Mit einer Petition versuchen Tomi Tomek und ihre Partnerin Elisabeth Djordjevic, das Problem der immer grösser werdenden Population obdachloser Katzen in der Schweiz in den Griff zu bekommen. Sie fordern eine obligatorische Kastration und Sterilisation der Tiere und arbeiten in diesem Anliegen mit Gleichgesinnten aus Frankreich zusammen, welche das Problem der herumstreunenden Katzen in ganz Europa lösen wollen. Tomek und Djordjevic leben auf einem Bauernhof in Neuenburg, einem Asyl für herrenlose Katzen. Die beiden Frauen setzen sich unermüdlich für die Samtpfoten ein: Mit einer zweiten Petition möchten sie ein Verbot der Jagd auf verwahrloste Katzen erreichen. «Wir haben inzwischen 42 000 Unterschriften zusammen und sind zuversichtlich, dass das Parlament die Petition diesen Frühling behandeln wird», sagt Tomek. 

Die Zeit drängt: Nicht nur Tomek und Djordjevic geht langsam der Platz aus – Tierheime im ganzen Land klagen, sie hätten keine Unterkunftsmöglichkeiten mehr. Allein im Jahr 2011 mussten die Tierheime der Schweizer Tierschutz-Sektionen über 12 000 Katzen aufnehmen. Ehemalige Hauskatzen, die in die Wildnis geraten, vermehren sich mit unglaublicher Geschwindigkeit völlig unkontrolliert. Ein Weibchen hat zwei Mal pro Jahr Junge, pro Wurf bringt es fünf bis sieben Kleine zur Welt. Eine Rechung der Tierschutzorganisation Vier Pfoten illustriert: Aus 12 Katzen werden theoretisch innert zehn Jahren 80 Millionen. 

Verwilderte Katzen gefährden junge Hasen und bodenbrütende Vögel
Bislang gab es nur eine Art, auf verwilderte Katzen zu reagieren: «Streunende Katzen müssen getötet werden», sagt Reinhard Schnidrig, Chef Sektion Jagd, Wildtiere und Waldbiodiversität des Bundesamts für Umwelt (BAFU). Verwilderte Hauskatzen hätten in unseren Bergen und Wäldern nichts zu suchen. Laut Jagdschutzverordnung aus dem Jahr 1986 haben Jäger das Recht, verwilderte Katzen zu erschiessen, sollten diese mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen 200 Meter weit vom nächsten Wohnhaus entfernt sein. Tierfreunde entsetzt dieses Gesetz, da sie der Meinung sind, kein Jäger könne aus Distanz erkennen, ob eine Katze herrenlos sei. «Gerade seit viele Katzen gechipt sind und keine Halsbänder mehr tragen, ist das kaum mehr zu entscheiden», sagt Tomek. Sie sieht ihre Meinung darin bestätigt, dass immer wieder versehentlich Samtpfoten erschossen würden, die sehr wohl ein Zuhause hätten.

Jäger widersprechen diesen Vorwürfen vehement: Reto Amstad, Jäger aus Pfungen, weiss wie heikel das Thema ist: «Ich würde nie einfach ein Büsi schiessen. Aber ich sehe einer Katze an ihrem Verhalten sehr wohl auch aus der Distanz an, ob sie in Ordnung ist.» Hans-Peter Egli, Präsident von Jagd Schweiz, ist gleicher Meinung und fügt hinzu: «Ich sehe doch, wenn immer die gleiche Katze weitab von einer Siedlung in meinem Gebiet herumstreunt und Junghasen sowie Bodenbrüter gefährdet. Dann weiss ich, dass ich handeln muss.» Ein Jäger darf selber über einen Abschuss entscheiden. Amstad und die meisten seiner Kollegen schiessen nur in den seltensten Fällen auf Katzen, wie er sagt. «Der Gesetzesartikel lässt uns zum Glück beide Varianten offen, also müssen wir nicht töten und tun es in der Regel auch nicht.»

