Dem Pferd zuliebe lohnt es sich, über den Tellerrand der Heu- und Grasfütterung zu blicken. Das Nagen an Holz und das Fressen von Blattwerk gehören zu den natürlichen Bedürfnissen der Vierbeiner. Instinktiv wissen wild lebende Pferde, was ihnen im Moment guttut und wählen das entsprechende Gehölz. Unbekömmliches hingegen meiden sie. Dieses Wissen ist den meisten Hauspferden abhanden gekommen. Viele erhalten generell zu wenig Raufutter und fressen deshalb gierig alles Erreichbare: sei es am Wegesrand beim Ausritt oder entlang ihrer Auslauffläche.

Mit dem Knabberspass die Pferdegesundheit zu fördern statt zu gefährden, ist die Aufgabe der Pferde- und Stallbesitzer. Wer regelmässig einige Zweige und auch grössere Äste von ungiftigen Sträuchern und Bäumen in Stall oder Paddock legt, sorgt für einen willkommenen Zeitvertreib für die Vierbeiner. Zudem liefern das Holz und die Blätter natürliche Spurenelemente und Mineralien, die der Pferdeorganismus besser  verwerten kann als jene aus der Retorte in künstlichen Futterzusätzen. Das Abnagen der Rinde und Zerkleinern harter Holzstrukturen ist mit vermehrtem Kauaufwand verbunden und dient zudem der Zahnpflege.

Die Auswahl bekömmlicher Hölzer ist gross. Auf Nummer sicher geht, wer sich auf Laubbaumholz von Birke, Haselstrauch, Weide, Linde, Pappel und Erle sowie von (ungespritzten!) Obstbäumen wie Apfel und Birne und einige Beerensträucher beschränkt. Idealerweise hat man eigenes Gehölz rund ums Haus oder auf der Stallanlage, dem man ab und zu ein paar Zweige abzwacken kann. Schmackhafte Äste lassen sich sonst auch auf einem Streifzug durch Feld, Wald und Flur sammeln. Die Freude im Stall wird gross sein, wenn die Pferde die mitgebrachten Knabberäste erblicken.

Pferde sind Feinschmecker
Rasch wird man die Vorliebe seines Pferdes für gewisse Baumarten herausfinden. Bei vielen Tieren hoch im Kurs stehen die heimischen Weidenarten. Ihre Rinde enthält medizinische Wirkstoffe wie Salicin – sie sind das «Aspirin der Natur», ohne jedoch negative Auswirkungen auf den Magen zu haben. Ein ähnliches Wirkungsspektrum – schmerzlindernd und entzündungshemmend – haben Laub und Rinde der Pappel. Wertvoll und schmackhaft sind auch Birkenblätter: Sie wirken desinfizierend, harntreibend und enthalten einen hohen Anteil an Kalzium und Zink. Viel Magnesium, Eisen und Zink liefert die Erle. Lindenblättern und -blüten werden eine beruhigende Wirkung auf Atemwege, Maulschleimhaut und Verdauung zugeschrieben.

Auch Zweige von Brombeer-, Himbeer- und Johannisbeersträuchern verzehren Pferde gerne. Eine Sonderstellung hat die in zahlreichen Sorten vorkommende Heckenrose. Nach der Blüte setzt sie Hagebutten an, die im Spätsommer und Herbst reifen. Die roten Früchte sind eine gesunde Leckerei. Sie enthalten sehr viel Vitamin C und Beta-Carotin, was die Abwehrkräfte steigert. Die Hagebutten können – mit schützenden Handschuhen ausgerüstet – auch von den dornigen Zweigen geerntet und in der Winterszeit getrocknet verfüttert werden.

Zur Selbstbedienung können als Umrandung der Weide oder des Trockenpaddocks Heckensträucher gepflanzt werden, welche die Pferde anknabbern dürfen. Dafür geeignet sind insbesondere der rundum gesunde Haselstrauch, die Hainbuche (ein Birkengewächs) und der Weissdorn mit seinen herz- und kreislaufstärkenden Wirkstoffen. Diese rasch wachsenden Sorten vertragen Verbiss und Rückschnitt recht gut.

Es ist ein Auge darauf zu halten, dass die Pferde nicht damit beschäftigt sind, die Büsche komplett aufzufressen. Wie sagte schon Paracelsus: «Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.»

Hände weg von Eibe, Eiche und Buche!
Deshalb gilt auch hier: Übermass ist schädlich. Beherbergt man zu gierige vierbeinige Zeitgenossen, schafft eine Stromlitze Abhilfe, die nach Bedarf scharf gestellt wird. Mässig, aber regelmässig ist eine gute Strategie.
Werden Zweige den Pferden in der Box oder im Auslauf zum Fressen vorgelegt, lohnt sich jeder Kontrollblick. Es gibt leider auch ungeschickte Vierbeiner, die sich mit allem Möglichen und Unmöglichen Verletzungen zuziehen. Haben die Pferde die Äste entrindet, sammelt man diese besser ein, als sie noch unnütz herumliegen zu lassen. Lässt man sie dann trocknen, können sie später als Anfeuerholz im Schwedenofen verwendet werden.

Bei Ziergehölzen aus dem Garten ist immer Vorsicht geboten. Die meisten, vor allem immergrüne Arten wie Buchsbaum, Liguster, Eibe und Thuja, sind stark giftig für das Pferd. Heckenschnitt ist deshalb zum Verfüttern genauso ungeeignet, wie der berüchtigte Rasenschnitt, der sich im Pferdemagen zusammenballen und Koliken verursachen kann. Zu meiden ist zudem die Buche, weil ihre Samen, die eigentlich schmackhaften Bucheckern, tückischerweise sehr giftig sind. Auch um Ahorn, Walnuss und Eiche sollte ein grosser Bogen gemacht werden – auch diese Gehölze enthalten gesundheitsschädliche Stoffe.

Literaturtipp:
Cornelia Wittek: «Von Apfelessig bis Teebaumöl, Hausmittel und Naturheilkräfte für Pferde», Verlag: Kosmos, ISBN: 978-3-440-12065, ?ca. Fr. 28.–