Qualzucht bei Hunden und Katzen
Viele Rassen sind herzig und begehrt, aber krank
Kurze Nase, kurze Beine, kurzen oder keinen Schwanz und keine Haare – der Mensch hat gewissen Rassekatzen und -hunden Standards herausgezüchtet, die ihm gefallen. Doch sie können die Gesundheit und Lebensqualität der Vierbeiner bedrohen. Eine Übersicht.
Katzen und Hunde begleiten die Menschen seit über 2000 Jahren. Hunde bewachten Höfe, Schafe und Ziegen, stöberten bei der Jagd Wildtiere auf oder vertrieben auch Ungeziefer. Mitte des 19. Jahrhunderts rückte anstelle des Nutzens immer mehr das Aussehen der Hunde in den Vordergrund. Die moderne Rassezucht begann. Gleichzeitig fanden in Grossbritannien und in den USA bereits Katzenausstellungen statt. Die gezielte Zucht aber begann deutlich später als bei den Hunden. Rassekatzen etablierten sich ab 1950 vor allem in Nordamerika und Grossbritannien.
Wie den Hunden haben die Menschen den Katzen gewisse Merkmale angezüchtet, die sie krank machen. Der Volksmund spricht von Qualzucht – ein Begriff, der weder genau definiert ist noch in den Gesetzen auftaucht. Seit 2008 ist Qualzucht in der Schweiz verboten. «Das Züchten ist darauf auszurichten, gesunde Tiere zu erhalten, die frei von Eigenschaften und Merkmalen sind, mit denen ihre Würde missachtet wird», heisst es in Artikel 25 der Tierschutzverordnung.
«Das Züchten ist darauf auszurichten, gesunde Tiere zu erhalten.»
Verboten ist das Züchten von Tieren, bei denen damit gerechnet werden muss, dass erblich bedingt Körperteile oder Organe fehlen oder umgestaltet sind und dem Tier dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden entstehen. Gemäss einer Ergänzung von 2015 darf nicht mit Tieren gezüchtet werden, wenn ihre Nachkommen taub oder blind sein könnten. Ausdrücklich verbotene Zuchtformen sind Zwerghunde, die ausgewachsen weniger als 1500 Gramm wiegen, und Katzen, deren Vorderbeine extrem verkürzt sind (Känguru-Katzen).
Andere Merkmale von Extremzucht sind erlaubt. Schweizerinnen und Schweizer dürfen solche Katzen und Hunde züchten und halten. Aber vor dem Kauf sollten Interessierte sich genau informieren und nie Jungtiere aus dem Ausland holen, da sie oft illegal gehandelt werden und unbekannt ist, woher sie stammen. Deshalb: Wenn schon, dann zu einem Schweizer Züchtern gehen, auf die folgenden problematischen Merkmale achten sowie vom Züchter eine Beurteilung durch eine neutrale Tierärztin verlangen.
Kurzköpfigkeit
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Grosser, rundlicher Kopf, kräftige Backenpartie und eine kurze, breite Nase oder als Extremform eine Stupsnase: Die Kurzköpfigkeit (Brachyzephalie) mag zwar in Kombination mit Kulleraugen kindlich-süss aussehen – gerade die betroffenen Hunderassen sind äusserst populär. Doch für Bulldoggen, Möpse oder Pekinesen ist sie eine Tortur. Die Hunde können sich nicht genug bewegen, schnarchen und leiden unter Erstickungsanfällen sowie Atemnot, weil ihre Gesichtsknochen verkürzt, die Gaumensegel verlängert sowie verdickt und die Atemwege verengt sind. Wegen ihrer dicht beieinanderstehenden, verengten Nasenlöcher gehen auch Perserkatzen und Exotic Shorthair kurzatmig bis atemlos durchs Leben. Die Rassen neigen zu Schwergeburten, höheren Raten an Totgeburten und Zahnfehlstellungen. Da die Augen hervorstehen, sind sie ständigen Reizungen ausgesetzt, was zu Bindehautentzündungen führen kann.
