Mediziner sind sich einig: Demenz ist die grosse Alterserkrankung unserer Zeit. Rund 36 Millionen Menschen sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit von einer solchen Erkrankung im Gehirn betroffen. Und die Tendenz ist steigend: Für das Jahr 2050 prognostiziert die WHO bis zu 115 Millionen Demenzkranke. Etwa 50 bis 75 Prozent der Demenzkranken leiden unter dem berühmt-berüchtigten «Morbus Alzheimer», einer schweren Erkrankung, die mit Vergesslichkeit, einem eingeschränkten Denkvermögen und Persönlichkeitsveränderungen einhergeht.

Aber wie sieht es eigentlich im Tierreich aus? Gibt es auch da Alzheimer? Und wenn ja, bei welchen Tieren? Diese Fragen lassen sich heute nur zum Teil beantworten. Im Gegensatz zur Alzheimerforschung an Menschen steckt diese Forschung an Tieren noch in den Kinderschuhen. Was jedoch klar zu sein scheint: Bei Weitem nicht alle Tierarten können an Alzheimer erkranken. Höchstwahrscheinlich sind nur jene betroffen, deren Gehirn bis zu einem gewissen Grad ausgebildet ist. Das erscheint logisch: Ein dementer Regenwurm wäre ja wohl schon aufgrund seiner primitiven Gehirnstrukturen nur schwer vorstellbar.

Alte Katzen finden nicht mehr heim
Jüngere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass Haustiere – in erster Linie Hunde und Katzen – sehr wohl an Demenz und ganz speziell auch an Alzheimer erkranken können. Wissenschaftler konnten nämlich vor allem bei älteren Hunden und Katzen im Gehirn grössere Mengen an sogenannten Beta-Amyloiden nachweisen, also genau jene Eiweisse, die bei an Alzheimer erkrankten Menschen die Signalübertragung im Hirn stören und damit letztlich zu einer immer stärker werdenden Demenz führen.

Bei älteren Katzen scheint Alzheimer sogar sehr häufig aufzutreten. Man geht heute davon aus, dass jede zweite Katze, die über 15 Jahre alt ist, unter mehr oder weniger starken Demenzerscheinungen leidet. Die Symp­tome bei Hund und Katze ähneln ganz deutlich denjenigen, die wir vom Menschen her kennen. An Alzheimer erkrankte Katzen verlieren zum Beispiel oft ihr Orientierungsvermögen und finden dann nicht mehr heim.

Hunde starren ins Leere, wandern ziellos herum, haben kein Interesse mehr an ihrem Spielzeug oder erkennen in schwereren Fällen sogar ihr vorher so heiss geliebtes Herrchen oder Frauchen nicht mehr. Leider sind die Möglichkeiten, seinem an Alzheimer erkrankten Vierbeiner in dieser schweren Zeit helfend zur Seite zu stehen, sehr beschränkt. Heilbar ist Alzheimer nämlich auch bei Tieren nicht. Deshalb bleibt einem Katzen- oder  Hundebesitzer als einzige Massnahme oft nur, das erkrankte Tier durch viel Spielen oder abwechslungsreiche Spaziergänge  möglichst lange einigermassen geistig fit zu halten. Zudem kann eventuell eine vom Tierarzt verordnete Spezialnahrung, die reich an sogenannten Antioxidantien ist, hilfreich sein.

Aber selbst wenn im Augenblick noch keine wirksamere medizinische Hilfe für an Alzheimer erkrankte Tiere zur Verfügung steht: Am ansonsten ziemlich düsteren Horizont der Alzheimerforschung gibt es einen Silberstreifen. Und das gilt erfreulicherweise nicht nur für Tiere, sondern auch für uns Menschen. US-amerikanische Wissenschaftler haben vor einiger Zeit anhand von Tests mit Mäusen herausgefunden, dass durch den Zusatz von Koffein im Futter erstaunlicherweise nicht nur der Gedächtnisverlust bei einer Alzheimer-Erkrankung gestoppt wird, sondern dass sogar bereits entstandene Gehirnschädigungen wieder rückgängig gemacht werden können.

Nach Aussage der Forscher verringert Koffein die Konzentration der Beta-Amyloid-Eiweisse, die ja letztlich für die Krankheit verantwortlich sind, im Gehirn immerhin um rund die Hälfte. Interessanterweise muss man den Alzheimermäusen noch nicht einmal grosse Mengen an Koffein verabreichen, um eine dauerhafte Besserung zu erzielen. Rechnet  man die Menge auf einen Menschen hoch, wäre das täglich gerade einmal ein halbes Gramm Koffein. Das entspricht der Menge, die in ungefähr fünf Tassen Kaffee enthalten ist. Beim Versuch hat man übrigens Mäuse verwendet, die gentechnisch derart verändert worden waren, dass sie ähnliche Gedächtnisverluste entwickelten wie ein an der Alzheimerkrankheit leidender Mensch.

Im Gegensatz zu Katze und Hund liegen bei Wildtieren in Sachen Demenz oder Alzheimer so gut wie keine Erkenntnisse vor. Selbst bei intensiver Suche wird man in der freien Natur nämlich wohl nur ganz selten auf ein dementes Tier stossen. Das hat zwei Ursachen: Zum einen haben altersdemente Tiere wegen ihres geistigen Handicaps so gut wie keine Chance, in der freien Natur zu überleben – selbst über einen kurzen Zeitraum. In ihrem Zustand sind sie entweder eine leichte Beute für Fressfeinde oder sie finden selbst nichts mehr zu fressen. Zum anderen werden Tiere in der freien Natur in der Regel bei Weitem nicht so alt, wie in menschlicher Obhut, wo sie gut geschützt, ständig mit Nahrung versorgt, und im Fall der Fälle auch medizinisch betreut werden. Dadurch sinkt für Wildtiere die Chance, überhaupt ein Alter zu erreichen, in dem eine Demenz auftreten kann.

Regeneration nach dem Winterschlaf
Ein Tier aber könnte – wenn auch vielleicht erst in ferner Zukunft – dazu beitragen, dass Alzheimer bei Menschen geheilt werden kann: das Ziesel, ein kleines Erdhörnchen, das eng mit unserem Murmeltier verwandt, jedoch deutlich schlanker ist und daher eher wie ein Eichhörnchen aussieht. Sein Winterschlaf dauert stolze acht Monate, um der Winterkälte und dem damit einhergehenden Nahrungsmangel aus dem Weg zu gehen.

Sind die Ziesel aber erst einmal aus ihrem langen Winterschlaf aufgewacht, passiert etwas Verblüffendes: Im Gehirn der kleinen Nager  kommt es zu massiven Ausfallerscheinungen. Vermutlich wissen die Ziesel gleich nach dem Aufwachen noch nicht einmal, wo sie sich gerade befinden. Die nach dem Winterschlaf auftretenden Hirnschäden ähneln auf molekularer Ebene überaus deutlich den Schädigungen, die man von Alzheimerpatienten kennt.

Wirklich erstaunlich ist jedoch die Tatsache, dass sich das Gehirn der Ziesel nach einigen Tagen regeneriert und das Gedächtnisvermögen zurückkehrt. Klar also, dass die Wissenschaft höchst interessiert ist, dem Rätsel dieses Gehirn-Reparaturmechanismus auf die Spur zu kommen. Gelingt dies, könnte es ein grosser Schritt sein auf dem Weg, eines Tages Alzheimer heilen zu können. Und zwar nicht nur bei Hund und Katze, sondern auch beim Menschen.