für Gesundheit und Widerstandsfähigkeit steht? Doch auch bei Mischlingen gibt es keine Gewähr dafür. Wer kennt schon immer die Elterntiere des niedlichen Welpen, weiss welche Defekte sie haben und in welchem Verhältnis sie zueinander standen. Vielleicht waren es ja auch Geschwister? 

Bei Mischlingen gibt es keine Vorsorge
Auch die vielen wissenschaftlichen Studien helfen bei der Entscheidung, ob Mischling oder Rassehund nicht unbedingt weiter. Viele kommen zu dem Schluss, dass beide unter denselben Erbkrankheiten leiden, was vor allem für derart häufige Defekte wie die Hüftgelenksdysplasie (HD) gilt. «Der Grund liegt darin, dass eine grosse Anzahl von Mutationen im Hundegenom bereits vorhanden waren, bevor mit der Reinzucht von Rassehunden begonnen wurde», erklärt Jaussi. So könne ein Mischling ebenso kerngesund oder krank sein wie sein reinrassiges Pendant. Doch im Unterschied zur Rassenzucht, gäbe es bei Mischlingen keine gezielten Vorsorgeuntersuchungen. «Ein Mischling wird erst dann untersucht, wenn er gesundheitliche Probleme hat. Ansonsten gilt er als gesund, ohne dass es explizit nachgewiesen wird.» Mit kranken Hunden würde dagegen erst gar nicht gezüchtet.

Natürlich steht dem gegenüber wieder die Definition von krank. Ist es etwa gesund, wenn Hunde schlecht riechen oder nicht miteinander kommunizieren können? Betrachtet man allerdings die Lage bezüglich der «offiziellen» Erbkrankheiten, bekommt die SKG Rückendeckung aus Wien. Die dortige Universität hat über 5300 Krankenakten von Rasse- und Mischlingshunden ausgewertet und sagt: Eine geringere Chance auf HD, Gastritis und Co. hätten Mischlinge nicht – eine höhere aber auch nicht. 

Dennoch kamen auch die Wiener ebenso wie einige andere Untersuchungen zu dem Befund, dass Mischlinge älter werden. Das könnte aber daran liegen, dass sie häufiger kastriert werden und kastrierte Hunde leben in der Regel länger. Was auch immer der Grund ist: Im Schnitt werden Mischlinge ein bis zwei Jahre älter als Rassehunde.