Wie viele Katzen in der Schweiz geschossen werden, weiss niemand
Leider gibt es kaum Zahlen zu diesem Thema. Weder weiss man, wie gross die Population der Streuner ist, noch wie viele wirklich geschossen werden. Aus verschiedenen erschienenen Artikeln zum Thema lässt sich grob zusammenrechnen, dass pro Kanton jährlich zwischen eine bis zwanzig Katzen geschossen werden. Wie viele davon allerdings zu Recht geschossen werden, ist wiederum unbekannt.

Seit Jahrzehnten streiten Befürworter und Gegner über die Jagd auf herrenlose Katzen, die in unseren Wäldern und Wiesen herumstreunen. Was tun die armen Büsis denn schon, das einen Abschuss rechtfertigt, klagen Katzenschützer. Die Befürworter der Jagd meinen: eine ganze Menge. Verwilderte Katzen bedrohen die einheimische Wildkatze durch eine Vermischung des Erbgutes, sie übertragen Krankheiten und jagen Vögel, Feldhasen und Reptilien in grossen Ausmassen. Das gefährdet das Ökosystem in den Wäldern. Dagegen helfe auch Kastrieren und Sterilisieren nicht, da diese Katzen weiterhin Vögel, Nager und Echsen jagen. Der bekannte Fernsehbiologe Andreas Moser kritisierte aus genau diesem Grund die Kastrations-Petition in der Presse. Und er wirft die Frage auf: Was ist aus tierethischer Sicht mehr Wert, dreissig Vögel oder eine Katze? 

Dass die Kastration und Sterilisation eine wirksame Alternative zum Abschuss ist, zeigt Belgien. Dort konnte man mit einer durchgreifenden, landesweiten Kastrations- und Sterilisation-Aktion die unkontrollierte Zunahme der Streunerkatzen in den Griff bekommen. 

Natürlich stellt sich die Frage: Wer bezahlt das? Eine Kastration kostet rund 160 Franken. In Belgien und auch Österreich sind Katzenhalter dazu verpflichtet, ihre Katzen, die Zugang zum Freien haben, kastrieren zu lassen. In der Schweiz gibt es nur einzelne Personen und Organisationen, die sich mit viel Engagement für die Kastration und Sterilisation der Katzen einsetzen und dies oft aus eigener Tasche bezahlen. Countrysängerin Suzanne Klee fängt in ihrem Wohnort in Hallau SG streunende Haustiger mit einer Falle. Da Streunerkatzen meist zurückgezogen leben und sehr menschenscheu sind, bedeutet ein Aufenthalt an einem Ort, den sie nicht kennen und aus dem sie nicht entkommen können, enormen Stress. Klee setzt deshalb auf die «Catch – Castrate – Release»-Methode (einfangen – kastrieren – aussetzen). «Wenn sie kastriert sind, setze ich die Katzen in ihrer vertrauten Umgebung wieder aus.» 

Auch die bekannte Tierschützerin Suzy Utzinger setzt auf Kastration als Mittel gegen die explodierende Katzenpopulation in der Schweiz. Mit privaten Tierfreunden fängt sie Katzen ein und lässt sie bei Tiermedizinern kastrieren, die Utzingers Stiftung speziell niedrige Tarife anbieten. Ausserdem unterstützt sie Kastrations-Projekte von Drittpersonen mit Knowhow und finanziellen Mitteln. Der Schweizer Tierschutz stellt jedes Jahr eine Viertelmillion Franken für landesweite Kastrationsaktionen bei Katzen zur Verfügung. Seit 15 Jahren kastrieren der Tierschutz und seine Sektionen so jährlich bis zu 10 000 Katzen. Anscheinend mit Erfolg: Auf seiner Homepage frohlockt der Schweizer Tierschutz. Bereits nach einer kurzen Zeit von 3 Jahren zeigten sich die ersten Erfolge dieser Kastrationsaktionen. In den meisten Kantonen der Schweiz sei ein Rückgang der überzähligen und verwilderten Katzen zu verzeichnen.