Katzen: Perser, Exotic Shorthair, Britisch Kurz- und Langhaar
Hunde: Englische und Französische Bulldogge, Mops, Pekinese, Boston Terrier, Boxer
Fell- und Hautanomalien
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Sphinx, Devon Rex und die Werwolfkatze genannte Lykoi haben ein gestörtes Haarwachstum bis hin zur völligen Haarlosigkeit. Damit fehlt den Nacktkatzen nicht nur das isolierende Fell, wodurch sie schutzlos Hitze, Kälte und Durchzug ausgesetzt sind, sondern auch ein wichtiges Kommunikationsmittel. Zeigt ein Büsi einen Buckel, sträubt das Fell und macht sich so grösser, heisst das unmissverständlich: Lass mich in Ruhe! Rex-Rassen haben gewelltes und brüchiges Haar, was die Funktion des Fells ebenfalls einschränkt. Sphinx wie Rex haben zudem meistens nur noch einen Stummel der Schnurrbarthaare oder gar keine mehr. Doch die Tasthaare brauchen Katzen beim Fangen der Beute, beim Untersuchen von Gegenständen aller Art und als Orientierungshilfe im Dunkeln. Nacktkatzen und -hunde bekommen schnell einen Sonnenbrand. Die haarlosen Hunderassen wie der Xoloitzcuintle aus Mexiko neigen ausserdem oft zu Immunschwächen, Ekzemen und Hautentzündungen. Letztere treten auch bei Hunden mit starken Falten, vor allem im Gesicht, auf. Basset, Englische Bulldogge oder Mastino Napolitano leiden an Pilzinfektionen oder gereizter Hornhaut.
Katzen: Sphinx, Devon Rex, Lykoi, Rex-Rassen
Hunde: American Hairless Terrier, Chinese Crested, Xoloitzcuintle, Shar Pei, Bluthund, Basset, Englische Bulldogge, Mastino Napolitano
Farbanomalien
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Eine schneeweisse Perserkatze, ein blaugrauer Dackel oder ein gescheckter Australian Shepherd – dabei denken sich viele Menschen nichts Böses. Doch die Züchtungen können problematisch sein. Es gibt viele Gene für die rein weisse Fellfarbe. Beim sogenannten W-Gen ist die Wahrscheinlichkeit aber sehr gross, dass die Katze schwerhörig oder taub ist und Drohlaute ihrer Artgenossen oder das Fiepen ihres Nachwuchses nicht wahrnimmt. Betroffen sind vor allem weisse Büsi mit blauen Augen, aber auch einige gelbäugige. Regelmässig haben die Katzen dann ein blaues und ein andersfarbiges Auge. Beim W-Gen treten ausserdem Schäden am Auge auf, die den Vierbeinern in der Dämmerung und in der Nacht Probleme bereiten. Collies oder Doggen mit einer unregelmässigen Scheckung (Merle-Syndrom) haben manchmal Fehlbildungen im Ohr, die zu Taubheit führen. Der Nachwuchs von zwei Merle-Hunden ist oft auch sehbehindert und stirbt jung. Der Trend zu besonderen Farben bei Hunden hat zu blauschwarzen oder blaugrauen Labradoren oder Dobermännern geführt. Das daraus entstandene Blue-Dog-Syndrom sorgt im Erwachsenenalter für Haarausfall sowie für Probleme bei der Wundheilung und des Immunsystems.
Katzen: Perser, Türkisch Angora, Türkisch Van, Exotic Shorthair
Hunden: Australian Shepherd, verschiedene Collie-Rassen, Dackel, Deutsche Dogge, Chihuahua (Merle-Syndrom); Labrador, Dobermann, Deutsche Dogge, Dackel, Chihuahua, Französische Bulldogge, American Staffordshire Terrier (Blue-Dog-Syndrom)
Gekippte Ohren und hängende Augenlider
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Die Ohren sind der Stimmungsradar der Katzen. Doch Rassen wie Scottish Fold oder Pudelkatze können ihren Artgenossen ihre Laune nicht mitteilen, da ihre Ohrmuscheln nach vorne geklappt sind. Verursacht von einer Genmutation, führt die Erbkrankheit Osteochondrodysplasie aber nicht nur zu Kippohren, sondern auch zu Schäden an Knochen und Gelenken im ganzen Körper. Abnormaler Gang, Arthrosen, Lahmheit und Bewegungsunlust sind die Folgen. Und hängen die unteren Augenlider bei Mastiff, Basset, Bernhardiner oder Neufundländer herab, können die Hunde die Lider nicht ganz schliessen und die Bindehaut liegt frei. Da Staub, Fremdkörper und Bakterien in die Augen eindringen können, tränen diese oft chronisch und die Hunde leiden unter regelmässigen Augenentzündungen.
