Aus dem Stand auf das Klavier springen, sich senkrecht den Baum hinaufhangeln, kühn über eine Stuhllehne gehängt liegen, auf dem Pfosten eines Zauns bequem sitzen oder über das Treppengeländer balancieren. Das alles macht unsere Hauskatze ohne die geringste Anstrengung. Immer wieder lösen solche Kunststücke schiere Bewunderung bei uns Menschen aus. Nur schon das Benutzen des Katzentürchens ist eine akrobatische Übung für sich. Es lohnt sich, das einmal genauer zu hinterfragen.

Das wichtigste Instrument für den Haustiger sind seine starken Hinterbeine. Aus der Hocke heraus schnellt der Körper wie ein Katapult und erlaubt es der Katze, auf alle Seiten zu springen. So überwindet sie mit reiner Muskelkraft bis zu zwei Meter oder mit einem Satz das Fünffache der eigenen Körperlänge.

Bei halsbrecherischen Sprüngen besonders wichtig ist die genaue Avisierung des Ziels. Also das visuelle Erfassen. Das Gesichtsfeld einer Katze ist erheblich grösser als das eines Menschen oder auch eines Hundes. Daraus erklärt sich ihre Fähigkeit, Entfernungen exakt abzuschätzen. Auch die Nachtsicht ist viel besser. Grund dafür ist der besondere Aufbau des Katzenauges mit einer reflektierenden Schicht an der Augenrückseite, durch die kleinste Lichtmengen gespiegelt und im Auge mehrfach verstärkt werden. Deshalb leuchten Katzen- und übrigens auch Hundeaugen bei Dunkelheit, wenn sie von einem Lichtstrahl getroffen werden.

Die Tasthaare spielen eine wichtige Rolle
Wenn möglich, versucht die Katze nach einem Sprung mit allen vier Pfoten aufzusetzen. Nur so kann sie ihr Stabilisierungsinstrument einsetzen – den Schwanz. Er erlaubt es dem Tier, flink dünne Äste, Treppengeländer oder Zäune entlangzubalancieren oder den Satz auf einen Zaunpfosten abzufangen. Ebenfalls zu Hilfe kommt der Katze ihr Gleichgewichtsorgan – wie beim Menschen befindet es sich im Innenohr, ist aber weitaus besser in seiner Funktionsweise.

Genauso wichtig für die geschmeidige Fortbewegung sind die ausgeprägten Tasthaare an der Schnauze und oberhalb der Augen. Auch an den Ohren, am Kinn und den Beinen sind weniger auffällige Tasthaare vorhanden. Deren Wurzeln liegen drei Mal tiefer in der Haut verankert als die Wurzeln anderer Körperhaare und sind verbunden mit Nervenenden, die Signale direkt ins Gehirn weiterleiten. Die Tasthaare ermöglichen es der Katze etwa, flink über einen gedeckten Tisch zu tänzeln, ohne dabei etwas umzustossen oder in etwas reinzustapfen. Besonders in der Dunkelheit sind die Tasthaare wertvoll für den Stubentiger und ergänzen seine ohnehin schon perfekte Nachtsicht.

So gut Katzen beim Hinaufklettern sind, so schlecht sind sie, wenn es wieder runtergehen soll. Nicht umsonst muss die Feuerwehr immer wieder ausrücken, um sie aus Bäumen zu retten. Das liegt daran, dass Samtpfoten nicht rückwärtsgehen können. Sie müssen kopfüber runter, und das ist oft einfacher gesagt als getan. Die nach hinten gebogenen Krallen bieten auf dem Rückweg nicht mehr den grandiosen Halt, den sie beim Raufgehen boten und es der Katze erlauben, sich mehrere Meter einen nackten Baumstamm hinaufzuhangeln.

Während die Krallen beim Klettern als Steigeisen helfen, sind sie beim Anschleichen eher hinderlich. Gut, dass die Katze ihre Krallen einziehen und sich auf ihren weichen Zehen federnd absolut geräuschlos fortbewegen kann. Im Gegensatz zum Hund, dessen Krallen ihn kratzend auf dem Boden ankündigen. Dabei nimmt die Katze auch über die Sohlen alles ganz genau wahr. Die Empfindlichkeit der Sohlen ist so gross, dass Katzen leichteste Erschütterungen wahrnehmen und etwa Erdbeben schon spüren, lange bevor der Mensch erste Bewegungen bemerkt.

Fällt die Katze aus geringer Höhe, ist das gefährlicher als von weiter oben
Immer wieder für Staunen sorgen Stürze aus grosser Höhe, die Katzen unbeschadet überstehen. Interessant: Stürze aus geringer Höhe sind gefährlicher als Stürze aus mehreren Metern Höhe. Das hat damit zu tun, dass sich die Katze im Fall auf den Aufprall vorbereitet. Das Gleichgewichtsorgan reagiert blitzschnell, damit sie auf allen Vieren landet. Mit ruderndem Schwanz und gestreckten Pfoten nützt die Katze den Luftwiderstand optimal. Ebenso wichtig sind das biegsame Rückgrat und das nur fragmentarisch vorhandene Schlüsselbein, die ein abfederndes Aufkommen garantieren.

Neben all diesen Vorteilen hat die Evolution der Katze aber doch eine kleine Einschränkung mitgegeben: Sie lebt sehr emotional und aus dem Augenblick heraus. Ein vorüberfliegender Vogel weckt ihren Jagd­instinkt und schon schiesst sie los – und wird dann etwa vom eigenen Körpergewicht über den Balkon hinausgerissen. Auch der Anblick eines Konkurrenten oder heftiges Erschrecken bringen eine Katze leicht aus ihrer sonst so sicheren Balance.

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Was Spiderman kann, machen Katzen schon lange.

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