Katzen: Scottish Fold, Highland Fold, Pudelkatze
Hunde: Deutsche Dogge, Mastiff, Basset, Bernhardiner, Neufundländer
Schwanzlosigkeit
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Die Französische Bulldogge ist ein klassisches Beispiel für eine Extrem- oder Qualzucht. Die Rasse hat Atemnöte wegen der kurzen Nase, der kurzen Beinchen wegen Rückenprobleme und ausserdem nur einen Stummelschwanz. Das Coupieren ist in der Schweiz ebenso verboten wie der Import und das Halten von Hunden mit coupierten Schwänzen. Eine teilweise oder ganz weggezüchtete Rute bei Bulldoggen, Bobtail oder Welsh Corgi Pembroke führt zu Fehlbildungen der Wirbelsäulen und dies wiederum zu Inkontinenz und Lähmungen. Ausserdem fehlt den Hunden ein wichtiger Teil ihrer Körpersprache. Dies ist auch bei kurzschwänzigen oder schwanzlosen Katzen der Fall. Die Rassen Manx und Cymric können sich überdies kaum artgerecht fortbewegen, ist der Schwanz doch wichtig für das Balancieren, Springen und Klettern. Ausserdem kommt ihr Nachwuchs oft mit einem offenen Rücken (Spina bifida) zur Welt.
Katzen: Manx, American und Japanese Bobtail, Cymric
Hunde: Französische Bulldogge, Englische Bulldogge, Bobtail, Welsh Corgi Pembroke
Riesenwuchs
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Sehr grosse Hunde wie Bernhardiner, Neufundländer oder Leonberger haben verlängerte Beine, welche zu chronischen Erkrankungen wie Hüftgelenks- oder Ellenbogendysplasien führt. Die Gründe dafür sind Verschleiss und die Tatsache, dass die Gelenke dasGewicht der Hunde nicht gut tragen können. Riesenhunde leben auch weniger lang als andere Rassen: Ihr Herz-Kreislauf-System ist oft stark strapaziert und sie neigen vermehrt zu Knochentumoren und -krebs.
Hunde: Irischer Wolfshund, Deutsche Dogge, Bernhardiner, Mastiff, Leonberger, Neufundländer, Weimaraner
Zwergwuchs und Kurzbeinigkeit
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Bei Minihunden wie Chihuahua, Malteser, Yorkshire Terrier oder Toy Pudel besteht die Gefahr, dass ihre Knochen schneller brechen und die Schädeldecke nicht richtig zusammenwächst, was zu schweren Hirnverletzungen führen kann. Neurologische Probleme sind die Folge – der Schädel ist zu klein für das Gehirn. Schliesslich kämpfen diese Teacup-Hunde auch oft mit Knorpelwachstumsstörungen und später zudem mit Lähmungserscheinungen. Speziell bekannt für Bandscheibenvorfälle und Dackellähme sind Rassen mit sehr kurzen Beinen und langen Rücken wie Corgi, Basset und Dackel. Unter der Bezeichnung «Dackelkatze» ist die Munchkin auch bekannt. Die aus den USA stammende Rasse hat extrem verkürzte Beine. Die Tiere hoppeln mehr durch ihr Leben, als dass sie laufen, und springen können sie gar nicht. Sie leiden an Arthritis, Arthrose und Bandscheibenvorfällen. Der Nachwuchs zweier reinrassiger Munchkin-Katzen ist denn auch nicht lebensfähig. Der Schweizer Tierschutz STS bezeichnet die Rasse als klaren Fall von Qualzucht, von der man die Finger lassen soll.
Katzen: Munchkin
Hunde: Dackel, Basset, Corgi, Pekinese, Französische Bulldogge, Englische Bulldogge, Mops, kurzbeinige Terrier; Chihuahua, Zwergpinscher, Yorkshire Terrier, Zwergspitz, Toy Pudel, Malteser
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